Der Metzgersprung

15.92.2020. Wenn Metzgerlehrlinge ihre Gesellenprüfung bestanden haben, marschieren sie in traditioneller Handwerkerkleidung, begleitet von einer festlichen Trachtenkapelle, zum zentralen Münchner Marienplatz. Dort springen sie in das Wasser des Fischbrunnens und trinken Bier dazu. Das ist der Metzgersprung.

Solche Bräuche gibt es viele in der Stadt. Sie haben auch den Zweck, sich bei der zukünftigen Kundschaft vorzustellen. Andere haben sehr ernste Ursprünge. Als vor Jahrhunderten die Pest viele Todesopfer forderte, wagten sich als Erste die Münchner Schäffler wieder ins Freie, die sonst Bierfässer bauten. In ihren Handwerkertrachten mit signalroten Jacken tanzten sie auf der Straße und sangen, „Aba heit is koud.“ (Aber heute ist es kalt.) Alle sieben Jahre im kalten Ferbruar wiederholen sie das immer noch, ein paar Tage lang, auch als geladene Gäste bei großen Veranstaltungen und Firmen.

Als Neuling habe ich mir viele dieser Bräuche mehrfach angeschaut. Aber schon seit zwanzig Jahren nicht mehr, weil die Farben des Lebens sich verändern und neu orientieren.

Die Traditionen verschwinden immer mehr. Der saftige Bayrische Dialekt auch. Nur noch eine kleine Minderheit echter Münchner lebt in der Stadt. Ständig treffen neue Einwanderer ein, vergrößern die Vielfalt der Sprachen, aber auch die Fehler der öffentlichen Begleiter. In zahlreichen großen Wohngebieten mit Sozialwohnungen findet man kaum noch deutsche Türschilder. Die älteren, hier geborenen Münchner mit geringem Einkommen haben Schwierigkeiten bei der Suche nach bezahlbaren Wohnungen. Als ich das vor zehn Jahren in einer kleinen Stammkneipe ansprach, wo viele ältere Gäste ihr Rentner-Bier tranken, schrie die Wirtin mit voller Lautstärke, „Ein Ausländerfeind! Ein Ausländerfeind!“ Zufällig war nur ein grauhaariger Beamtentyp gleichzeitig anwesend, der eine ordentliche graue Strickjacke trug. Er war einfach immer ein gehorsamer Untertan und widersprach deshalb nicht. Auch nicht, als sie mir nach zehn problemlosen Jahren ein Lokalverbot erteilte. In diesem Fall bin ich stolz darauf. Ich wäre auch sowieso dort nicht mehr aufgetaucht.

Mit Ausländern war ich immer befreundet. Mit zwanzig Jahren war das ein gleichaltriger Palästinenser aus Jordanien. Sechs Jahre lang ohne ernsthafte Probleme, bis zu seiner Ausreise im Oktober 1978. Von Einwanderern habe ich viel über ihre Heimatländer gelernt. Das waren, nur als Beispiel: Äthiopien. Tunesien. Marokko. Nordamerika (USA). Süditalien, der Mezzogiorno (Mittagsland) südlich von Neapel, ist mittlerweile ein Spezialgebiet geworden. Vor Allem dessen grundlose Armut, wegen weltweit bekannter Fehler der römischen Zentralregierung. Den Ursachen dafür sind hier zahlreiche Artikel gewidmet, meistens in der Rubrik „Die Gesetze der Ökonomie“, rechts unten auf dieser Seite.

Wo der Metzgerspung stattfindet, am Fischbrunnen, habe ich am 27.7.88, nach zehnmonatigem Aufenthalt als Zuwanderer (bayrisch“Zuagroaster“) und vielen Zufallsbekannten, eine Partnerschaft begonnen, die vier Jahre lang problemlos ablief, aber dann durch wachsende Unterschiede und Interessen unangenehm endete. Familiärer Hintergrund war eine Millionärsvilla am Starnberger See. Nach dem Auszug der beiden Kinder hatten die Eltern die jetzt leeren Kinderzimmer trotzdem als „vermietet“ gemeldet und damit eine Menge Steuern gespart, für alle laufenden Reparaturen. Das Finanzamt befragte jedoch die angeblichen neuen Mieter. Sie wussten nicht einmal, wie die Räume ausahen. Wegen Steuerhinterziehung gab es eine harte Geldstrafe. Die Villa musste nach ein paar Monaten vor Gericht dann restlos verkauft werden. Die Mutter zog mit der Tochter um nach Norditalien. Der Vater, dem eine erfolgreiche Elektrofirma gehörte, ist bereits vor Jahren verstorben. Als der Sohn seine Mutter anrief, legte sie einfach auf.

Luxusfassaden gab es immer schon in München. Doch der stärkste Glanz war oft nur eine nutzlose Selbsttäuschung. Gerade ältere Prominente erzählen im kleinen Kreis offen über ihre privaten Tragödien. Das Publikum kennt sie nur in teurer Garderobe, aus Film und Fernsehen. Wenn die Lebens- Kurve trotzdem nach unten zeigt, verschwinden auch noch geräuschlos die besten, langjährigen Lebensfreunde. Die abgestürzten Pechvögel sind dann dankbar für jede menschliche Aufmerksamkeit. Professionelle Hilfe bei exklusiven Ärzten oder geschwätzigen Mode-Psychologen ist dann meistens schon zu teuer. Ein Bekannter hörte sogar, nach mehreren Anläufen: „Wir können Ihnen nicht helfen.“ Das war eine Dummheit. Ich habe ihm das Gegenteil bewiesen, und dabei widerspricht er auch heute nicht.

Vor ihrem Metzgersprung müssen die Handwerker ihre Meisterprüfung vor erfaahrenen Innungs-Meistern bestehen. Selbst das schützt Manche nicht – in Einzelfällen – vor Faulheit, Betrug und falschen Abrechnungen. Dazu gibt es viele Möglichkeiten zur Information, vorher, damit man sich Ärger spart und Zeitverschwendung, verlorenes Geld. Jede Suchmaschin gibt Auskünfte, die sich überprüfen lassen. Das schreckt Gauner und Lügner ab, spricht sich herum, bei den Behörden, den Kunden und der Gewerbeaufsicht. Auch ein Fortschritt.

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