Die spanische Wunderkraft

22.10,2020. Die spanische Gruppe „La Fura dels Baus“ hat einige außergewöhnliche Operninszenierungen verfilmt. Sie hat damit ganz Neues gewagt und Bilder geschaffen, die das Innenleben der Werke erweitern. Hierzu das Wikipedia-Lexikon: „Dabei versucht die Gruppe, Musik, Bewegung, natürliche und künstliche Materialien, neue Technologien und nicht zuletzt das Publikum in ihre Aufführungen zu integrieren.“

Gesehen habe ich bisher „Fausts Verdammnis“ von Hector Berlioz (Salzburg 1999), „Der Ring des Nibelungen“ (Valencia 2009), vollständig, alle vier Abende von Richard Wagner. Und die Londoner Inszenierung von 2016: „Norma“ von Vincenzo Bellini.

Über die außerordentliche „Norma“-Gestaltung habe ich bereits mehrfach geschrieben, zuletzt am 19.10.20, an meinem Geburtstag;

https://luft.mind-panorama.de/norma-im-tempel-teil-2/

Nicht sofort, sondern erst nach mehrfachem, aufmerksamem Anschauen öffnet diese außergewöhnliche Gestaltung immer mehr neue Perspektiven und Bewusstseins-Ebenen, die aber den Kern des Werks nicht beschädigen, sondern vertiefen. Zuletzt war es die politische Deutung: Norma beschimpft ihren bisherigen Unterstützer, einen militärischen Anführer im schwarzen Anzug und wird dafür von ihm hinterrücks erschossen. Gleichzeitig wird ihr früherer Geliebter, der römische Feldherr Pollione, in blutiger Kleidung von schwarz Uniformierten abgeführt. Vorher bricht im Hintergrund ein großes Feuer aus. Diese verdorbene Welt geht unter, man sieht aber ein großes Kreuz aus Licht: Eine neue Welt wird kommen. Das Gleiche geschieht, mit einer ganz anderen Ausstattung, im Schlussbild in Wagners „Götterdämmerung“.

Ich habe mich oft über peinliche, willkürliche Operninszenierungen geärgert, die das geschriebene Stück einfach brutal auf den Kopf stellen. Seit 2012 habe ich deshalb kein einziges Opernhaus mehr besucht. Deren Zukunft sieht auch nicht gut aus. Sinkende Zuschauerzahlen, außerdem die Möglichkeit, gute Produktionen daheim, im Wohnzimmer anzuschauen. Die Gäste sucht man sich selbst aus, auch die jederzeit mögliche Unterbrechung langer Vorstellungen, um sie beim nächsten Treffen fortzusetzen. Man kann Alles im kleinen Kreis besprechen, ohne vom normalen, auffälligen Angeber-Publikum mit luxuriöser Premieren-Garderobe und Geschwätz belästigt zu werden. Meine jederzeit nachprüfbaren, begründeten Warnungen, schon seit August 2000, seit zwanzig Jahren, sind oft verlacht worden. Darum war irgendwann Schluss mit diesem ganzen Theater. Auch für andere Musikfreunde.

Heute haben die bekannten medizinischen „Corona“-Verbote für einen gedämpften Theaterbetrieb, auf niedriger Sparflamme gesorgt. Das ist überhaupt kein Grund zur Schadenfreude, aber man weint deshalb auch nicht. Die Londoner Norma-Aufführung von 2016 zeigt sogar, über dem ersten und dritten Akt, eine riesige, schwere Dornenkrone. Damals war das überhaupt noch nicht aktuell. Aber das Wort „Corona“ bedeutet im Lateinischen und im Italienischen ganz korrekt, eindeutig „Krone“, als Zeichen des gekreuzigten Christus, also ist das auch ein Zeichen des unsichtbaren Gottes, wie eine Warnung.

Geschrieben dazu habe ich kürzlich, am 12.10.20, folgenden Artikel:

„Opernfeste, aber warum ohne Gäste?“

https://luft.mind-panorama.de/opernfeste-ohne-gaeste/

Die Berliner Staatsoper hat freundlicherweise darauf geantwortet. Die Anderen überlegen sicherlich noch, was sie damit machen wollen und schweigen erst einmal. Das ist besser als leeres Geschwätz.

Zitat aus dem Wikipedia-Lexikon: „Die katalanische Theatergruppe „La Fura dels Baus“ wurde 1979 von Pere Tantinyà, Quico Palomar, Carlos Padrissa und Marcel Antúnez gegründet, verlagerte sich bald darauf nach Barcelona, wo die Gruppe um Pep Gatell, Jordi Arús, Àlex Ollé, Jürgen Müller, Hansel Cereza und Miki Espuma erweitert wurde.“

Die außergewöhnliche, vielschichtige, tief beeindruckende Londoner Norma-Inszenierung stammt von Alex Ollé, der auch in einer wichtigen Nebenrolle selbst mitsingt. Er spielt dabei einen klugen militärischen Führer im schwarzen Anzug, der zunächst die Druiden-Priesterin Norma verehrt, sie aber im Finale, als sie widerspricht, in den Rücken schießt.

So etwas hat man bei diesem Werk noch nie gesehen, aber es passt, im größeren Zusammenhang. Da geht es auch um die friedliche Gemeinschaft ganz unterschiedlicher Religionen, mit ihrem eigenen Zugang zum Numinosen. Das sind die Zeichen Gottes, die der Mensch erkennen kann, in allen Weltreligionen.

Nur so werden Opern auch in Zukunft produziert: Hierzu noch einmal das Wikipedia-Lexikon: „Dabei versucht die Gruppe, Musik, Bewegung, natürliche und künstliche Materialien, neue Technologien und nicht zuletzt das Publikum in ihre Aufführungen zu integrieren.“ Was will man mehr?

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