11.5.2019. Nicht weit vom Viktualienmarkt gibt es ein Wirtshaus, das nicht nur in München sehr bekannt ist. Deshalb wird der Name auch nicht genannt, ebenso nicht die beiden Betreiber. Denn sonst ist damit zu rechnen, dass bald Eintrittskarten verlangt werden, um dort noch einen Platz zu finden.
Wenn dort Alles klappt, muss es auch Gründe dafür geben. Das sind die Gesetze der Ökonomie, das man noch nicht einmal in Büchern findet. Das klingt trocken und langweilig, ist es aber nicht. Denn die Nichtbeachtung der Regeln hat unvermeidbare reale Folgen. Ursache: Die Betriebsführung. Das Management. Zum Beispiel in diesem Lokal wird Alles beachtet.
Die Preise sind angemessen, zum Teil kostengünstig, aber immer nach dem Aufwand berechnet. Die Kellner sind schnell und aufmerksam, trotz langer Öffnungszeiten wegen der Hotelgäste. Vom Frühstück beim morgendlichen Schichtbeginn bis spätabends, nach den Vorstellungen des nahen Musiktheaters. Beide Chefs setzen sich gern an die Tische, nicht nur zu den Stammgästen. Dazu gehört ein persönliches Gespräch, wenn die Zeit es erlaubt. Die Innenausstattung mit dunkler Holzvertäfelung ist rundum renoviert, aber einer alten bayerischen Gaststätte nachempfunden. Das Lokal ist mit der Straßenbahn schnell erreichbar. Fünf Minuten Fußweg sind es bis zum Gärtnerplatztheater. Fotos an den Wänden erinnern an die früheren Stammgäste: Rainer Werner Faßbinder. Freddie Mercury. Barbara Valentin. Es herrscht eine weltoffene Gastlichkeit. Die Chefs machen oft Besucherführungen durch das ganze Haus. Sie stehen oft in den Lokalzeitungen und werden dadurch immer bekannter. Dann erzählwn sie Liebesgeschichten oder freundliche Worte zum heutigen Muttertag. Auf Pressefotos lachen sie gern aus dem Fenster ihrer kleinen, bescheidenen Wohnung.
Das erfüllt mehr als alle Regeln der Ökonomie und ist sehr erfolgreich. Niemand wirft böse Blick, wenn der Gast nur zu einem Getränk und einem guten Gespräch verweilt.
Die wichtigsten Regeln der Ökonomie sind in den Wirtshäusern Sorgfalt, faire Preise, Zuwendung zum zahlenden Gast ohne eitle Selbstdarstellung. Ehrlichkeit. Offenheit und Transparenz.
Darüber hinaus: Das gilt nicht nur für die Gastronomie, sondern für alle wirtschaftlichen Bereiche. Für große Konzerne und kleine Handwerkerbetriebe. Der ehrliche Kaufmann ist das große Leitprinzip des heutigen Handelsgesetzbuches. Die strengen Bilanzvorschriften fordern „Klarheit und Wahrheit“.
Wer das nicht beachtet, lebt in Dummheit oder ständiger Angst vor Bestrafung. Nutzloser Stress, dauernder Ärger und unzufriedene Gesichter sind dann unvermeidbar. Berühmte deutsche Firmen mussten es sich immer wieder gefallen lassen, von amerikanischen Steuerfahndern penibel bis ins Kleinste durchleuchtet zu werden. Denn wenn sie auch nur eine Filiale im Ausland besitzen, gelten dort die scharfen amerikanischen Gesetze. Am Ende der aufwändigen Überprüfungen standen millionenteure Geldstrafen und Entschädigungszahlungen der vorher unantastbaren, hoch über den Wolken schwebenden Großfirmen. Die nachlässigen Vorstände wurden persönlich mit ihrem Privatvermögen zum Schadensersatz herangezogen. Mancher hat das nicht zahlen können. Die Haftpflichtversicherungen für Manager lehnen jede Ersatzleistung ab.
Die Gnadenlosigkeit auch ungeschriebener Gesetze ist das Gegenteil des leuchtenden Sternenregens, der von den machtbewussten Verursachern für sich selbst erhofft wurde.
Wer jedoch etwas leistet, kann zum Meister werden. In Richard Wagners berühmter Komödie von den „Meistersingern“ sind damit einfache Nürnberger Handwerker gemeint. Schuster. Schneider Bäcker. Das Werk ist allerdings voller Anspielungen auf viele große Meister: Albrecht Dürer. Hans Sachs. Martin Luther.
Nationalismus ist es nicht, wenn im jubelnden Finale der Schusterpoet Hans Sachs den Gästen der Festwiese zuruft: „Ehrt eure deutschen Meister! Dann bannt ihr gute Geister.“ Wagner war ein Weltgeist. Die Handlung wichtiger Werke spielt nicht nur in Deutschland, sondern in Norwegen. Cornwall. Südspanien. Rom. Und in einer fernen skandinavischen Urzeit,
Ein besonders gelungenes Kunststück ist die Ouvertüre zu den „Meistersingern von Nürnberg.“ Zum Schluss hört man drei verschiedene Melodien gleichzeitig. Beim Meister des traditionellen Kontrapunkts, Johann Sebastian Bach, waren es immer nur zwei Melodien. Wagner selbst meinte zu seinem Stück: „Das ist angewandter Bach!“
Der bedeutendste Wagnerdirigent war Wilhelm Furtwängler, von dem es nur wenige Filmaufnahmen gibt. Eine davon erlebt man mit wehenden Hakenkreuzfahnen während des Zweiten Weltkriegs in Berlin. Eine zweite derartige Aufzeichnung gibt es nicht. Musikalisch gehört sie zu den wertvollsten Erinnerungen an den Dirigenten.
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