1.9.2021. Das Leben mit einem bunten Flickenteppich zu vergleichen, ist nichts Neues. Die Originale sind leider oft gebraucht oder landen auf Flohmärkten. Wenn die Besitzer sie schlecht behandeln, noch schneller. Das Material ist preiswert, so kann auch das Leben sein. Wenn man die gekauften Sachen nicht immer bezahlt. Vor vierzig Jahren war ich mit einem Bekannten im Kaufhaus. Er brauchte eine neue Hose. Nach zwanzig Minuten stand er vor mir und zeigte sie stolz. „Und wo ist die alte?“ „Die habe ich in der Umkleidekabine liegen gelassen.“ Also auch nichts bezahlt. Zufällig kannte ich auch den Kaufhausdetektiv, aber nur aus Schlagzeilen in der Lokalpresse. Wenn er Diebe erwischt hatte, nahm er sie mit in sein Büro. Schon im Aufzug hat er sie zusammengeschlagen. Deshalb landete er selbst vor Gericht. Im Zuschauerbereich war es viel spannender als beim Zeitunglesen. Die Zeugen hatten Angst. Keiner konnte sich mehr erinnern, was da passiert war. Er wurde freigesprochen. Kurz vor meinem Umzug nach Bayern, 1987, tauchte er zufällig auf und wollte in einem Bierlokal einen Schluck mit mir trinken. Er kannte mich nur als Zuschauer in seiner Verhandlung. Jetzt war er sehr freundlich, erzählte von seiner Familie und sagte beim Fortgehen: „Nächstes Mal grüßt du aber und sagst Guten Tag.“ Dann war er weg.
Eigentlich war er ausgebildeter Polizist, dann aber rausgeflogen, wegen seines heftigen Körpereinsatzes. Ein Einzelfall ist das nicht. Die meisten Polizisten haben einen sehr anstrengenden Beruf, auch nachts und am Wochenende. Persönlich habe ich niemals schlechte Erfahrungen damit gemacht, aber im Lauf vieler Jahre Einiges, auch zufällig gehört und gesehen, was gleichzeitig auch Andere gesehen haben. Wer unter Stress steht lässt gern inneren Druck ab und geht zum Abkühlen unter andere Leute. Viele hören gern zu, links und rechts, Unbekannte und Unberechtigte, aber Niemand weiss, was sie daraus machen. Aufgeblasenes Geschwätz oder Phantastereien. Deshalb war es erstaunlich, Dinge zu hören, die sonst eigentlich im Aktenschrank verschlossen sind. Oder in geschützten Dateien. Die Plaudereien pflanzten sich automatisch fort nach draußen, und drei Straßen weiter bekam man sie wieder zu hören.
Das Geschwätz selbst hat mich nie interessiert, aber die Frage: Wie kann das sein? Sie wird hier immer wieder beantwortet, auch bei den Stichworten unter diesem Text. Trotzdem ist das Thema aktuell, und die Ursachen der Fehler lassen sich leicht erklären: Unwissenheit, Überlastung oder Absicht. Ich habe mich niemals in solche Gespräche eingemischt, aber die Frage bleibt: Die Führungsebenen wissen genau Bescheid, aber nicht alle Mitarbeiter. Also ist es eigentlich nur ein Informationsproblem. Oder Gleichgültigkeit. Wenn Beamte einen Zeugen ungeduldig anschreien, „Sie haben noch fünf Minuten Zeit,“ dann kann es auch keine vollständige Information geben. Dazu Fehlbewertungen. Deshalb muss jede Strafanzeige schriftlich protokolliert und unterschrieben werden. Am Inhalt darf gar nichts geändert werden, weil für die Prüfung und Bewertung ausschließlich die ausgebildeten Juristen der Staatsanwaltschaft zuständig sind. Landet ein langweiliges Protokoll einfach im Papierkorb, folgt danach ein Disziplinarverfahren, mit dem Ziel der endgültigen Entfernung aus dem Dienst. Auch alle Beweisdokumente müssen mit laufenden Nummern markiert werden, damit es keine Lücken gibt.
Beruflich habe ich nicht nur einmal Fehler gesehen, aber sie waren nicht wichtig. Wohl aber das laute Geraschel im ganzen Wald, wenn die Fehler später Folgen hatten. Spricht man mit Mitarbeitern von Security-Firmen, sind dabei auch Wissenslücken erkennbar. Bei der Verteilung neuer Aufträge haben die wihtigsten Kunden auch Erkenntnisse, die dann ihre Entscheidungen und ihre Auswahl beeinflussen. Ein Wachmann hat mir vor Jahren gesagt, dass er bald einen schwarzen Anzug mit Krawatte braucht, weil er wichtige, bekannte Personen und wertvolle Gebäude schützen muss. Der schwarze Anzug nützt aber nicht viel, wenn die rotiernden Klatschmühlen sich drehen und Müll fallen lassen. Vor Allem von Leuten, die kein Vertrauen verdienen. Auch wenn sie ein schneeweißes Hemd tragen.
Solche Beobachtungen sind keine plumpe Stimmungsmache. Jeder kann das miterleben, aber den meisten fällt dazu nichts ein. Auch ein Grund, das einfach nur zu erwähnen, denn außer den harmlosen Fällen gibt es andere, die dann in jeder Zeitung stehen. Damit die Gesamtzahl weniger wird, muss man nur darüber nachdenken. Das Leben als bunter Flickenteppich, das gibt es in allen Bereichen. Um so besser, wenn Viele einfach noch besser hinschauen.
Besonders wichtig ist das bei neuen Formen der Kriminalität, die sich mit den traditionellen Methoden gar nicht aufklären lassen. Viele Beispiele findet man hier unter dem Stichwort „Elektronik“, weil da auch am meisten passiert. Die aktuellen Statistiken sind ganz deutlich. Die Fälle werden nur dann weniger, wenn auch das Wissen darüber noch viel umfangreicher wird. Die praktische Nutzung im Alltag, die Arbeitsabläufe können nämlich die Maschinen selbst nicht umstellen, sondern nur ihre Benutzer. Wenn die relativ belanglosen Fälle, geschildert am Anfang dieses Beitrags, möglich sind, dann verstärkt sich die Frage, wie man mit den den Seitenwegen und Querverbindungen umgeht, die jetzt immer deutlicher werden. Die Aufgabe ist zwar viel komplizierter, lässt sich aber, im Prinzip, genauso lösen, wenn auch die alten Denkmethoden darauf reagieren und sich ändern.
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