27.6.2021. Es gibt zu viele Gedenktage, deshalb werden sie auch immer weniger beachtet. Entscheiden lässt sich das nach ihrer Wichtigkeit. Geburtstage und Feiertage gehören nicht dazu, aber der erste Anblick eines Ortes, der dann zur Gewohnheit wird. Auch beim Militär sind die ersten Tage eine Umstellung, die man nicht vergisst. Am letzten Tag zählt nur noch die Auswahl der anwesenden Mitstreiter. Viele sind das nicht. Besonders stark sind die Bilder vom September 1987. Wer dabei war, wusste auch, dass es das letzte Mal war. Auch bei den Zufallstreffen, die noch einmal ihre ganze Pracht entfalteten. Und bei den Orten, die dann nur noch zwei Mal auftauchten. Bei Kurzbesuchen, im Sommer 1990 und im Sommer 1997. Traurig war das nicht. Eine Epoche war vorbei, die noch zwei Mal ihre Höhepunkte vorführte, aber niemals ganz unterging und dabei spurlos verschwand. Sie war das Fundament für Alles, was folgte. Albert Einstein: „Wir stehen auf den Schultern von Riesen, die vor uns waren.“ Wer das vergisst, hat nicht viel verstanden.
Heute schieben sich zu viele Ablenkungen vor die Vergangenheit. Beruflich gab es verlorene Jahre. Privat weniger, aber auch da hätte man gern auf die meisten verzichtet. Denn wer mit Masken arbeitet, versteckt sein wahres Gesicht. Auf Theaterbühnen gehört das dazu, kann aber auch dort lästig werden, wenn das Gesamtbild nicht stimmt. Verschwindet das aber, macht es frei, und auch viele Plätze und Begleiterscheinungen verlieren dann ihre Rolle.
Übrig bleibt sehr viel. Eine Zauberformel sind die wichtigsten Hauptsachen aller komplizierten Fälle, die bisher nicht gelöst wurden. Das Ergebnis ist ein Durcheinander, ein Sumpf, jahrelange Irrfahrten, Verschwendung von viel verbranntem Geld und unbezahlbarer Zeit. Die ganze Welt tanzt nach diesem Rhythmus, aber dreht sich dabei im Kreis, wie ein Hamsterrad.
Selbstüberschätzung ist allerdings weit verbreitet, und sie hat schon viele Katastrophen ausgelöst. Die Verursacher nehmen sich selbst viel zu wichtig oder benutzen die falschen Brillen. Im November 2015 saß ich in einem fast leeren, schlecht beleuchteten Lokal und wollte gerade gehen, als ein unbekannter Herr sich näherte und ein Gespräch begann. Bei seinen Themen kannte ich mich aus, danach ging er wieder und gab vorher noch ein Bier aus. Erst als er weg war, entdeckte ich auf seinem verlassenen Sitzplatz eine Lesebrille mit vergoldetem Rahmen. Der Kellnerin habe ich meine Adresse hinterlassen, aber er hat niemals danach gefragt. Nach Ablauf der Wartefrist gehört ein Fundstück dem Finder. Offensichtlich war das auch so gemeint, aber ohne jede Erklärung. Auch kein Einzelfall, denn im Lauf vieler Jahre passiert es einfach, dass eine Anerkennung nicht viel Lärm oder Begleitmusik braucht. Weitere Beispiele sind hier überflüssig, aber sogar ein wortloser Gruß kann etwas bedeuten. Eine Sensation muss das gar nicht sein, doch selbst Profi-Journalisten haben manchmal schlechte Ohren. Vor einem Jahr hätte sich daraus ein kleiner Gedankenaustausch ergeben können, aber die Welt dreht sich weiter, auch wenn gute Lesebrillen dabei aufgesetzt werden. Entscheidend ist das nicht. Den Ton macht immer die Musik.
Sehr hörenswert: „Die Musik kommt,“ mit Peter Alexander:
https://www.youtube.com/watch?v=Jo4vRhyP4MI
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