20.8.2021. „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1966) war der Lieblingsfilm von Elizabeth Taylor (1932 – 2011). Die Schauspielerin wurde mit zahlreichen Hauptrollen berühmt, aber das wütende Kammerspiel fiel völlig aus dem Rahmen. Mit ihrem damaligen Ehemann Richard Burton tobten und stritten sie, als Martha und George, so eindringlich, als ob sie ihr eigenes Privatleben spielten, das damals ständig durch die Sensationsnachrichten verbreitet wurde. Die Handlung spielt in einer einzigen Samstagnacht. Beide machen sich nach einer langweiligen Party im historischen Seminar der Universität nur noch die heftigsten Vorwürfe. Als um zwei Uhr früh noch ein zweites Ehepaar dazu kommt, dass sie gerade erst kennengelernt haben, gerät Alles außer Kontrolle. Beleidigungen, Drohungen, ständiges Nachfüllen von Whiskygläsern. Einmal schreit George, „Hör auf, Martha, hör auf!“ Sie brüllt zurück, „Ich fange jetzt erst an!“ Gemeinsam treiben ihn die Drei in die Enge, bis alle eine Pause brauchen. Die beiden Männer sitzen friedlich im nächtlichen Garten, und George horcht seinen Besucher gründlich aus, um Munition für den nächsten Schlagabtausch zu sammeln. Erfolgreich. Er erfährt zwei Privatgeheimnisse: Die Ehefrau des Gastes („Blondie“ genannt), hat ihn zur Heirat gezwungen, weil sie vorher eine hysterische Schein-Schwangerschaft vortäuschte. George nickt, „Erst schwoll sie an, und dann schwoll sie wieder ab.“ Dann erfährt er auch noch, dass ihr Vater eine Glaubensgemeinschaft leitete, aber dann mit der vollen Kirchenkasse flüchtete. Das reicht. Jetzt übernimmt George die Kriegsführung, mit schneidenden, höhnischen Bemerkungen. Am 17.9.20 schrieb ich über diesen Film den Kommentar „Rote und blaue Macht“ :
https://luft.mind-panorama.de/rot-und-blau/
Zitat: „Trotz seiner brutalen Dialoge hat der Film insgesamt eine beruhigende Wirkung. Am frühen Morgen sitzen George und Martha wieder allein vor dem Wohnzimmerfenster. Draußen wird das Licht der Morgendämmerung immer heller. Martha: „Heute ist Sonntag.“ Martha: „Ja, den ganzen Tag.“ Es geht also weiter wie immer, aber der über zweistündige Film endet genau mit dieser Szene. Die „Urschrei-Therapie“ war damals ein beliebte Methode der Modepsychologie. Wenn man sich seine Spannungen vom Hals schreit, hilft das angeblich. Aber das Gegenteil ist richtig. Die Hitze kühlt erst dann ab, wenn man den heißen Kessel von der Herdplatte nimmt. Dazu reicht eine Handbewegug. Die vielen Variationen der Psychologie, auch die ernsthaften, haben deshalb einen schlechten Ruf bekommen, weil sie zu oft von geldgierigen Nichtskönnern missbraucht wurden. Die Berufsbezeichnung „Psychologe“ ist nicht geschützt. Jeder kann sich so nennen, aber keine Krankenkasse erstattet alle abgerechneten Behandlungskosten. Spätestens, wenn die Rezepte und Diagnosen bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) landen, ist Schluss. Dann bekommt der Therapeut einen Brief, dass er alle bereits erstatteten und abgerechneten Gelder zurückzahlen muss. Innerhalb kurzer Zeit. Das halten Schwindler nicht lange durch
Auch wenn solche Patienten immer jammervoller und wehleidiger werden, dann liegt es an ganz anderen Störungen: Neid, Geldmangel, eigene Unerträglichkeit für Freunde und Verwandte, Jähzorn, Charakterfehler. Die kann man eigentlich gar nicht heilen, weil sie angeboren sind. Ein Lügner bleibt immer ein Lügner. Man kann das nur dämpfen. Oder auf Distanz gehen.“
Dieser Kommentar ist schon fast ein Jahr alt, aber er gilt noch immer. Die Erleichterung, nach dem Anschauen des turbulenten Films, hat auch eine ganz unerwartete, beruhigende Wirkung: Man trifft dabei auf ähnliche Situationen in der Vergangenheit. Die Menschen, mit denen ich das ageschaut habe, waren gute Freunde. Schreikrämpfe oder Drohungen habe ich mit ihnen nie erlebt, nur manchmal einen einzelnen, normalen Alltags-Streit, der schnell vorbeigeht. Aber die grenzwertige Hysterie ist ein Teil vieler gescheiterter Lebenspläne und Wutphantasien. Erst wenn man das begreift, kann man mit solchen Personen auch umgehen, sollte das aber zeitlich begrenzen. Echte Freunde erkennt man daran, dass sie auch bei schlechtem Wetter zusammenhalten. Aber ohne Geschrei.
Zu diesem Film hat Alex North eine melancholische Musik geschrieben, aber er konnte auch ganz anders. Monumentalfilme wie „Cleopatra“ oder, ganz besonders innig und voller Wärme, die „Unchained Melody“ (Entfesselte Melodie) :
https://www.youtube.com/watch?v=gDWyPcTplrw
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