25.10.2020. Musik darf nicht künstlich klingen. Wenn sie nicht gut gespielt wird, die Mitwirkenden nur mittelmäßig sind, vielleicht auch die Vorlage selbst, dann wird sie langweilig. Es darf auch nicht zu viel Technik sich in den Vordergrund drängen.
Die Sechziger Jahre waren eine Zeit ständiger Überraschungen. Plötzlich kam das Beste nicht mehr aus der traditionellen, akademische Klassik mit ihren genauen Notenvorschriften, sondern von jungen, unbekannten Musikern der sogenannten Pop Musik, der populären, also allseits beliebten Klanggestaltung.
So wurden die Beatles aus Liverpool selbst zu Klassikern. Zunächst orientierten sie sich an den damals beliebten Elektrogitarren. Später verwendeten sie mehr klassische Naturinstrumente. Einfache Wandergitarren ohne elektrischen Anschluss. Später war Paul McCartnes größter Erfolg, „Yesterday“ sogar nur von einem Streichquartett begleitet. Dazu die unvergessliche Melodie, ein einfacher, überzeugender Text. Sonst nichts. Aber damals erreichte auch die neue Stereo-Technik ihre glanzvollste Zeit. Zwei getrennte Tonspuren, dazu zwei Mikrofone in erkennbarem Abstand. In den Londoner Abbey-Studios wurde das aufgenommen und am Mischpult verfeinert. Die neuen Langspielplatten brachten, auf jedem guten Plattenspieler im privaten Wohnzimmer, ein hervorragendes Ergebnis.
Jahr für Jahr brachten auch ganz andere Musiker überraschende Ergebnisse, die auf der ganzen Welt Begeisterung auslösten. Ich war damals ein Jugendlicher, der kein Geld für teure Konzerte hatte. Aber zu Hause war auf einmal Alles da. Die Radiosender brachten auch Operetten. Das war der nächste Schritt. Und erst dann öffneten sich die Tore der Klassik. Ungewohnt war, dass dabei die gleichen Noten einer Partitur plötzlich ganz unterschiedlich wirkten. Das lag an der Klang-Gestaltung des Dirigenten, der festlegte, wie laut und schnell alle Instrumente eines großen Orchesters spielten und welche Stimmen dominierten oder gemeinsam wirkten. Damals wurden überall Sänger entdeckt, die nicht von Musikhochschulen kamen, sondern mit ihren Freunden für außergewöhnliche Erfolge sorgten, wieder fast gleichzeitig auf der ganzen Welt. Man kann sie heute, auch auf zahllosen Filmen wieder treffen.
Mache hatten nur einen einzigen Hit, aber man kann ihnen immer noch zuschauen, wie sie als junge Leute begannen, danach in den folgenden Altersstufen. Manche Künstler zeigten sich sogar selbstbewusst in Konzerten, im hohen Alter, mit schlohweißen Haaren, verwitterten Gesichtern, vor einem immer noch jubelnden Publikum. Wenn es berühmte Lieder waren, dann ist man heute noch, immer noch genauso elektrisiert, unter Hochspannung, wenn sie plötzlich wieder da sind. Und zwar so oft wie man will, in immer besserer digitaler Verbesserung, die aber nicht den Kern beschädigt, sondern nur störende Nebengeräusche beseitigt. Vom jungen Sänger Robbie Williams entstand in der Londoner Royal Albert Hall, ausverkauft, ein Konzert, indem er zunächst allein, mit großer Orchesterbegleitung, Frank Sinatras Klassiker singt, „It was a very good year“. Im Hintergrund zeigt gleichzeitig eine große Video-Leinwand, nur seinen Namen. Dann auf einmal wechselt darauf das Bild. Der längst verstorbene Sinatra (1915 -1998) ist zu sehen, wie er das gleiche Lied fortsetzt. Stürmischer Publikums-Beifall. Robbie Williams bleibt dabei ganz still, nur sein Gesicht drückt Freude und Bewunderung aus.
Diese Idee ist mittlerweile oft kopiert worden, wirkt aber stark, wenn die MItwirkenden gut sind.
