29.8.2020. Der Flaucher beginnt an der Haltestelle Brudermühlbrücke. Von dort wandert man nach Süden, bis zum Tierpark Hellabrunn. Zunächst geht es durch einen dichten Laubwald. Dann kommt ein alter Biergarten. Nach einer Pause erreicht man die Flaucherbrücke und die Isar. Am Ufer ist ein beliebtes Ausflugsgelände, das im Sommer auch nachts viele Besucher anlockt. Fünfzehn Minuten später kommt die Thalkirchener Brücke, direkt am Haupteingang des Tierparks.
Der ganze Weg ist ein wertvolles Landschaftsschutzgebiet. Dort darf gar nichts verändert werden. Das hat nur Vorteile. Wasser, Büsche, Bäume. Ruhemöglichkeiten überall, an den Badeufern und an den Orten für Speisen und Getränke. Jeder macht sich dort breit, wo er will. Und am Ende der Strecke entfalten sich die endlosen Flusslandschaften der Isar, an denen man stundenlang wandern kann. Dort war ich schon über ein Jahrzehnt nicht mehr. Selbst die schönsten Orte kennt man im Lauf der Zeit so genau, dass sie nicht mehr begeistern. Und so ist es auch an vielen anderen Plätzen. Derart viele Erinnerungen sind gespeichert, dass man sich in längeren Abständen ganz neu orientiert, auch bei den Alltagsgewohnheiten. Eine Verkleinerung des Bekanntenkreises gehört dazu. Man fängt nicht jedes Mal wieder bei Null an, sondern baut auf, lässt los für immer oder verwandelt den ganzen Horizont. Die Oberflächenreize verblassen. Zusammenhänge verbinden sich neu. Türen öffen sich mit anderen Farben und Bewertungen. Eine stärkere Perspektive wird die Tiefe. Einzelheiten wachsen dichter zusammen, werden durchsichtiger und schneller verständlich, wenn sie aus früheren Abschnitten bekannt sind und ihre Außen-Verkleidung überflüssig wird.
Nachts war ich noch nie am Flaucher, obwohl dort die Sicherheitslage entspannt ist. Aber nach einem langen Abend mit unterhaltsamen Leuten, findet man den restlichen Weg am schnellsten mit Stadtbussen und anderen Fahrmobilen. Kurz und klar: Die Nächte an der Isar sind zwar beliebt, aber man vermisst sie auch nicht.
Ausgewählt wurde das Ausflugsziel „Flaucher“ nach dem Zufallsprinzip. Die Ortsbeschreibung kann man austauschen, mit vielen anderen Ländern. Selbst unterschiedliche Sprachen, Hautfarben und Traditionen haben gleiche Fundamente. Die Charaktere der Menschen ändern sich nicht, folgen aber eigenen Regeln, so wie es die Erziehung und die finanziellen Möglichkeiten zulassen. Die Mehrheit passt sich an. Minderheiten respektieren keine Gesetze.
Und schon kommt es zur umstrittenen Berechtigung derartiger Unterschiede. In den frühesten Schuljahren galt ein Leitsatz: Respektiere nicht den lautesten Mund und die ranghöchsten Leitfiguren, sonden nur das, was sie leisten. Nicht für sich selbst, sondern für Alle, für die größere Gemeinschaft. Das griechische Wort „Polis“ bedeutete schon bei Sokrates erst einmal nur „Stadt“. Ein „Politiker“ hatte die Hauptaufgabe, den Zustand seiner Stadt zu verbessern: Die Häuser, die Versorgung mit Nahrung und anderen Notwendigkeiten. Gewählt wurde schon in Athen und in allen Hochkulturen. Wer seine zahlreichen Aufgaben für die Gemeinschaft schlecht erledigte, wurde beschimpft und davongejagt. Alleinherrscher versuchten, das immer wieder mit Gewalt zu verhindern und Kritiker zum Schweigen zu bringen. Aber Jeder hat eine Biographie. Ein gutes Lexikon nennt nicht nur die genauen Lebensdaten, sondern auch die Bewertung der politischen Riesengestalten.
Aus Einzelzensuren und Erfolgsziffern lassen sich rasch Vergleiche aufbauen. Solche Ergebnisse müssten spürbare Folgen haben. Das ist auch bekannt. Aber ein Rätsel bleibt: Warum hat es nicht immer erkennbare Folgen? Das ist leicht feststellbar. Aber wichtig wird es erst dann, wenn ganze Staaten in Armut leben, die Bodenschätze, Landschaften und Städte mit hohen Energiereserven für alle Aufgaben haben und trotzdem schlechte Ergebnisse.
Einfache Fragen brauchen zunächst nur einfache Antworten. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Treffsichere Ideen gibt es in Überfülle, aber sie verstauben in Schubladen. Nur mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen, bringt gar nichts.
Es fehlt offensichtlich, nachdem einzelne Köpfe wie Kopernikus, Darwin und Freud unbekannte Welten entdeckten undzugänglich machten, an einer Dimension Nummer Vier: Eine aktuelle, stark veränderte Weltordnung, die auf Zwang verzichtet, aber in allen breit zugänglichen Informationen einen freundlicheren Planeten entdeckt. Diese Tatsache aber nicht in langweiligen Reden auswalzt, sondern überprüfbare Fakten so berbeitet, dass die Bremsen und Blockaden im Museum landen, wo die zahlenden Gäste auch jetzt schon immer weniger werden.
Vorher persönlich noch nie beachtet, gibt es seit ein paar Wochen ein Lieblingslied: José Felicianos „Que sarà“. Das ist reine Philosophie, im Text und im Klang. Zu diesen Themen allgemein gibt es riesige Archive. Manchmal sehr schwer zu lesen. Man probiere es aus aus, mit Gedanken von Martin Heidegger, Immanuel Kant oder Theodor W. Adorno. Sie sind bewunderte Kultgestalten für ihre Anhänger. Das Lied von Joé Feliciano ist jedoch leicht verständlich. Die Melodie kann man sich sofort merken. Hier erlebt man das, mit italienischen und englischen Untertiteln:
https://www.youtube.com/watch?v=jRhtJtUDAZs
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