Einsame Wälder unterwegs

6.8.2021. Wenn nichts Dummes passiert, ist der Mittelpunkt jeder Kindheit das Elternhaus. Mindestens in den ersten zehn Jahren ist es der Rückzugsort, der sichere Hafen für alle Stürme draußen. Optisch ändern lässt sich dabei Nichts. Unser Gebäude hatte im Erdgeschoss eine  Wohnung mit Blick zur Straße und zwei kleine Läden, die vermietet wurden. Im ersten Stock schauten auch Mieter auf den großen Garten, und eine zweite Wohnung hatte die Schlafzimmer für die ganze Familie. Der gesamte Boden war umgeben von schrägen Wänden, weil dort schon draußen das Dach begann. Von außen sah das Giebelhaus gemütlich aus, aber als alle Kinder auszogen, wollte Niemand die schrägen Wände im ersten Stock mieten. Auch die beiden Läden unten waren zu klein für Geschäfte. Der Architekt hatte eine zusätzliche Rente versprochen, aber daraus wurde nichts. Obwohl kein Stein geändert wurde, musste Alles, nur privat,  ganz neu bewertet werden, und übrig blieben Kosten.

Bis dahin war es ein Paradies. Jeder hatte genug Platz und seinen eigenen Spielraum. Im Sommer war der große Garten der beliebteste Aufenthaltsort, mit vielen Blumen, Obstbäumen und Bodenfrüchten. Auch die Nachbarn waren gern dort. Aber Anfang der Sechziger Jahre kamen die eigenen Autos für Jeden, die preiswerten Supermärkte und der Untergang der kleinen Kaufläden. Das Fernsehen besetzte nachmittgs die Freizeit, bis in den späten Abend. Vor die Wohnungsfenster kamen blickfeste Jalousien, die Nachbarn verbrachten die meiste Zeit auch zu Hause, und abends sah man nur noch matte Straßenlampen.

Das ganze Wohnviertel war sehr groß und gleich nach dem Krieg entstanden, als es dringend gebraucht wurde. Jetzt waren aber die kleinen Läden weg, und der Fußweg zur Stadtmitte hatte vier Kilometer. Das lähmte den Umgang der Stadtbewohner miteinander, auch in vielen anderen Staaten. Damals wurde die Psychologie als Wundermittel gegen Depressionen verbreitet wie eine neue Mode, aber viele Helfer hatten wenig Ahnung davon, schwatzten viel und brauchten ständig selbst Geld. Trotzdem war noch genug da. Denn die ersten ausländischen Gastarbeiter tauchten auf, machten  für wenig Geld, die einfachen Arbeiten, an denen die Einheimischen längst ihr Interesse verloren hatten, die aber trotzdem erledigt  werden mussten.

Auch ohne Absicht und Planung veränderte sich das gesamte Denken. Wer die Einzelheiten der unaufhaltsamen Veränderungen zusammenzählte, mit Plus und Minus bewertete, bekam plötzlich eine ganz neue Lebensbilanz. In Nordbayern sagte vor sieben Jahren ein Taxifahrer, während einer Fahrt durch die einsamen Wälder: „Die jungen Leute ziehen alle fort. Nur die Rentner bleiben und diejenigen, die Schuld haben an der ganzen Situation.“ Eine traurige Bilanz, denn sie lässt sofort erkennen, dass Einige dabei steinreich geworden sind. Zu sehen war das nicht, weil es gut versteckt war. Aber es gab noch viele andere Signale, die das bestätigten. In den Städten, dem Zustand der Gebäude, der Benutzung der Wirtshäuser und den Themen dort drinnen. Zum Stichwort „menschenleer“ gibt es hier noch über 20 Artikel:

https://luft.mind-panorama.de/?s=menschenleer&x=15&y=9

Mit „menschenleer“ ist nicht nur die Außenwelt gemeint. In München lebt die Mehrheit der Bewohner allein und will es auch so. Formen der gegenseitigen Anpassung sind weniger geworden und überfordern die Leute, die täglich aneinander vorbeigehen. Außerdem sind ganz andere Gefahren aufgetaucht.

Ein naher Verwandter war Bankberater und hat seiner eigenen Tante empfohlen, ihr Geld bei der Lehman-Bank zu investieren. Als die Bank am 15.9.2008 mit allen Reserven zusammenbrach, war das  ganze, lebenslang gespartes Geld der Kunden weg, aber der Berater bekam vorher noch sein Beratungshonorar.  Ein paar Jahre später sparte jedoch seine eigene Firma, zufällig auch eine Bank, seinen weitere Beratung  ersatzlos ein. Danach war er arbeitslos.

Je mehr Informationen sich verbreiten, landen sie in riesigen Datenbanken, die unübersichtlich sind, weil sie Hauptsachen und Nebensachen nicht wirkungsvoll trennen. Das ist aber  in Bewegung geraten, weil immer mehr Scheinwerfer eingeschaltet werden. Zu viel grelles Licht ist ungemütlich, aber es kann auch  ein notwendiges Vorspiel sein, für mehr Lebensfreude, wenn dabei genug Fahrgäste mitreisen.

.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.