23.12.2021. Wer im Jahr 1965 die Kleinstadt an der holländischen Grenze besuchte, sah von den 25.000 Einwohnern nicht viel Die Wohnungsfenster hatten blicksichere Jalousien, die im Winter Heizkosten sparten, aber unter der weißen Schneedecke ging es rund. Im Sommer war das unübersehbar. Die gleichaltrigen Schüler hatten ihre ersten Freundinnen, und in einem kleinen Wald neben dem beliebten Freibad mussten morgens Kondome aufgesammelt werden. Gesprochen wurde darüber nur mit vorgehaltener Hand, und ich bekam nicht viel davon mit, weil unser stilles Wohngebiet fast vier Kilometer von der Altstadt entfernt war. Aber einmal gab es doch einen Skandal, der die ganze Stadt erschütterte. Der Pfarrer der katholischen Kirche hatte von Besuchern erfahren, dass im Bierlokal, direkt gegenüber seiner Kirche, nur Männer zu Besuch waren. Er schaute nach und erstattete sofort Strafanzeige. Alle mussten vor Gericht, weil das damals verboten war. Alle Namen sprachen sich herum, auch von Lehrern und ihren Schülern. Wochenlang wurde das durchgekaut, mit viel Freude am Thema.
Sechs Jahre später konnte ich mir nur die Bude in einer Wohngemeinschaft leisten, in der Universitätsstadt Münster. Da gab es keine Heimlichtuerei, und alle Lebewesen machten, was sie wollten. Das Verlassen des Elternhauses war auch deshalb wichtig, weil damals die ersten Berufsjahre begannen, ein Kleinkrieg wie im Dschungel. Das waren die schlimmsten Jahre, aber auch die wertvollsten, so wie Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) es formuliert: „Was mich nicht umbringt, macht mich stark.“ Er meinte keine körperliche Stärke, sondern gedankliche. Er selbst hatte damit Pech, weil er in späteren Jahren an einer körperlichen Krankheit litt, die damals nicht geheilt werden konnte und sein Gehirn zerstörte. .Dazu erschien hier am 5.9.21 der Artikel „Nietzsches Absturz“ :
https://luft.mind-panorama.de/?s=nietzsches+absturz&x=21&y=11
Über die Jahre in Münster, von 1971 bis 1987, gibt es hier ein eigens Kapitel mit 104 Beiträgen. Es war wohl die wertvollste Zeit, verglichen mit den späteren Erfahrungen in München, die mehr Tiefe hatten, aber auch mehr Belästigungen. Erfreulicherweise sind kürzlich die alten Aufzeichnungen aus dieser Zeit wieder aufgetaucht. Sie müssen nur deshalb bearbeitet werden, weil ihre Analyse aufwändiger ist und auch die Entfernung von allen tatsächlichen Namen, deren Privatsphäre hier immer geschützt wird. Einige Kostproben gibt es bereit in dem Kapitel „Sommernächte 1965. Eigene Texte 1965 – 2000.“ Danach öffnete sich das Internet, das damals wie im Wilden Westen funktionierte, aber ohne echte Sheriffs, die für Ordnung und die Beachtung der Gesetze sorgten. Ein paar Überschriften aus der Zeit von 1965 bis 2000 sind: „Bayreuth 1986. Pulverturm 1987. Entenmühle 1996.“ Das sind nur überschaubare Kurzfassungen, weil die Originale den begrenzten inhaltlichen Rahmen hier sprengen. Bei der Lektüre verstärkt sich, nach zwanzig Jahren, der Eindruck, sie wären von einem Fremden geschrieben, aber sie sind inhaltlich fest miteinander verbunden, trotz großer zeitlicher Lücken.
Insgesamt ist das eine Form von Autobiographie, die auf alle Nebensachen verzichten soll. Darum könnte es sogar für Fremde interessant sein, wenn sie eine Antenne dafür haben.Zum bevorstehenden Jahreswechsel ist es sogar eine Bilanz des gesamten Lebens und aller Farben darin, die nicht verblassen. So wie Shakespeare, mit dem sich Niemand vergleichen kann, in seinem Sonett 18 schrieb, dessen eigene Übersetzung hier am 23.11.21 zu lesen war:
„Vergleich ich dich mit einem Sommertag? Sanfter und milder bist du. Rauhe Winde schütteln die Blüten im Mai. Der Pracht des Sommers ist nur kurze Zeit geschenkt. Zu feurig glüht das Himmelsauge dann und wann, und oft trübt sich sein goldener Glanz. Einmal verliert auch Schönheit alle Pracht, durch Zufall oder der Natur unzähmbaren Lauf. Doch dein ewiger Sommer soll nie erlöschen, auch keinen Teil deiner Schönheit verlieren. Nicht prahlen soll der Tod, dass du in seinem Schatten wanderst, wenn du in ewigen Worten fortbestehst, der Zeit zum Trotz. Solange Menschen atmen, Augen sehen, so lang lebt dies. Und das gibt Leben dir.“
Greg Lake schrieb 1975 eines der besten Weihnachtslieder: „Ich glaube an den Weihnachtsmann“ (I believe in Father Christmas) :
https://www.youtube.com/watch?v=yfY4b1NszpY
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