8.6.2021. Trubel und Karneval gab es in München vor dreißig Jahren bis zum Wegschauen. Viele Lokale sind im Lauf der Zeit verschwunden, das letzte Jahr hat die Einnahmen so sehr reduziert, dass eine ganz neue Situation kommen kann: Die Gäste finden neue Ziele, und in der gesamten Unterhaltungsbranche ist das auch so. Die Industrie-Firmen müssen sich auch neu orientieren, weil der Weltmarkt von organisatorischen Erdbeben erschüttert wird. Das bekommen die Arbeitsplätze und Gehälter direkt zu spüren, nicht nur an dem einen Aschermittwoch, wenn der Karneval vorbei ist.
Der Fasching spielte sich in München meist nicht auf der Straße ab, sondern in den Lokalen. Dort traf man nicht nur die Stammgäste, sondern auch Kurzbesucher und zufällig aus dem Frost von draußen Hereingeschneite. Darüber kann man zahllose Geschichten erzählen, nicht nur die Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Ein Zentrum vor dreißig Jahren war das Sendlinger Tor. Richtung Süden wimmelte es von Abendlokalen, bis zur Isar. Viele Namen waren gleich am nächsten Tag vergessen, andere haben im Gedächtnis überlebt. An der Blumenstraße gab es das „City Lights“, nach dem gleichnamigen Filmtitel von Charlie Chaplin. Wenn man um zwei Uhr früh dort auftauchte, war es überfült. Einmal schlug mir im Gedränge eine unbekannte Hand freundlich auf die Schulter. Daraus wurde dann eine jahrzehntelange Freundschaft. Schlimmer waren die Belästiger, die ohne Einladung auftauchten und nicht mehr gehen wollten.
Am schlimmsten war das in der Staatsoper. In den Pausen drängten Besucher heran, die keine Ahnung und kein Interesse an Musik hatten, aber ihre beste Kleidung zeigen wollten. Raubfische schwammen herum, die Millionäre suchten oder dort nach Gold und Geld angelten. Leider ließen auch die künstlerischen Darbietungen nach. Heute gibt es derart viele Filmdokumente, dass die nächste Generation schon sehr gut sein muss, wenn sie noch geliebt werden will. Spitzenleistungen bot immer der aus dem sibirischen Omsk stammende, russische Chefdirigent Kirill Petrenko, Jahrgang 1972. Er konnte Klänge zaubern, auseinanderfalten und im Großformat steigern. Jetzt ist er Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und hat vorher auch nicht nur Gutes erlebt.
Das Alles kostet Geld, der Karneval und die Oper. Die sonstigen Firmen müssen noch Riesen-Verluste ausgleichen, davon hängt ihr Überleben ab und auch die Gehälter der Mitarbeiter, die sich immer weniger leisten können. Die Rentenkassen sind leer. Wer heute noch regelmäßig arbeitet, hat im Alter nichts mehr davon. Die neuesten Prognosen stehen auf Null. Doch das Geld ist ja da und eigentlich leicht zu finden, wenn man weiß, wo es steckt.
Zum Beispel in den staatlichen Unterstützungen (Subventionen), die wie mit der Gießkanne verteilt werden, obwohl viele Empfänger auch ganz andere Finanzquellen haben. Außerdem verdunstet Geld in fast allen anderen Ausgaben, deren Höhe gar nicht berechtigt ist. Im jährlichen Haushaltsplan steht ein großer Betrag für sämtliche Positionen und Zwecke. Wenn der Staat in einer Krise ist wie zur Zeit, darf er nicht ständig neue Kredite aufnehmen, die jahrelang pünktlich zurückgezahlt werden müssen, deren Zinsen zusätzliche Kosten verursachen und die Geldentwertung (Inflation) anheizen. Mit einer Lupe muss man gar nicht danach suchen, sie sind sofort erkennbar und können auch sofort eingespart werden.
Russland erlebt zur Zeit einige Turbulenzen, die sich auflösen werden. Nicht richtig hingeschaut haben die Nachbarn auch bei der Ökonomie. Das riesige Land kann wegen der Kälte nur teilweise bewirtschaftet werden. Statt Belehrungen braucht es Ideen. Ich war noch nie in Russland, aber Jeder kann Informationen und frei zugängliche Daten darüber finden, welche Möglichkeiten noch offen sind.
Vor fünf Jahren kannte ich ein paar Tage lang einen Moskauer, der in seiner Heimat Bautechnik studierte, aber auch in Deutschland dafür keinen gleichwertigen Arbeitsplatz fand. Sogar das Nationalgetränk Wodka hatte er aus familiärer Sparsamkeit noch nicht kennengelernt. Ich habe dann eine Flasche geöffnet, die ihm so gut schmeckte, dass es ihm überhaupt nicht mehr gut bekam. Daraus entstand ein Streit, und bei einer letzten gemeinsamen Tasse Kaffee habe ich mich für immer von ihm verabschiedet.
Doch das zunehmende Wissen über Russland macht bescheiden, weil es viel zu bieten hat. Ein großer Bilderbogen entfaltet sich in Mussorrgskys „Chowantschina“. Die klassische Aufführung des Bolshoi-Theaters wurde 1959 von Vera Stroyeva aufgezeichnet, mit den Mitteln des Kinofilms (131 Minuten):
https://www.youtube.com/watch?v=tCMdC1JL2SE
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