26.5.2021. Franz Kafka (1883 – 1924) hat sehr rätselhafte Bücher geschrieben. Das bekannteste ist „Der Prozess“. Gleich im ersten Satz wird die Hauptfigur – K. – die Niemand etwas getan hat, angeklagt. Er weiß nicht, warum und macht sich auf eine lange Suche, das herauszufinden. Es gelingt ihm nicht, obwohl er mit sehr vielen Menschen spricht. Es bleibt bei seiner Suche.
Das Buch ist sehr realistisch geschrieben, enthält keine Nebel, aber eine seltsame Sprachlosigkeit. Alle Gespräche sind wie Irrgärten, führen ins Nirgendwo, auch die Gebäude haben viele Räume, die genutzt werden, aber ohne Erklärung. Trotzdem liest man das fasziniert, denn der Sinn ist nur versteckt, auch wenn er gar nicht erklärt wird. Verfilmt wurde es 1962 von Orson Welles. Der fügte gar nichts hinzu, sondern schuf starke, magische Bilder. Einen riesigen Bürosaal, gefüllt mit Schreibmaschinen, die von völlig gleich aussehenden Personen bearbeitet werden. Lange Flure, die in andere Flure führen. Türen, die sich zu anderen Türen öffnen.
Am 27.2.20 habe ich über Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“ einen Artikel geschrieben:
https://luft.mind-panorama.de/kafka-vor-dem-gesetz/
Natürlich ist dieser Stoff schon oft untersucht worden. Es ist eine Parabel, ein Vergleichsbild für den damals modernen Menschen, der unbeachtet in großen Fabriken arbeitet und kein eigenes Gesicht hat, sondern nur von unsichtbaren Regeln und Gesetzen gelenkt wird.
Orson Welles selbst war ganz anders. Schlagartig wurde er 1938 berühmt, nur wegen eines Radio-Hörspiels. „Krieg der Welten). Die frei erfundene Landung von bedrohlichen Außerirdischen in New York kommentierte er als Reporter so aufgeregt, als ob sie wirklich stattfand. Bei den Zuhörern brach eine Panik aus. Viele verließen fluchtartig ihre Wohnungen und flüchteten auf die Straßen. Für den Regisseur begann damit eine steile Karriere. Allerdings hatte er auch große Probleme, seine außergwöhnlichen Projekte zu finanzieren.
Franz Kafkas Welt hat er sehr gut verstanden. Früher träumte man gern von einer „heilen Welt“, in der alle Geschichten ein glückliches Ende finden. Die Unterhaltungsindustrie hat das zu einem großen Geschäft gemacht. Eine Goldgrube. Doch nach den Rekorden der Blütezeit begann in den Siebziger Jahren ein Umdenken. Die Themen wurden vielschichtiger, farbiger und waren trotzdem große Erfolge. Die Überfülle hat auch zu Überdruss geführt und Langeweile. Wenn man die ganze Welt und den Weltraum in allen Einzelheiten anschauen kann, bleibt noch die Perspektive des Mikrokosmos, der kleinsten Teile. Auch das wurde mit viel Schwung ausgekostet.
Die Technik hat Riesensprünge gemacht, manchmal so weit, dass man die Ergebnisse aus den Augen verlor. Nicht nur als Zuschauer, sondern auch mittendrin. Offen ist der übrig gebliebene Spielraum. Dort gibt es so viele Fragen wie sie auch Franz Kafkas Helden haben, die Niemand beantwortet. Trotzdem gibt es keinen Grund zum Einschlafen. Wenn man sich auf ein Thema konzentriert, kommen manchmal neue Ideen von selbst, die sich auch realisieren lassen. Das ist auch das Prinzip dieser Webseite. Die Methode funktioniert in allen Bereichen, wenn man sich Zeit dafür nimmt und auch die Verbindungen entdeckt, die für die Augen unsichtbar sind, aber nicht für das Gedächtnis.
Das „Konzert für Orchester“ von Bela Bartok (1881 – 1945) weckt auch solche Kräfte. Es ist abgrundtief melancholisch, aber nicht verzweifelt. Wenn man es kennt, wird es immer stärker. Das hat 1955 der Dirigent Fritz Reiner in große Klangbilder umgesetzt:
https://www.youtube.com/watch?v=clzcGIdMaN0
.