Der Untergang der Maya

25.6.2021. Einige Staaten blühten vor sechzig Jahren immer mehr auf. Der Krieg in Europa war seit 1945 vorbei, die Städte füllten sich, in Hochgeschwindigkeit, mit Neubauvierteln. Das Stichwort „Individualismus“ feierte trotzdem den robusten Einzelgänger, der seine persönlichen Interessen erfolgreich durchsetzte. „Jeder Mensch ist eine Insel“, verbreiteten die Pessimisten, die vor Allem über sich selbst nachgrübelten. Da nützte auch der ringsum anschwellende Wohlstand nichts mehr, der seit 1960 die materiellen Wünsche immer mehr anstachelte, Überfluss und Überdruss steigerte. Ein langer Schleier von Spannungen und Krisen rauschte hinterher. Jetzt sagt der amerikanische Außenminister, „Kein Staat wird in Zukunft ohne die Unterstützung der anderen auskommen können.“

Das Alles ergänzt sich sprachlich sehr glatt, wie eine Schönheitscreme, die nur die Oberfläche poliert. In den besten Zeiten vermehrten sich auch immer die persönlichen Freunde. Beruflich schoben sie sich materielle Vorteile zu und ließen die Anderen allein vor der Tür. Privat sagte mir kürzlich ein Bekannter, „Früher hatte ich viele Freunde, von denen ich heute nichts mehr wissen will. Aber sie gehen einfach nicht!“

Das ist keine Ausnahme. Mitläufer und Trittbrettfahrer sind der krisensichere Wettermantel jeder Hochkultur, der es zu gut geht. Man muss nur in alten Chroniken blättern, deren Kurzform im Internet ständig abrufbereit ist. Die südamerikanische Maya-Kultur entstand 3.000 Jahre v. Chr. Vor tausend Jahren brach sie zusammen. Die Naturschätze waren verbraucht, die Lebensmittel wurden immer weniger. Die Städte verfielen, ihre Überreste werden seitdem von Wissenschaftlern aufmerksam untersucht und deren Schicksal erklärt, für  die ganze Welt, die sich wenig dafür interessiert.

Die Phantasie schmückt das Thema noch mehr aus, mit Märchen und Legenden. Abenteuerfilme dazu waren vorübergehend sehr erfolgreich, so wie auch der Verfall der Oster-Insel, viertausend Kilometer von Chile entfernt. Bekannt ist die Insel vor allem wegen der monumentalen Steinskulpturen, der Moai. Im ersten Jahrtausend n. Chr, begann die Besiedlung. Streitigkeiten, Kämpfe zwischen den Bewohnern und fremde Angreifer  sorgten dafür,  dass 1864 nur noch 111 Personen dort lebten.

Katastrophenfilme, in denen das Entsetzen sich immer mehr steigert, habe ich nie so richtig gemocht, auch wenn die Tricktechnik dabei immer perfekter wurde. Ein Großmeister dieser  Spitzenleistungen lief mir vor zwei Jahren in einem Bistro über den Weg, und ein Gespräch hätte sicherlich ein Ergebnis gebracht. Aber er wollte nicht erkannt werden und verschwand. Ganz anders ein Spezialist für bayerische Heimatfilme mit Tiefgang. Er tauchte öfter an einem Nebentisch auf, blieb lange, starrte düster-dunkel vor sich hin und sprach kein Wort, obwohl er sich über einen neuen Erfolgsfilm sicher gefreut hatte. Ganz offen war einer seiner Kollegen, der behauptete, er wäre Versicherungsvertreter, aber zur Krise des Kinofilms meinte, „Uns fällt nichts mehr ein.“ Er war nicht so bekannt wie die beiden anderen und meinte deshalb, ich glaubte ihm jedes Wort. Warum auch nicht? Er trug noch nicht einmal eine gebrauchte Perücke. An unsere Gespräche erinnere ich mich gern, denn Profis vermeiden Zeitverschwendung. Er zuckte noch nicht einmal zusammen, als ich  behauptete, die beste Leistung von Alfred Hitchcock war der Geniestreich, in jeder ausweglosen Situation noch ein gutes Ende aufzubauen, das auch logisch glaubwürdig und sehr spannend war.

Vor hundert Jahren waren Kriminalromane sehr beliebt, aber aufregender als alle Erfindungen sind Fakten. Heute umso mehr, weil selbst die raffiniertesten Computertricks sofort erkennen lassen, dass sie mit Phantasie nicht mehr viel zu tun haben, sondern mit digitaler Handwerksarbeit, die  sich immer ähnlicher wird. Zum Thema „Kinofilme“ gibt es hier 39 Artikel. Vergangenheit und Gegenwart spielen dabei eine Hauptrolle, aber viel wichtiger ist die Zukunftsfrage: Der kommerzielle Erfolg, die Einschränkung der Spielereien, die Verbesserung der Handlungen und Dialoge. Die Auswahl an Rezepten ist noch viel größer, aber dafür der Platz hier zu klein.  Wenn man miteinander redet, gibt es immer Überraschungen, solange keine unangenehmen Wichtigtuer sich einmischen. Die Ehefrau eines älteren Musikjorurnalisten sagte einmal zu mir, „Sie kennen sich mit Opern besser aus als mein Mann.“ „Nein. Das stimmt nicht. Er kannte viele wichtige Künstler persönlich, ich aber nicht.“ So etwas kommt dann gut an, wenn es ehrlich gemeint ist. Auch wenn es nicht ständig passiert, umso besser. Der Planet Erde ist längst überbevölkert, aber es lohnt sich, immer noch Schätze und Orte zu finden, die unbezahlbar sind. Dort ist auch noch Platz. Manchmal sind es Städte, die Jeder kennt, aber sie bleiben geheimnisvoll, wenn man dort die richtigen Orte und Plätze sucht. Sie gehören immer zu einer größeren Region, mit Landschaften und Bewohnern, die viel zu erzählen haben.

Mit Filtern lässt sich dabei ein Durcheinander vermeiden. Und dann ist es möglich, dass jahrzehntelang verschlossene Türen sich öffnen. Nicht wegen der Gegenstände in den Räumen, sondern wegen der Gedanken, die dort immer noch lebendig sind.

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