Die langen Nächte

7.12.2020. Die langen Nächte begannen damals direkt nach der Arbeit, meistens um 16.00 Uhr. Oder am Wochenende, nach 23.00 Uhr, weil es dann weiterging, bis zum Morgengrauen. Heute unvorstellbar, zu teuer und zu viel Bier. Aber das musste so sein, nach der Ankunft in München am 27.9.87. Das Angebot war grenzenlos, für jeden Geschmack. Man trieb in einem großen Strom. Ringsum unbekannte Gesichter, meistens einsam. Das ließ sich dann ändern, wenn man nicht aufdringlich war oder auch auf eine Absage freundlich reagierte. Das war mir wirklich egal, denn was soll man mit einem anderen Menschen anfangen, der dazu nicht bereit ist? Das verstehen aber Viele nicht, und man muss sie dann unbedingt wieder los werden, was sie auch nicht verstehen wollen. Ein Fall für Prozesse, die ich in jungen Jahren oft als passiver Beobachter im Zuschauerraum miterlebt habe. Wilde Spektakel wie in einem schlecht gemachten Kinofilm. Nur die Tränen und Wutausbrüche vor dem Richter waren echt, auch die saftigen Strafen.

Aber früher konnte man sich besser amüsieren. Immer wieder tauchten arme Schlucker auf, die sich für ihre Situation schämten, aber für ein Freibier und ein par Worte dankbar waren. Die schlechten Früchte jedoch musste man schnell aussortieren. So steht es auch in der Bibel, denn sonst kommt der Weltuntergang. Die ganze Palette der Möglichkeiten war riesengroß, aber was sich oft wiederholte, merkte man sich als wiederkehrende Regel. Oder es war Teil des schlechten Charakters, den Niemand ändern kann. Ein Betrüger bleibt immer ein Betrüger, wird aber raffinierter. Oder noch krimineller. Wenn man solche Zeichen schnell lesen kann, erlebt man weniger Reinfälle. Man sieht es nicht nur an der Gesichtsmuskulatur. Alle Übertreibungen haben Ursachen, die man wie auf einer genauen Landschafts-Karte eintragen und ablesen kann. Übertriebene Kleidung. Ständiges Gerede von Geld. Die sonstigen Hohlköpfigkeiten und Kindereien kann man aus Platzmangel hier nicht aufzählen und erklären. Aber sie sind Signale, die frühe Alarmzeichen sein können. Oder unbezahlbares Vertrauen schaffen.

Wenn man die Themen-Übersicht sieht, rechts auf dieser Seite, kommt schon Einiges zusammen. Nur mit Wenigen kann man gründlich darüber sprechen, denn die Anderen verstehen nur Bla-Bla oder Bäng-Bäng. Oder halten gelangweilt einen hochgeistig-hochprozentigen Cocktail in der Hand, an viel zu teuren Bar-Theken um Mitternacht. Weil man dazu gehören will, obwohl das Niemand erwartet. Hotelbesitzer denken über ihre Gäste, „Es ist gut, dass ihr da wart. Und es ist gut, wenn ihr wieder geht.“

Aber damals war das egal. Man hat einfach mitgemacht. Ein paar Jahre lang. Dann reichte es. Schon seit vielen Jahren vermisse ich nichts mehr davon. Die ewigen Nachtschwärmer schon gar nicht. Der nächste Tag kommt sowieso, mit der Morgendämmerung im Osten. Das ist auch eine Stunde, die in vielen Glaubensrichtungen eine wichtige Rolle spielt. Der Beginn eines neuen Tags, für alle wichtigen Aufgaben. Wer davon abgelenkt wird, lebt in einer schädlichen Welt.

Sie waren damals wirklich lang, die langen Nächte. Ein leuchtendes Feuerwerk im Gedächtnis. Morgens wachte man mit Personen auf, die man vorher noch nie gesehen hatte. Manchmal entstand dann eine große Nähe. Bei anderen war man froh, wenn sie weg waren. Aber das waren gemeine, hinterlistige Menschen. Sie stören die Entfaltung des freien Denkens, die Fortentwicklung. Sie brechen und greifen kosmische Gesetze an, die im ganzen Universum gelten.

Frank Sinatra singt, unübertroffen über die Nacht in der Großstadt: „The wee small hours of the Morning“. Die schwermütigen, kleinen Stunden am Morgen. Text: „In the wee small hours of the morning, while the whole wide world is fast asleep. You lie awake and think. And never ever think of counting sheep. When your lonely heart has learned its lesson, in the wee small hours of the morning. When your lonely heart has learned its lesson“.

Auf dieser CD von 1955 singt Frank nur über die Einsamkeit an nächtlichen Bar-Theken, die Verlassenheit, die Sprachlosigkeit. Er war kurz vorher von seiner Freundin, dem Hollywood-Star Ava Gardner verlassen worden, weil sie ihn nicht mehr wollte. Gerächt dafür hat er sich nicht, sondern hat sie einfach gehen lassen. Und dann dieses eindrucksvolle Lied gesungen. Allerdings: Er konnte auch ganz anders sein, freundlicher, beherrschte die feinstene Farbtöne der Emotionen. Er war der Meister, „The Voice of America“.

https://www.youtube.com/watch?v=MiPUv4kXzvw

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