Der schwarze Raum zwischen den Spiegeln

9.9.2020. Wenn ein Raum voller Spiegel ist, kann man sich gleichzeitig mehrfach anschauen. Wenn die Spiegel nicht glatt sind, zeigen sie Verzerrungen. Sind sie von hinten durchsichtig, haben sie den Beinamen „venezianisch“ und werden in Kaufhäusern benutzt, um Kunden zu erwischen, die klauen wollen, aber im Spiegelbild nur ihr ihre eigene Figur sehen können und deren Bewegungen. Wenn solche Fahndungsbilder in einem schwarz angestrichenen Raum entstehen, dann kann von draußen Niemand hereinschauen. Siind die Wände durchsichtig, sieht man zwar alle abgelegten Gegenstände, aber nicht deren Geheimnisse.

In der Wirklichkeit ist das selten, weil es Keiner braucht. Nur, wenn er es beruflich verwendet wird oder aus Langeweile. In einer Düsseldorfer Sauna war das neue Pausencafé so gebaut: Die Gäste konnten von drinnen die Passanten beobachten. Von außen spiegelten die vorbeigehenden Leute ahnungslos nur sich selbst. Das war vor vierzig Jahren mal neu und originell, ist aber längst kalter Kaffee.

Heute sind diese Möglichkeiten grenzenlos. Unbemerkte Fotos mit dem Mobiltelefon und deren Manipulation. Vor ein paar Jahren bin ich einmal im Wohnzimmer ausgerutscht und bekam an der Tür eine blutige Kratzwunde. Weil die nach wenigen Tagen verheilt war, habe ich noch nicht einmal ein Abdeckpflaster darauf geklebt. Zwei Jahre später stellte sich in der überfüllten Straßnbahn ein unbekannter junger Mann neben mich. Er öffnete den Monitor seines Mobiltelelefons, so dass ich ein klares Bild von meinem Gesicht darauf sehen konnte. Auf der Stirn war die blutige alte Kratzwunde! Der fremde Fahrgast stieg schnell aus und war weg. Offensichtlich hatte ein Unbekannter damals das Foto gemacht und dann im Internet verbreitet. Ein bayerischer Politiker sagte damals zu mir: „Was meinen Sie, was für Fotos meine Gegner im Netz verbreiten!“

Das kann Jeder. Auf Facebook kann man sogar harmlose Privatfotos sehen, die Prominente freiwillig von sich selbst gemacht haben. In der Münchner Filmhochschule sagte mal ein junger Besucher zur mir: „Was meinst du, was wir alles können!“ In enem menschenleeren Café der Münchner Innenstadt setzte sich einmal in junges Paar an den freien Nebentisch. Sie betrachteten städig ihre Handy-Fotos, und Jeder konnte dabei zuschauen. Nach zehn Minuten sagte ich zu Ihnen, „Können Sie mir das letzte Bild noch einmal zeigen?“ „Natürlich“, lachten sie. Es war ein Bild von mir, aber völlig verändert. Pechschwarze Locken, ein brauner Vollbart, dunkle Augen. Ich sah aus wie ein Araber! Sie hatten offensichtlch meinen Standort über ihr Mobiltelefon ausspioniert (kann Jeder) und den bezahlten Auftrag bekommen, es als Reaktionstest zu zeigen. Beim Fortgehen sagte ich, „Fahren Sie jetzt zu Ihrer Einsatzleitung?“ „Nein, erst später.“ Damit hatte er die Vermutung bestätigt. Beide waren völlig überrascht und sind dann sofort verschwunden. Anscheinend arbeitslose oder arbeitsscheue Filmstatisten.

Vor drei Jahtn wurde in der Münchner Innenstadt ein neues Prominentenlokal eröffnet, natürlich überwacht von zivilen Sicherheitskräften und Videokameras. Um zehn Uhr vormittags machten Presseberichte so neugierig, dass ich dort an einem Stehtisch ein Bier trank. Andere Gäste schliefen wahrscheinlich noch ihre letzte, durchgesoffene Filmpremiere aus. Da stellten sich an den Nachbartisch drei ältere Herren mit lustiger Oktoberfestkleidung. Der Zeitpunkt war falsch, denn wir hatten März. Sie behaupteten, sie wären Tagesbesucher aus dem Ruhrgebiet, sprachen aber fließend bayrisch. Also auch falsch.

Wir haben trotzdem miteinander angestoßen und Witze erzählt. Beim Fortgehen sagte ich nur, „IIhr habt euch schlecht verkleidet. Anscheinend sollt ihr auf die prominenten Stammgäst aufpassen und sie beschützen.“ Schlagartig waren sie ernst. Einer sagte, „Du darfst niemand erzählen, dass du uns getroffen hast.“ „Das geht doch gar nicht, weil ihr eure Filzhüte so tief ins Gesicht gezogen habt, das man es sich gar nicht merken kann.“ Trotzdem lachten sie nicht mehr. Sicher haben sie auch den Mund gehalten, denn sonst wären sie beruflich in die Kategorie „Verbrannt“ eingestuft worden und hätten niemals mehr einen Spezialauftrag für James Bond bekommen. Die ganze Berufsbranche wird schlecht bezahlt, die Konkurrenz ist groß. Wer finanziell überleben will, kann sich keine Kündigung leisten, denn das spricht sich schnell herum.

Selbst die Manager von Sicherheitsfiirmen können sehr nette Leute sein. Darum sage ich bei Zufallstreffen gern, „Wenn eure Mitarbeiter auffallen, riskiert die ganze Firma eine fristlose Kündiigung, vor Allem bei den gut bezahlten Aufträgen.“ Oft sieht man daraufhin entsetzte Gesichter, aber die Information sollte nur das Schlimmste für sie abwehren. Und sie hätten selbst darauf kommen können.

