Die Galbraner

25.9.2019. Albert Einstein, der ungeheuerliche Entdeckungen machte, war ein bescheidener Mensch. Einen seiner besten Sätze kann man gar nicht oft genug wiederholen: „Wir stehen auf den Schultern von Riesen, die vor uns waren.“ Riesen sind Phantasiegestalten aus grauer Vorzeit. Er meinte aber die überragenden Köpfe, die lange vor seiner Zeit das gewaltige Fundament für seine Forschungen setzten. Seine Ideen spielten sich vor Allem im physikalischen Bereich ab, waren also erkennbar und nachprüfbar. Bis er bemerkte, dass hinter Auffälligkeiten, die in den bekannten Regeln gar nicht erwähnt wurden, sich ein ganz anderes Regelwerk verbarg, Seine erstaunliche Relativitätstheorie ist selbst von Experten nur schwer nachvollziehbar, aber allein, was er über das bekannte Phänomen Zeit fand, ist in der kurzen Formel dieser Theorie enthalten. Die Zeit ist also nicht nur eine feste Messgröße, sondern abhängig von anderen Konstanten wie Masse und Energie.

Dass die Zeit veränderlich erscheint, ist nichts Neues. Geht man über einen leeren Parkplatz, scheint das länger zu dauern als die Wanderung durch einen gleich großen Park voller Pflanzen und Tiere.

Das ist eine Sinnestäuschung, aus der alle Märchengeschichten und die Zukunftsabenteuer der Zukunftsfilme (Science Fiction) eine starke Wirkung beziehen. Jeder Kinobesucher weiß, dass wir noch niemals Außerirdische gesehen haben. Aber Steven Spielberg hat schon vor über fünfzig Jahren diesen „extraterrestrischen Wesen“ den Namen “ E.T“. gegeben. Dort spielt ein einzelner Bote aus ihrer Welt die Hauptrolle. Äußerlich ein Kind, hat er gleichzeitig das Gesicht eines ganz alten Mannes. In ihm lebt also ein Wissen, das größer ist als Einsteins Riesen.

Aber die alten Geschichten sind Vergangenheit, sollen hier kein Thema sein und einen ganz anderen Namen bekommen. Es sind die Galbraner (Galactic Brains = Galaktische Gehirne). Sie leben unter uns, sind aber nicht erkennbar, so wie Einsteins neuer Zeitbegriff mit Hilfe der normalen Wahrnehmung ganz unsichtbar bleibt. Die Galbraner können sich an jeden menschlichen oder pflanzlichen Körper vollständig anpassen, wie ein fehlerfreies Duplikat.

In Kinofilmen erlebt man das oft mit verkleideten Schauspielern, in aufwändigen Kostümen und Masken. Natürlich sind auch massenhaft Doppelgänger unterwegs, die zum Beispiel in der Münchner Altstadt gruppenweise als Überraschungsgäst oder aufdringliche Provokqateure auftreten, um Publikumsreaktionen für den nächsten erhofften Kassenerfolg zu testen. Aber die künstlichen Doubletten erkennt man an Kleinigkeiten. Weil das Original zum Beispiel größer, dicker, jünger und mit wertvolleren Perücken ausgestattet ist.

Die Imitate sind nur ein nutzloses künstliches Spektakel. „Der Effekt ist eine Wirkung ohne Ursache,“ meinte Richard Wagner, der als Theaterdramatiker alle Tricks der Bühne und der Kostüme kannte, aber seine stärkste Wirkung aus ganz anderen, teilweise gar nicht erkennbaren Quellen bezog.

Wie erkennt man die Galbraner? Das ist möglich, aber wenn sie es nicht wollen, können sie sehr böse werden. Sie setzen sich im Wirtshaus neben dich, aber erst wenn ihnen das Gespräch gefällt, werden sie offener. Das Wort Vertrauen hat bei ihnen einen ganz anderen Namen, aber sie wissen genau, was das ist und sind erst einmal sehr misstrauisch, zu Recht. Erst wenn sie lebhaft mitreden, ist die wichtigste Hürde schon abgebaut. Man erkennt rasch, dass sie über ein ungeheures Wissen verfügen und zum Beispiel die hoch komplizierte physikalische Relativitätstheorie auswendig mündlich zitieren können. Das ist für einen normalen Menschen gar nicht möglich.

Erkennbar sind trotzdem noch Wissenslücken. Und damit sind sie unzufrieden. Sie hören gern zu. Aber „Das interssiert mich nicht,“ sagen sie schnell, weil sie ihre wertvolle Zeit nicht mit dummen Geschwätz verschwenden wollen. Dabei suchen sie immer neue Kontinente und Türen, die sie noch nicht öffnen konnten. So erkennt man sie auch. Sie haben auch kein Interesse an Musik.

Aber das ist ja nur ein winziger Ausschnitt. Wie verbindet man Beides – die Verschwiegenheit und die Offenheit? Was ist wirklich wichtig, zwar für Jeden offensichtlich und trotzdem unbekannt? Eine pauschale Einheitsformel dafür gibt es nicht. Es kommt immer auf die konkret Beteiligten an.

Es macht ja nichts, wenn sie keine Antenne für Musik haben und für die Ursache ihrer weltweiten Wirkung. Aber sie lehnen auch das Thema Geschichte ab. Sie wollen in der Gegenwart aktiv sein und daraus eine große Zukunft bauen. Übersehen wird dabei, dass ohne die historischen Abläufe und Traditionen unsere Gegenwart gar nicht möglich wäre. „Die Vergangenheit ist nicht vorbei. Sie hat noch nicht einmal angefangen.“ Sinngemäß ist das eine Feststellung der Schriftstellerin Christa Wolf ( 1929 – 2011 ). Sie gehörte zu den angesehenen Publizisten in der DDR ud hat die „Wiedervereinigung“ vor dreißig Jahren persönlich miterlebt. Grund genug zum Nachdenken, nicht nur über die deutsche Geschichte.

Überraschend ist es, dass die Galbraner trotzdem für solche Themen ansprechbar sind, wenn sie einen Sinn darin sehen.

Das aber kann nur in einem Gedankenaustausch geschehen. So wie die europäischen Entdecker fremder Kontinenten und die amerikanischen Siedler nach der Gründung der Vereinigten Staaten sich an ihre neue Umgebung anpassen und sie erforschen mussten, um daraus neue Qualitäten zu schaffen. Möglich ist das auch ohne Krisen und Kriege, wenn die innere Bereitschaft und die Fähigkeiten des Verstandes dazu vorhanden sind. Auch privat kann es geschehen, dass Fremde, die zunächst kühl miteinander umgehen, sich besser einschätzen als vorher. Das ist die Aufgabe für Alle, die es mit Galbranern zu tun bekommen.

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