Die blauen Dragoner

22.9.2020- Das ist ein hundert Jahre altes Soldatenlied: „Die blauen Dragoner, sie reiten im klingenden Spiel durch das Tor. Fanfaren sie begleiten.“ Dragon ist im Englischen ein Fabeltier, ein Drache.

Hier kann man das hören:

https://www.youtube.com/watch?v=6CbZmjI5j_I

Das unbeschwerte Lied gehört auch zu einem schrecklichen Tag. Das war im Frühjahr 1945. Die angreifende russische Armee war schon ganz in der Nähe der Berliner Reichskanzlei. Ein bekannter Politiker sang drinnen das Lied gemeinsam mit seinen Kindern, die an dem Tag in festliches Weiß gekleidet waren. So hat man sie später fotografiert, als sie stumm nebeneinander lagen. Im Garten der Reichskanzler. Ihr Vater war ein Minister, die Mutter eine bekannte Filmschauspielerin. Angesichts des kurz bevor stehenden Kriegsendes hatten sie beschlossen, als Familie gemeinsam die Welt zu verlassen.

An diesem 30. April 1945 beging vorher Adolf Hitler Selbstmord, mit 56 Jahren. Er ließ sich sofort danach verbrennen. Danach folgte die gerade erwähnte Familie. Hitlers letzter Vertrauter, Propagandaminister Joseph Goebbels und seine Ehefrau Magda. Sie befahl zunächst einem anwesenden Arzt, ihre Kinder mit einer Giftspritze zu töten. Dann erschoss ihr Ehemann sie mit einer Pistole und danach sich selbst. Das anschließend angezündete Benzin verwischte nicht alle Spuren. Sein halb verkohlter Leichnam wurde von den Siegern fotografert und das Bild veröffentlicht. Auf dem Dach der unterirdischen, bombensicheren Fluchträume befestigten russische Soldaten die rote sowjetische Fahne mit Hammer und Sichel. Die anderen Bewohner, Mitarbeiter der langjährigen deutschen Regierung, waren vorher geflüchtet und liefen ratlos durch das völlig zerstörte Berlin. Wer erwischt wurde, kam in Haft und wurde ausführlich verhört. Diese Augenzeugen berichteten, was ganz genau in den letzten Stunden passiert war.

Anschließend wurde Deutschland aufgeteilt und völlig neu geordnet. Der Westen bekam eine menschenfreundliche, motivierende Verfassung und ein erfolgreiches Wirtschschaftswunder, das auch in den Nachbarländern nur bestaunt wurde. Das Grundgesetz schenkte viele Freiheiten zur Meinung, zur staatlichen Zensur und zum offenen Wirtschatsleben, unter Aufsicht der Franzosen und Engländer. Italien schickte ab 1962 den anreisenden Feriengästen nach Ablauf ihrer selbst bezahlten Besuche die ersten gut verdienden „Gastarbeiter“ nach Deutschland hinterher und sparte sich damit teure, aber eigentlich dringend notwendige Reformen im eigenen Land.

In Ostberlin war ab 1949 das Zentrum der neuen DDR, die streng von Moskau aus geleitet wurde, mit einer lückenlosen Totalüberwachung aller Einwohner und einer holpernden, zentral gelenkten und streng kontrollierten Planwirtschaft, die immer wieder für Engpässe und lange Wartezeiten sorgte. Sämtliche Kosten kletterten immer höher, der Spielraum für den Alltag wurde immer kleiner.

Bei Rechtsanwälten und Ärzten ist selbst das Herumplaudern harmloser, aber vertraulicher Informationen ein strafbarer Parteiverrat, ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht. Aber was ist, wenn der Staat selbst, auch mit technischer Verstärkung, die gesamte Bevölkerung zum gegenseitigen Ausspioneren immer wieder drängt und dafür belohnt? Das ist unzumutbar.

Glücklicherweise machen die früher viel zu neugierigen, vereinigten Ossis das jetzt gar nicht mehr. Sie lieben die allgemeine Freiheit für sich selbst, für die Anderen und wissen, „Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schande.“ Wer andere aushorcht, wird selbst auch abgehört. Man weiß nur nicht immer, von wem denn eigentlich, aus welchem anderen Staat genau. Die Kenntnisse dafür haben Alle, auch die vielen Nachwuchs-Filmstars.

Ende 1989 war jedenfalls das Alles von innen her leer und ausgehöhlt, bankrott und zahlungsunfähig, brach dann über Nacht, viel zu spät zusammen. Danach gab es wieder ein einziges Deutschland, auch mit den vielen nachwachsenden Mitarbeitern aus den ganz dunklen Jahren, die ihrer strengen SED-Regierung immer treu gedient hatten und für deren Stabilität sie jedes Opfer brachten. Man erkennt sie am kräftigen thüringischen oder sächsischen Dialekt, und sie erzählen gern von den alten Zeiten, schauen aber fest in die Zukunft.

Deutschland als Einheit und die schweren Dauer-Krisen der Nachbarländer wie Italien – man kann Alles vergleichen und kommt dann darauf, warum das so ist und was man daran noch verändern kann. Eine gute Aussicht.

Die Nationalhymne der früheren DDR hatte einen guten Text und eine hörenswerte Melodie: „Auferstanden aus Ruinen“. Hier kann man ein paar Bilder von damals dazu anschauen, mit eingeblendetem Originaltext:

https://www.youtube.com/watch?v=bWe6k1F5WKQ

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