Kürzlich landete ich, ganz zufällig bei der australischen Gruppe „The Seekers“ (Die Sucher). Ihre bekannten Lieder kannte ich bisher nur vom Hören. Plötzlich standen sie da, auf dem Bildschirm: Zwei Herren mit Wandergitarren oder Banjo, einer stand hinter einem großen Kontrabass, Sie waren in schwarzen Anzügen dabei, mit korrekten Krawatten und blieben im Hintergrund. Vom Hocker risss die Dame. Judith Durham, Jahrgang 1943. Sie hatte eine mächtige Naturstimme, warm und ausdrucksvoll, die sofort hellwach machte. Sie trug elegante, aber unaufdringliche Kleidung, Das war ihr Abschiedskonzert in Sidney 1994, vor sehsundzwanzig Jahren. Sie sah blendend aus, mit einer dunklen Perücke oder war gut gefärbt. Später hatte sie noch viele Jahre lang als Solistin Erfolg.
Vielleicht kamen die Vorfahren von Judith Durham aus Nordengland. Die Stadt Durham hat eine Universität und eine berühmte normannische Kathedrale. In der Kathedrale wurde Anfang Dezember 2009 ein meditatives, sehenswertes Winter-Konzert des Musikers Sting aufgezeichnet.
Der ungewöhnliche Schauplatz dieses Konzerts der Seekers in Australien, war eine Überraschung selbst. In einem ausverkauften Fußballstadion in Sidney. In den Kabinen sah man die Sportler, wie sie sich bereits auf ihr Spiel vorbereiteten.
Und draußen stand ein uniformiertes, australisches Militär-Orchester, mit Pauken und Trompeten, zunächst stumm. Genauso der große Chor, mit dunkelblau-gelber, bodenlanger Konzertkleidung. Die Blechbläser mit roten Jacken, in acht Reihen. Davor acht Trommler. Der Chor in zwei Vierer-Blöcken. Also 2 x 4 = 8. Das ist hier kein Zufall.
Die Ziffer Vier bedeutet in der Numerologie das Fundament. Oder die Basis. Wie eine Grundfläche.
2 x 4 = 8. Das ist die mystische Zahl der Unendlichkeit. Vier und Acht sind der Maßstab für jedes Gebäude und für jeden Plan, jedes Projekt. In der materiellen und in der geistigen Dimension.
Alle Musiker hörten schweigend zu, als die Seekers zum Abschied noch einmal Lieder ihrer besten Zeit sangen. 1968 hatte sich die Gruppe bereits aufgelöst. Sie hatten Erfolg mit Folksongs, im Stil alter Volkslieder. Als sie ihren kurzen Auftritt im Stadion beendeten, marschierten neben ihnen die zwei Fußballmannschaften auf. Und auf dem Rasen sangen jetzt alle, gemeinsam die australische Nationalhymne.
Das habe ich ein paar Mal angeschaut. Es war ganz natürlich, nicht mit künstlichen Verrenkungen. Große Kunst.
Hier kann man den Auftritt im Fußballstadion anschauen:
https://www.youtube.com/watch?v=v22SPtCFck8
Das ist das Rezept für jeden Erfolg. Ein gutes Lied. Gute Sänger. Und eine Umgebung, eine außergewöhnliche optische Qualität, die sich nicht in den Vordergrund drängt. Leider gelingt diese Mischung nicht immer. Und dann schaltet man einfach um. An vielen langen Opern-Abenden habe ich das Musiktheater schon in der ersten Pause verlassen, weil es sonst Zeitverschwendung gewesen wäre. Das teure Eintrittsgeld gab es natürlich nicht zurück. Das ist in den Theatern immer ein Risiko, das nicht jedes Mal erfreulich endet. Aber seit einigen Jahren gibt es die Auswahl, die freie Möglichkeit, auf großen Fernsehbildern Alles zu Hause anzuschauen. In diesem Text werden dafür, wie meistens, zwei Crosslinks zu YouTube verwendet. So einfach ist das.
Ein sehr bekanntes Lied der Seekers hat folgenden Text (übersetzt) : „Irgendwo gibt es eine neue Welt. Man nennt sie das Gelobte Land. Das ist eine lange Reise. Darum bleib an meiner Seite. Und eines Tages bin ich dort, wenn du meine Hand hältst. Wenn man mir ein großes Vermögen gäbe, das könnte ich verlieren. Und wäre darüber gar nicht traurig. Doch wenn ich deine Liebe verliere, wüsste ich nicht, was ich tun sollte.“
Damit ist kein privater Freund gemeint, sondern Jesus. In einem ähnlichen Tonfall sind auch andere Lieder der Seekers. Dabei wirken sie nie aufdringlich, eher zurückhaltend. Hier sieht man sie, in jungen Jahren im Londoner Abbey- Aufnahmestudio. Dabei singen sie dieses Lied, von der neuen Welt:
https://www.youtube.com/watch?v=TEm7nlfIN-Q
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