Alle Ordnungskräfte, auch die Polizei und der Verfassungsschutz erledigen wichtige, notwendige Aufgaben. Aber es findet zu wenig Selbstkontrolle statt. Die eigenen juristischen Kenntnisse dieser Experten sind lückenhaft, und jeder Mitwisser kann in seinem privaten Bekanntenkreis ungestört herumplaudern. Nach solchen existenzsichernden, guten Hinweisen grüßen manche Schlapphüte gar nicht mehr. Auch ein Fehler. Denn wer schweigt oder wegschaut, erfährt auch nichts.

Manche sind offensichtlich im falschen Film unterwegs. Der Nachwuchs im beliebten Medienbereich, in der Filmbranche, auch bei den Zeitungen, hat oft noch nicht einmal derartige Grundkenntnisse. Man erkennt sie schon daran, dass sie sich auffällig wie Filmstars benehmen, ständig kichern und schlecht sitzende Perücken tragen. Dazu Schminke mit einem zu hohen Fett-Anteil, der bei hoher Körperwärme oder Sonnenhitze rasch zu schwitzen beginnt, während die Normalbürger eine trockene Haut haben.

Das war nur eine winzige Auswahl an Beispielen. In München sind zu viele aufdringliche Witzfiguren und hartnäckige, dumme Belästiger unterwegs. Zu einer kleinen Gruppe, die ständig Befehls-Kopfhörer trug und die Fahrgäste im Stadtbus anstarrte, habe ich im letzten Oktober gesagt, als sie aussteigen wollten, „Fahren Sie doch bitte bis zur nächsten Haltestelle weiter mit. Dann können wir alle gemeinsam aussteigen.“ Zwei Mitwirkenden hat es die Sprache verschlagen. Der Dritte gab ein unauffälliges Handzeichen: Er hielt den rechten Daumen hoch, als anerkennendes Siegeszeichen und grinste sehr freundlich, mit einem Kopfnicken. Das war professionell gemacht ! Und das beste Geburtstagsgeschenk an dem Tag.

Das ganze ernsthafte Thema beschreibe ich absichtlich unterhaltsam, damit es sich bei den Betroffenen und deren ahnungsloser Kundschaft herumspricht. Ein Rätsel dabei ist die übergeordnete Führungs-Ebene. Wenn Abteilungsleiter solche Aufträge erteilen, haben sie Wissenslücken. Das allein ist ein Risiko für die ganze Firma. In Hannover standen, laut Presseberichten, vorletztes Jahr fünf Mitarbeiter einer angesehen Sicherheitsfirma vor Gericht, weil sie ihre Grenzen nicht kannten, zu Gewalt und Übergriffen neigten. Der verantwortliche Firmenchef war nur als Zeuge geladen. Aber andere Mitarbeiter wurden so zitiert: „Wir überlegen schon jeden Tag, wer von uns den Chef verhaften wird.“

In der letzten Geschichte habe ich nur die Namen, den Ort und das Problem verändert. Es ist tatsächlich so passiert. Aber ich wiederhole: In allen Artikeln hier gibt es keine persönlichen Beschuldigungen, für die Klatschpresse keine Hinweise. Und Jeder, mit dem ich jemals persönlich gesprochen habe, wird bei solchen Themen überhaupt nicht erwähnt. Dieser Informantenschutz ist durch die Presse und Meinungsfreiheit grundgesetzlich garantiert und muss auch von Behörden respektiert werden. Die Privartfirmen und die vielen privaten Denunzianten gehen bei Verstößen ein hohes Risiko ein.

Die schlimmsten Hexenprozesse fanden von 1595 bis 1631 in Bamberg statt. Neben vielen unschuldigen Verdächtigten und trotzdem hingerichteten Opfern wurde der gesamte Bamberger Stadtrat von Mitbürgern der Hexerei beschuldigt und zum Tode verurteilt.

Dieser Skandal brachte das schmutzige Verleumdungs-Fass endgültig zum Überlaufen. Schwarzes Vorbild der Exzesse war das Buch „Malefiz“ (Hexenhammer), das zu Morden aufrief.

Dem verbrecherischen Treiben setzte ein anderes Buch ein verdientes Ende: Der Jesuit Friedrich Spee veröffentlichte 1631 „Cautio Criminalis“ (Kriminalprozesse). Darin begründete und forderte er ein sofortiges Ende der Hexenprozesse. Das geschah nicht sofort, aber setzte sich vollständig durch.

Dazu passend: Aus Rossinis Komödie „Barbier von Sevilla“ stammt folgender Text: „Die Verleumdung, sie ist ein Lüftchen. Horch, nun fängt es an zu säuseln – Immer näher, immer näher kommt es her. – Kriechend, schleichend! Wie sie horchen, wie sie horchen! Wie sie lauschen, wie sie lauschen! Und das zischelnde Geflüster dehnt sich feindlich aus und düster. Und die Klugen und die Tröpfe und die tausend hohlen Köpfe! Das Gerede schwellt die Lungen – Das Gemurmel wird Geheule – Und es schwärzt sich Nacht und Schrecken schaurig immer mehr und mehr. Endlich bricht es los, das Wetter, unter grässlichem Geschmetter! Durch der Lüfte Regionen in der Blitze Höllenschlund!
Und der Arme muss verzagen, den Verleumdung hat geschlagen. –
Schuldlos geht er dann, verachtet, als ein Ehrenmann zugrund.“

Das singt hier Gottlob Frick:

https://www.youtube.com/watch?v=lRYa2PwnvYM

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