23.1.2020. Die meisten Alltagbilder verschwinden im schnellen Ablauf der Zeit. Sie ist aber nur relativ. Spannende Tage wirken kürzer als langweilige. Die Zeit steht niemals still, aber man kann sie anhalten, durch Filme. Erfundene Stoffe müssen gut gemacht sein, mit sehenswerten Bildmotiven, nicht zu hastigen Schnitten, geistreichen Dialogen und einer Musik, die nicht nervt. Ein immer größeres Problem der letzten Jahrzehnte, das auch immer weniger Zuschauer anlockte und dafür eine wachsende Konkurrenz brachte, in allen Medien.
Dokumentarfilme kann man auch fälschen, mit Schauspielern und Kulissen. Wenn das offen gesagt wird, ist das in Ordnung. Aber es gibt auch Missgeburten wie das „Dschungelcamp“, die gegen das Grundgesetz und das garantierte „Recht auf Menschenwürde“ grob verstoßen. Sie werden trotzdem nicht verboten. Auch nicht die öffentlichen Belästigungen mit Smartphones und verbotenen Privatfotos scheitern an der Überfülle, obwohl ein paar saftige Grundsatzprozesse schnell für Ruhe sorgen können.
Umso besser, wenn man eigener Privatfilme anschaut. Zum Beispiel eine Reise nach Nordbayern im Jahr 1993. Die Gegend damals hat sich in vielen Details verändert, aber man kann sie vergleichen. Eine kleine fränkische Stadt, deren Cafés und Lokale teilweise verschwunden sind, auch die Bebauung. Wenn daran Gefühle hängen, bleibt man nicht kalt. Die Mitwirkenden haben sich nach dreißig Jahren äußerlich verändert. „Früher waren wir jung und schön. Heute sind wir nur noch schön.“
Alte Städte stehen unter Denkmalschutz. Dann darf nichts verändert werden oder hässlich „verschlimm-bessert“. Die Burgkapelle Stein, nicht weit von Bad Berneck, mit einem gut besetzten kleinen Biergarten im Tal, der längst weg ist. Das Vereinslokal für Bergwanderer im Fichtelgebirge, am Waldstein mit seinen archaischen Felsgiganten. Vom hohen Aussichtspunkt, der „Schüssel“, kann man weit über die eindringlichen Traumlandschaften schauen. Und dabei sieht man auch die Mitwirkenden. Vor dreißig Jahren sah ich ganz anders aus, aber allein der Unterschied ist erstaunlich, wenn man damals schnell über die Holztreppen lief. Und Alles mit einer Videokamera festhalten konnte. So war es auch am idyllischen Wallfahrtsort Marienweiher, an rauschenden Bächen und in blühenden Sommerwäldern. In Bayreuth schmetterten die Blechbläser auf dem Balkon, vor Beginn der Vorstellung, den mächtigen „Gewitterzauber“ aus dem Rheingold, vor einem sonnendurchfluteten Festspielpark.
Das war die Oberfläche. Dahinter schauen konnte man noch nicht, und das war damals auch besser so.
Solche Bilder kommen auch nicht mehr wieder, und das ist gut so. Wenn man Dingen sehr nahe kommt, werden sie durchsichtig, und das kann ihren Wert zerstören. Die große Musik ist zeitlos, aber schon Friedrich Nietzsche hat die Bayreuth-Besucher verspottet, weil er sie für dumme Angeber hielt. Nicht nur die besten Vorstellungen sind verfilmt worden. Allein das ist aber schon eine kostbare Schatztruhe, ohne hohe Eintrittspreise. Die stärksten Wirkungen kommen aus der Erinnerung und werden im Gedächtnis gespeichert, vor Allem die wichtigsten. Nicht die Stadt Bayreuth ist ein Phänomen, aber die monumentalen Musikdramen von Richard Wagner So wird das auch in Zukunft sein. Sie gehören nicht einer einzelnen Kleinstadt, sondern der ganzen Welt. Ihre Spuren habe ich viele Jahre lang gesammelt und ausgewertet. Das hat keinen hohen materiellen Wert, aber sie sind nicht nur im äußeren Gedächtnis geblieben, sondern auch im Unterbewusstsein lebendig, der Steuerzentrale des menschlichen Denkens. Die Stadt selbst muss ich dafür überhaupt nicht mehr sehen, und eine Minderheit dort freut sich sogar darüber, die mich aber sowieso nicht interessiert.
Wenig geschieht dort auch für das Gedenken an Wieland Wagner, der von 1951 bis 1966, fünfzehn Jahre lang, für eine gewaltlose Revolution und für eine Welt-Diskussion sorgte. Dazu gibt es hier ein eigenes Kapitel, mit über achtzig Artikeln, die aber, erwartungsgemäß nichts bewegt haben.
Hier hört man große Orchesterstücke von Richard Wagner, in einer musikalisch und akustisch herausragenden Form, dirigiert von Leopold Stokowski;
https://www.youtube.com/watch?v=WnlfNhfVrgI

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