24.9.2020. Maria Callas hat gern die Musik von Vincenzo Bellini gesungen. Ihre Studio-Aufahmen sind dafür der Beweis. Bellini ist längst ein Markenname, auch für schicke Bars und einen beliebten, exklusiven Cocktail aus Pfirsich, Zuckersirup und Sekt. Man bekommt „Bellini“ in München auf den Tischen gepflegter Lokale. Zur umsatzfördernden Ausstattung der Räume gehören manchmal gerahmte Fotos berühmte Filmstars und Sänger, an der Spitze natürlich die „Primadonna Assoluta“, Maria Callas, deren Stimme oft im Studio aufgezeichnet wurde und die deshalb ganz neutral, immer noch, als beste Musikdarstellerin aller Zeiten bezeichnet werden kann.
Ihr häufigster Studio-Partner war Giuseppe di Stefano. Ihn traf ich zufällig, nach einem Konzert im Gasteig, später als zurückhaltenden Gast in einem Bistro, sagte spontan „Maestro!“, und er gab mir sofort die Hand. Prominentenlokale können auch sehr arrogant daher kommen, mit wachsamem, sportlichen Türsteher und unhöflichem Personal. Viele sind wegen der seit vielen Jahren schleichenden gastronomischen Dauerkrise längst verschwunden. Ein einzelner Szenewirt setzte seiner großzügig zahlenden Kundschaft gern den ganzen Abend teure Sektflaschen hin, die er bereits nebenan, in der Küche geöffnet hatte, am oberen Flaschenhals dekoriert mit einem eleganten weißen Halstuch. So etwas macht man nicht. Der Korken muss bis zur Ankunft beim Gast unberührt in der Flasche stecken bleiben, denn sonst lässt sich weder die seltsame Geschmacks-Qualität des aufgedruckten, exklusiven Markenatikels rechtzeitig erkennen und ablehnen, und auch die längst verbrauchte Zeit im überfüllten Warenlager ist nicht erkennbar.
So etwas gibt es nicht bei den Bewunderern von Maria Callas. Ihr Bistro liegt in der Nähe vom Gärtnerplatz, kann nur von Eingeweihten gefunden werden. Und das ist gut so. Denn es gibt auch, allerdings ganz selten, herein platzende Gäste von der benachbarten, überlaufenen Einkaufs-Straße, die nur noch zum Weglaufen sind. Aber wenn sie sich dann kurz umschauen, bleiben sie angenehmerweise nicht lange.
Die Mitarbeiter hinter der schmalen Theke sind wachsam und freundlich. Sie kennen viele seltene Geschichten, die in keiner Zeitung stehen, bleiben dabei aber immer diskret und verschwiegen. Eine bekannte Sängerin bekam zwar ein Lokalverbot, aber den genauen Namen habe ich erst nach einigen Jahren erfahren, obwohl ich sie recht gut kannte. Wenn man schon einen hochgeistigen, hochprozentigen Fruchtsaft wie „Bellini“ trinkt, dann darf man nicht gleichzeitig mit anderen Gästen laut streiten, denn auch der Komponist Bellini bevorzugte angenehme Melodien und gedämpfte, wortlose Zuschauer bei seinen Werken.
Aber das Leben ändert sich. Andere Themen lösen die alten Gewohnheiten ab. Doch die Erinnerungsbilder im Kopf bleiben immer, wie auch bei allen anderen Erfahrungen. München ist längst eine Stadt im Wandel. Auch darüber wird auf dieser Webseite oft berichtet. Die Ursachen und Folgen der Veränderungen betreffen Jeden. Manches ist voraussehbar, aber Niemand kümmert sich darum. Auch ein Dauerthema, aber kein Grund zur Traurigkeit. Jedes gute Bild hat dunkle und helle Zwischentöne, sonst ist es wertlos.
Im weltweiten Internet verschwinden die letzten Geheimnissse, im grellen Licht. Oder sie lösen sich auf, werden ein Teil des wachsenden Schattens, der Unwissenheit, Unkenntnis. Die letzte Bewertung ist ein altmodischer Irrtum. Jede Bewegung hinterlässt immer mehr Spuren, auch solche, die nicht einmal Messinstrumente entdecken.
Informationen vermehren sich in Hochgeschwindigkeit. Oft sind sie lückenhft, aus dem TZusammenhang gerissen oder absichtlich manipuliert. Fälschungen, mit denen Gauner viel Geld verdienen oder elekronische Abgas-Messinstrumente mit programmierten falschen Ergebnissen, die sehr teuer werden können, wie bei großen Firmen in der Auto-Industrie oder schlecht verkleideten Filmstatisten.
All das vergisst man, nur vorübergehend, beim beliebten „Bellini“-Cocktail, wenn die einnehmenden Mitarbeiter dabei gut zuhören, weil an der Theke sich plötzlich alle Weltprobleme als Kleinigkeiten durchkauen lassen und der Wirt dazu freundlich lächelt.
Maria Callas singt hier gefühlvolle Puccini-Arien, unvergleichlich:
https://www.youtube.com/watch?v=3hf9SBt2VGI
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