Fausts Höllenfahrt

14.1.2022. Wenn Goethe ein neues Buch schrieb, war das geplant „für die Ewigkeit.“ So lesen sich viele Klassiker, aber schon in der Schule galten sie als langweilig. Sie enthielten natürlich keine aktuellen Tagesnachrichten, weil die ständig verändert und aktualisiert werden. Eine Ausnahme war William Shakespeare. Wer seine  Dramen liest, findet zunächst nur die klassischen Rezepte. „Sein oder Nicht sein,“ heißt es im „Hamlet.“ Allein wer diesen Satz zitieren kann, ist heute schon exotisch. Meistens weiß auch Niemand, was sonst noch in dem langen Monolog folgt, obwohl es sehr hintergründig ist. Spezialisten haben herausgefunden, dass in Shakespeares Liebesgedichten, den Sonetten, sehr viele verschlüsselte Hinweise auf seine aktuellen Probleme zu finden sind, wenn man die Bildersprache der Symbole übersetzen kann. Kurz bevor er aus London nach Italien flüchtete und viel später in Venedig starb, ohne dass  den weltberühmten Kopf Jemand erkannte, schrieb er den „Doktor Faustus“, dessen Inhalt so ähnlich ist wie Goethes „Faust“. Aber die Unterschiede können elektrisieren. Zum Beispiel hat Goethes Faust noch einen sehr langen zweiten Teil vor sich. Bei Christopher Marlowe, Shakespeares tatsächlichem Geburtsnamen, wird Faust am Ende von drei Besuchern aus der Hölle bestraft, den direkten Boten von Satan selbst: Mephisto, Beelzebub und Luzifer. Morgens entdecken Besucher, dass die Höllen-Figuren  Faust ermordet haben. Marlowe war damals in einer ähnlichen Situation.

Der Erzbischof von Canterbury, Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche, ließ  Marlowes Bücher überwachen, zensieren und kürzen. Der aber hatte das volle Vertrauen von Königin Elisabeth I., ihrem Geheimdienstchef Francis Walsingham und dessen Neffen Thomas, mit dem er eng befreundet war. Mit einer Mischung aus Übermut und Hass verteilte Marlowe nachts in den Londoner Straßen anonyme Hetzschriften gegen den Ezbischof, machte aber ein paar dumme Fehler, so dass er verhaftet wurde. Auch sein Mitbewohner Thomas Kyd, der alle Schuld auf Marlowe schob. Er blieb ein Jahr im Gefängnis und starb danach. Marlowe wurde freigelassen, weil seine besten Freunde das so wollten. Aber alle waren sich einig, dass er sofort verschwinden musste, für immer. Sein Freund Thomas Walsingham war englischer Botschafter in Paris und finanzierte dort die gesamte Flucht und unterstützte ihn lebenslang. Die weltberühmten Theaterdramen wurden mit der geheimen Diplomatenpost nach Paris geschickt, von dort aus kamen sie zum tatsächlich existierenden Theaterdirektor William Shakespeare, der sie berühmt macht, aber selbst keine Bücher schrieb.

Dieses Beispiel ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Kapitel „Shakespeares Universum“, direkt unter diesem Text. Wer die Sprache der Symbolbilder versteht und übersetzen kann, findet die Methoden auch in den zwei Kapiteln zum Thema „Symbolik“, mit bisher über 700 eigenen Beiträgen. Wenn Goethe auch so klingt, als hätte er „für die Ewigkeit“ geschrieben, dann ist das längst Schnee von gestern. Das Internet bietet immer mehr technischen Möglichkeiten, selbst etwas Ausgefallenenes herauszufinden. Aber die Technik ist immer dann kalt und leblos, wenn sie nicht ergänzt wird durch persönliche Kenntnisse und Erfahrungen. Außerdem müssen die Nebensachen in separate Speicher geschoben werden, damit sie nicht den Durchblick und den Fernblick versperren. Außerdem werden versteckte Abgründe klar erkennbar und Tiefenbohrungen möglich, die nicht nur an der Oberfläche stecken bleiben. Die kompliziertesten Probleme lassen sich in einer überschaubaren Kurzform erklären, das gehört auch zu den Methoden hier. Einsteins physikalische Formeln zur Relativitätstheorie sind selbst für Experten nur schwer nachzurechnen, aber ihn zu erklären und dabei zu zitieren, hat eine ganz eigene Kraft. Dafür reicht jetzt ein Beispiel, das, aus einer begrenzten Perspektive, die ganze Welt erklärt: „Wir stehen auf den Schulter von Riesen, die vor uns waren.“

Christopher Marlowe, mit 21 Jahren:

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