Der zweite Walzer

6.6.2021. Steuererklärungen sind langweilig. Früher waren sie auch noch kompliziert. Der Staat steckte Alles ein, aber was er damit machte, war und ist oft ein Ärgernis. Deshalb gibt es einen Volkssport: Steuerhinterziehung. Die Steuerberater dürfen dabei nicht mitmachen, weil sie dafür haften. Trotzdem gibt es genug freischaffende Künstler, die sich auskennen. Ärgerlich wird das, wenn es herauskommt. Zur Zeit gehen noch die Wellen hoch bei „Open Lux“. Im Lexikon findet man eine Menge dazu. Große Firmen haben in Luxemburg Geld vergoldet, indem sie mit ganz neuen Sparmodellen arbeiteten, die verboten waren. Das ist trotzdem herausgekommen. Jetzt schuftet die Justiz und versucht, die Tische wieder sauber zu bekommen.

Der neueste Schrei der Finanzminister ist es, dass alle großen Firmen veröffentlichen müssen, in welchem Land sie ihr Geld versteuern. Bisher war das die Firmenzentrale, und die saß rein zufällig dort, wo es am billigsten war. Jetzt müssen die Firmen auch noch eine Mindeststeuer zahlen, die genauso veröffentlicht wird. Neue Schlupfwinkel und Verstecke werden immer weniger. Internationale Verträge sorgen dafür, dass im Ausland Niemand mehr sicher ist und bei Bedarf ausgeliefert wird. Ich sah einmal einen Weihnachtskalender mit einem bekannten Gebäude in Südafrika. Der Besitzer erzählte den anderen Gästen im Lokal, dass der Kalender von einer großen Firma stammt. Nicht gesagt hat er, dass damit gute Kunden belohnt wurden, die bei der „Steuervermeidung“ geholfen oder davon sogar selbst profitiert hatten. Bei solchen Geschichten darf man kein Spassverderber sein, sondern soll lieber auch solche Märchen erzählen. Man findet sie meistens in den Nachrichten-Medien, und ein paar Andere sprechen sich auch herum. Natürlich ohne Gewähr für die Richtigkeit.

So ist das überall. Der „Spiegel!“-Gründer Rudolf Augstein (1923 – 2002) schrieb einmal: „Wo das große Geld ist, sitzt auch das große Verbrechen.“ Sein Nachrichtenmagazin war spezialisiert darauf, aus trüben Gewässern die größten Bewohner herauszufischen.

1962 wurde in diesen Berichten sogar „Landesverrat“ vermutet. Nach dem 26.10.62 wurden Augstein und einige seiner Mitarbeiter verhaftet. Conrad Ahlers wurde im Urlaub einfach von der spanischen Polizei festgenommen. Das hatte der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß veranlasst, erklärte aber später vor dem versammelten Parlament, das wäre ganz falsch. Eine Falschaussage. Strauß musste zurücktreten und verbrachte später seinen Lebensabend als Ministerpräsident in München. Stets im Visier von Augstein und dessen Mitarbeitern, gab es trotzdem immer wieder Enthüllungsreportagen gegen Strauß, die, sogar direkt aus München, mit vertraulichen Informationen gefüttert wurden.

Ob Finanzminister oder Verteidigungsminister, wer im hellen Rampenlicht steht, muss mit solchen Überraschungen rechnen. Manche werden sogar erst dann bekannt, wenn sie dabei auffallen und andere die Schlüssel zu den Schatzkammern an sich gerissen haben, Schlüssel öffnen nicht nur verschlossene Räume, sondern können sich auch auf einzelne Stichwörter beschränken. Oder auf Widersprüche in einem Satz. Oder auf auffälliges Benehmen. Zum Beispiel übertriebene Anteilnahme oder aufdringliche Gefühle, die auf Neugier und Geschwätzigkeit hinweisen. Oder eine ständige Unruhe, hinter deren Fassade es kocht. Sehr ergiebig sind manchmal Zufallsgespräche mit Unbekannten. Entweder reden sie Quatsch, dann soll man einfach gehen. Oder sie reagieren auf Stichwörter, die nicht alltäglich sind.

Dann öffnen sich die Schleusen, und unbekannte Schätze werden sichtbar. Also Kenntnisse, die nicht Jeder hat. Das bereichert den Horizont,  und bei der Verwaltung von Finanzen tauchen sogar solche Fehler auf, über deren Diskussion die meisten Mitwirkenden sogar dankbar sind. Fehler und Vorwürfe vertragen sich nicht, aber Fehler können auch Vertrauen schaffen. Oder Probleme lösen. Hinweise darauf gibt es hier immer wieder, zum Beispiel im Kapitel „Die Gesetze der Ökonomie“, mit über 300 Beiträgen. Ich habe mit solchen Geschichten schon lange gar nichts mehr zu tun, aber im abwechlungsreichen  Berufsleben sind sie alltäglich.

Sehr sympathisch war ein junges Ehepaar, das ich vor vielen Jahren einmal besucht habe und privat gern an Tanzmeisterschaften teilnahm. Die beiden schneiderten sich ihre Festgarderobe selbst zurecht. Geld für einen Silvesterabend im Hotel „Bayerischer Hof“ hatten sie auch nicht, kannten aber den Koch. Durch die Küche kamen sie direkt in den Ballsaal und tanzten den ganzen Abend, weil sie auch gar keine Platzreservierungen hatten.

Das sind keine Betrügereien, denn geschadet haben sie damit Niemand, einfach nur ihren Spass gehabt.

Ganz exklusiv gibt es das im Kino. Ein Walzer von Verdi begleitet eine große Ballszene in Viscontis „Der Leopard“:

https://www.youtube.com/watch?v=8-CKl4f2RXU

Mit Phantasie lässt sich das noch steigern. Den „zweiten Walzer“ von Schostakowitsch (1906 – 1975) hat André Rieu in Schwung gebracht, als wäre es das Märchen von Cinderella (Aschenputtel) :

https://www.youtube.com/watch?v=xtac0FxEfmQ 

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