9.12.20. Kurz vor dem Finale von Wagners „Rheingold“ taucht die uralte Ur-Mutter Erda auf. Sie sagt zum Göttervater: „Weiche, Wotan! Weiche! Flieh des Ringes Fluch! Rettungslos dunklem Verderben weiht dich sein Gewinn. Wie alles war – weiß ich. Wie alles wird, wie alles sein wird – sehe ich auch: Erda mahnt deinen Mut. Was ich sehe, sagen dir nächtlich die Nornen. Doch höchste Gefahr führt mich heute selbst zu dir her. Höre! Höre! Höre: Alles, was ist – endet! Ein düsterer Tag dämmert den Göttern: Dir rate ich, meide den Ring!“
Ein paar Minuten später endet dieser nur 2,5 Stunden lange „Vorabend“. Es folgen noch drei weitere „kurze Abende“: Die „Walküre“, 3.5 Stunden. „Siegfried“, 4 Stunden. „Götterdämmerung“, 4,5 Stunden. Ohne die zwei einstündigen Pausen, an jedem „Abend“. In einer Pause der „Gütterdämmerung“ fragte ich 2009 drei vornehme Stammgäste an einem Stehtisch draußen, „Um was geht es eigentlich in der Götterdämmerung?“ „Das wissen wir auch nicht so genau. Aber wir kommen schon seit 1951 hierhin.“ Christian Thielemann dirigierte die ganze vierteilige Serie, sehr genau, aber ohne aufheizende Rauschwirkungen. Dann kann die schwere Wagnermusik noch viel länger wirken als sie es tatsächlich ist. Die Sänger waren guter Durchschnitt. Die Inszenierung des Dichters Tankred Dorst eine Zumutung. Danach war ich noch zwei Sommer in Bayreuth. Lohengrin 2010. Tannhäuser 2011. Danach habe ich mir keine Karten mehr gekauft. Die neue Festspiel-Leiterin, nach dem Tod des 91jährigen Wolfgang Wagner am 21.3.2010, war seine Tochter Katharina. Sie hatte halt einen ganz anderen Geschmack. Darf sie ja. Aber nicht mit mir.
Stammgast Adolf Hitler war dort zum letzten Mal 1939, in der Götterdämmerung. Danach niemals mehr. Aber nur, weil der Grüne Hügel ein weithin sichtbares Ziel für britische Kriegsflugzeuge war, die das Musiktheater verschonten, aber die Stadt kurz und klein schossen. Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit dem von Adolf Hitler befohlenen Überfall auf Polen. Wikipedia: „Über 60 Staaten auf der ganzen Erde waren direkt oder indirekt beteiligt, mehr als 110 Millionen Menschen standen unter Waffen. Bei den Kampfhandlungen zu Lande, auf See und im Luftkrieg wurden mehr als 60 Millionen Menschen getötet. Zusätzliche Schätzungen, über die Opfer von Holocaust (Shoa), dem sonstigen Völkermord und andere Massenmorde, Zwangsarbeit sowie Kriegsverbrechen und Kriegsfolgen, reichen bis zu 80 Millionen.“
Seitdem ist „Adolf Hitler in Bayreuth“ ein ganz empfindliches Thema. Unser ausgezeichneter Musiklehrer am Gymnasium weigerte sich neun Jahre lang, auch nur einen einzigen Ton von Wagner zu spielen, mit der Begründung, „Das ist Verbrechermusik“. Obwohl der Komponist schon 1883 gestorben war, fünfzig Jahre vor Hitlers Machtergreifung. Die bereits vorhandene Hitler-Dauerausstellung auf dem Wahnfried-Grundstück kann man noch viel anschaulicher zeigen. Dokumente, Fotos mit dem scharfen Kontrast der damaligen Jubel-Propaganda, parallel nebeneinander mit den Zeichen der totalen Zerstörungswut des Zweiten Weltkriegs.
Die fast fünfzehn Stunden Gesamtzeit des vierteiligen „Nibelungenrings“ kann man in eine Kurzform bringen. Er handelt vom Anfang und vom Ende einer Welt, die verdorben und verbraucht ist. Die am Anfang zitierte, düstere Prognose von Ur-Mutter Erda vom Weltuntergang erfüllt sich damit.
Heute sieht Vieles auch genau danach aus. Aber ich beschreibe alle Vorzeichen mit dem Hinweis auf vorhandene Lösungsmöglichkeiten, in allen Bereichen des menschlichen Wahrnehmungsvermögens. Vielleicht wachen auch diejenigen auf, die das realisieren können.
Hier hört man fünf spannende Orchesterstücke aus dem „Nibelungenring“, glanzvoll und mit einem herausragenden Klangbild, dirigiert von Leopold Stokowski:
https://www.youtube.com/watch?v=WnlfNhfVrgI
