„Am schlimmsten ist die Einsamkeit zu Zweit“, meinte Erich Kästner (1899 – 1974). Er hatte von 1939 – 1945 Schreibverbot, aber schon nach dem Krieg wurde er bekannt mit Kinderbüchern, die ich damals auch gern gelesen habe. Er kannte an seinem letzten Wohnort München viele Leute und saß gern im alten Schwabinger Wirtshaus „Leopold“. Allein war er also nur, wenn er das selbst wollte. Einsamkeit ist etwas ganz Anderes: Die Abwesenheit eines passenden Klangs, einer Lieblingsmelodie oder von Lebensqualität. Über Kästner habe ich am 3.8.21 einen anderen Beitrag geschrieben, „Münchhausens Erfahrungen“ :
https://luft.mind-panorama.de/muenchhausen-2/
Tatsächlich ist Einsamkeit ein abgenutztes Modewort geworden, schon in den Sechziger Jahren, als das deutsche Wirtschaftswunder die ärmsten Alltagsmenschen finanziell reicher machte, aber nicht glücklicher. Damals hatte in Paris, Jean-Paul Sartre (1905 – 1980) weltweite Efolge mit seinen kühlen Büchern zum „Existenzialismus“. Er meinte damit, dass im menschlichen Leben nur eine körperliche, begrenzte Dimension existiert und das Leben an sich deshalb sinnlos ist, grundlos, atheistisch und abwesend, verlassen von Gott. Das hielt ich immer für sehr arm und beschränkt, auch wenn es mit klugen Worten formuliert war.
Auch in den letzten Jahren habe ich immer wieder Menschen getroffen, die geistreich waren, finanziell unabhängig oder berühmt. Sänger, andere Künstler und Machtmenschen mit harten Ellenbogen. Erschreckend war ihre Traurigkeit. Und dahinter steckte meistens Einsamkeit. Ein alter Bekannter sagte vor ein paar Wochen, „Ich habe ein Auto, eigene Möbel, mache Sport, bin aber unglücklich.“ Psychiater verschreiben dann auch wirkungslose Pillen, aber es blieibt die Ursache trotzdem unbemerkt: Die Abwesenheit eines passenden Klangs, einer Lieblingsmelodie oder von Lebensqualität, so wie bereits am Anfang genannt. Die gibt es auch, wenn Berufskollegen angenehm sind. An der Arbeit im privaten Garten. haben nicht nur Rentner Freude, dann ist es ganz allein ihre Sache und wirkt auch. Hauptsache ist die persönliche Suche nach solchen Zielen, die eigene Motivation, die Antriebskraft, der Motor, der von selbst läuft, wenn er in Schwung gekommen ist.
Mit vierzehn Jahren war die dunkelste Zeit meines Lebens deshalb, weil viele Psychologen und Schwätzer eine wertvolle Lücke entdeckten. In ihren Erfolgsbüchern, Bestsellern, räumten sie einen Riesenmarkt ab und ernteten dabei gut, hatten aber von der Sache nicht viel verstanden, außer trockenen, überflüssigen Fremdwörtern im hochgeschraubten, akademischen Tonfall. Von einem Kriegsflüchtling mit existenuziellen Sorgen hörte ich damals, er hätte stundenlang beim teuren Psychologen gesessen. Der hätte aber mit ihm nur über die aktuellen weltpolitischen Krisen in der arabischen Heimat des Mannes geredet. Also Zeitungsfutter ohne praktischen Wert. Der Patient litt weiter unter einer Abulie, einer persönlichen Arbeits-Blockade und lebte deshalb von einer niedrigen Arbeitslosenhilfe. Am Ende kletterte er sogar auf eine Wendeltreppe, hoch zum Turmfenster der gotischen Lambertikirche, mitten in Münster, Dort ließ er selbstgemachte Flugblätter mit seinem Schicksal auf die Passanten herunter regnen, kam damit auf die erste Seite der Lokalzeitung und verließ dann Deutschland, für immer. Diesen Fall kannte ich persönlich, aber er passiert auch in ganz anderen Situationen. Seit vierzig Jahren ist der Kontakt längst abgerissen. Der Betroffene war völlig normal, hatte aber ein Problem, das Niemand löste.
Einsamkeit, Sprachlosigkeit können Krankheiten verstärken, aber manche sind angeboren. Aufgeladene Blitzableiter treffen dann Unbeteiligte, und dauernde Hysterie braucht ganz andere Helfer. Allein ist fast Keiner stark genug dafür. Aber falsche Hände können Alles zerstören. Auch dafür gibt es vorher Erkennungszeichen: Aufdringlichkeit, Unwahrheiten, Wichtigtuerei. Wenn das sich nicht immer breiter macht, kann das auch ein Grund für größeres Vertrauen sein. Aber dann ist es keine Ausnahme, sondern zeigt sich immer wieder und nur, wenn es tatsächlich erwünscht ist, bei allen Plänen und Zielen.
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