Eine Überraschung in der Straßenbahn

19.6.2022. Wenn ein Krieg so heftig wird, dass die Wunden, im Innenleben der Beteiligten, sich nicht mehr heilen lassen, dann war viel Dummheit die Ursache, auch Geldgier. Ab1972 habe ich am Stadttheater Münster die ersten und besten Opernabende erlebt. Hausregisseur und Chefdirigent waren zwei Assistenten von Wieland Wagner, der sechs Jahre vorher starb. Sie waren gute Schüler, auch bei der Form des Bühnenbildes und bei der Gestaltung der musikalischen Quellen. Zehn Jahre später war Schluss damit. Ein neuer Intendant brachte seine eigenen Mitarbeiter ins  Haus. Im „Tannhäuser“ musste der mittelalterliche Landgraf Hermann sich als Napoleon mit Hut verkleiden, die Gäste in der Wartburg sahen aus Biedermeier-Puppen aus Verdis „La Traviata“. Kurz nach der Premiere gab es ein „Gespräch mit dem Zuschauer“ Der Verantwortliche saß zwei Meter entfernt. Ich sagte nur, „Schreiben Sie sich doch eine eigene Oper, aber verschonen Sie uns damit.“ Da schrie er, „Das ist ja eine Unverschämtheit!“ Obwohl es richtig war.

Danach wurden die Zustände immer schlimmer. Der Tenor James Wagner zog um nach München und trat dort, vorübergehend, am Gärtnerplatztheater auf. Im September 1987 war er der einzige Mensch dort, den ich kannte. Er lud sofort zum Pizza-Essen ein, vorher gab es, in seinem Wohnzimmer einen großen Konzertflügel, auf dem ein signiertes Foto des spanischen Königs Juan Carlos stand. „Vor dem habe ich einmal ein Konzert gegeben.“ Mehr kam nicht, das wäre auch Angeberei gewesen. Wir waren schon vier Jahre befreundet, das wäre eine Dummheit gewesen.

In Münster wurde der Generalmusikdirektor Alfred Walter brutal vertrieben, schikaniert, und die Lokalpresse machte wochenlang große Schlagzeilen daraus. Aber ein Intendant hat mehr Macht, also ging auch Alfred Walter, für immer. Deshalb gab es eine große Vorfreude auf München, wo die Staatsoper von weltberühmten Künstlern abends überfüllt war. Dann kam aus London Peter Jonas, und ich dachte, ich wäre wieder  in Münster gelandet. Das dauerte von 1993 bis 2006. sein Nachfolger aus Wien war gemäßigter. Klaus Bachler. Vor vier Jahren stieg plötzlich Peter Jonas in die Straßenbahn ein. Menschlich hatte ich gar nichts gegen ihn, fragte aber seine Begleiterin, ob sie mit dem Nachfolger Bachler zufrieden war. Sie jubelte, „Aber Ja!“ Und Jonas ergänzte selbst, „Wir sind befreundet.“ Kurz danach stiegen sie aus, und ich habe ihnen noch einen „angenehmen Tag“ gewünscht. Das war sogar ehrlich, denn er sah immer aus wie ein gepflegter Engländer und trug dazu einen grün karierten Schottenrock, sein Markenzeichen.

Bei seinen Regisseuren hat mich gestört, dass sie viele Werke wie Spielzeug behandelten, das man beliebig verändern kann. Eine Form der Beeinflussung, die auch den Namen „Agitations-Propaganda“ (Agitprop). hat. Dafür gibt es Spezialisten, die in einigen Staaten eine Hauptrolle spielen. Ein alter Münchner nannte das vor fünf Jahren „Kindergarten“ und hat danach keine Vorstellung mehr besucht. Seine Ehefrau sagte einmal zu mir: „Sie kennen sich bei Opern besser aus als mein Mann.“ Da war sofort eine Richtigstellung fällig: „Ihr Mann kannte viele berühmte Sänger persönlich und war mit ihnen befreundet.“ Das habe ich niemals geschafft.

Seit 2010 kann man viele Vergleiche mit Bayreuth ziehen, Als Peter Jonas ging, sah ich 2007 eine neue Inszenierung der „Meistersinger“ am Grünen Hügel, die eine ganz neue Haqndschrift hatte, aber Wiederholungen sind immer langweilig. Die „unsichtbare Weltuhr“ ist ein Symbolbild und wird in dem gleichnamigen Artikel von 2019 erklärt. Geändert hat das nichts, aber die Zeit ist auch abhängig von der Energie. Dazu gehört eine „neue Welt“, für die es hier viele Beispiele gibt, aus allen Themenbereichen.

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