11.6.2021. Wenn Gläser durchsichtig sind, sieht man sofort, ob sie voll sind oder nicht mehr genießbar. Das Wort „Transparenz“ ist in der Industrie sehr beliebt, aber die Produktionshallen sind oft verschlossen, damit die Konkurrenz unwissend bleibt, und die Kundschaft muss auch nicht Alles wissen. Das ist so lange richtig wie sauber gearbeitet wird. Manchmal verdirbt das Gewerbeaufsichtsamt den Spass. Eine große, sehr beliebte Betriebskantine bekam plötzlich Besuch von den Aufpassern, Danach hätten ganze Teile erneuert oder repariert werden müssen. Das Geld wollte Niemand zahlen, also wurde der ganze Laden einfach geschlossen. Heute wird er für Veranstaltungen vermietet, mit Gewinn. Die Mitarbeiter mussten sich einen anderen Platz suchen. In der Großstadt ist das kein Problem. Am Ende waren alle zufrieden. Leider kam während der großen Aufräumarbeiten heraus, dass die Kantinenleitung auch Bargeld für sich selbst eingesteckt hatte. Die Strafrichter sprachen ihre Urteile. Erstaunlicherweise tauchten die Verurteilten später wieder in anderen gastronomischen Bereichen auf und machten weiter wie vorher, jahrelang.
Tausende Augen wachen darüber, dass Transparenz (Durchsichtigkeit) wirklich alle dunklen Stellen beseitigt und deren Ursachen abschaltet. Weltweit. In Deutschland gibt es dafür auch den Verein „Transparency“. Auf der Homepage wird der Leser begrüsst mit den Worten: „Transparency Deutschland arbeitet deutschlandweit an einer effektiven und nachhaltigen Bekämpfung und Eindämmung der Korruption. Dazu müssen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten und Koalitionen bilden.“
Das ist vorbildlich, passt aber nicht immer zum Alltag und dessen grauer Wirklichkeit, wo immer noch Menschen mit persönlichen Fehlern beruflich stundenlang zusammen sind, die sich ihre Umgebung nicht freiwillig ausgesucht haben. Also haben die Politiker wieder zur großen Gesetzeskeule gegriffen: Seit dem 1. Juni 2016 gilt: „Herzstück des neuen Gesetzes ist die Transparenz-Plattform. Sie ermöglicht einen einfachen Zugriff auf Daten und Informationen der Verwaltung.“ Und: „Jede Person hat das Recht auf staatliche Informationen.“ Dazu gehört das „Transparenz-Ranking“. Das ist eine Liste zur Informationsfreiheit, in der eine Rangordnung, ein Siegerplatz wie beim Sport, für jedes Bundesland vergeben wird. Man kann also jede Region genau vergleichen. In Berlin findet man 61 Prozent. In Sachsen Null Prozent. Das Land hat weder ein Informationsfreiheits- noch ein Transparenzgesetz. Laut ihrem Koalitionsvertrag will die schwarz-rot-grüne Landesregierung dies jedoch ändern und ein Transparenzgesetz einführen. Die Lage in Bayern kann Jeder selbst nachschauen.
Solche präzisen Bewertungen kann ein Einzelner gar nicht bringen. Muss aber auch nicht die Augen schließen. Was ich vierzig Jahre lang im Beruf erlebt habe, waren erfolgreiche Zeiten und Kriegszustände. Um Geld zu raffen, wurde mit tausend Tricks gearbeitet. Eine Blütenlese der besten Vorfälle findet man hier, vor Allem beim Stichwort „Elektronik“ (347 Beiträge). Aber es gilt auch die alte Mengen-Bewertung, für den Meisterkomponisten Bach: „Man sollte ihn nicht Bach nennen, sondern Ozean.“ Bach (1685 – 1750) arbeitete und starb in Leipzig, Sachsen. Das Zitat über den Ozean stammt von Richard Wagner (1813 – 1883), der selbst auch in Leipzig geboren wurde. Nach dem Fall der Berliner Mauer vor dreißig Jahren war ich jahrelang mit einem Sachsen befreundet, der sehr deutlich den beliebten Dialekt sprach. In seiner Heimat wollte er, als unbekannter Jugendlicher, am Pflichtfach Russisch nicht teilnehmen. Danach bekam er überhaupt keine berufliche Förderung mehr und war, später auch in München, Betonarbeiter auf Baustellen. Seine spürbare Verbitterung hat er nicht an anderen Menschen ausgelassen.
Am 9.6.21, also nach der letzten Wahl in Sachsen, schrieb der Berliner „Tagesspiegel“: „Warum leben Ostdeutsche 30 Jahre nach der Einheit noch in einer eigenen Welt? 80 Prozent der Ostdeutschen haben allein im Zeitraum von 1990 bis 1995 ihren Arbeitsplatz verloren. Ohne die Verlagerung der westlichen Wertschöpfungsketten nach Ostdeutschland wäre das Wohlstandsniveau im Westen geringer. Allerdings haben die Firmen dort nur in seltenen Fällen auch Forschungs- und Entwicklungsabteilungen etabliert. Und nur dort sind die komplexen Aufgaben angesiedelt, die gut bezahlt werden. Natürlich wirkt die Prägung durch die frühere Diktatur weiter. Der Einigungsprozess ist bis heute eine Quelle von Unmut.“
Das habe ich nie bemerkt, aber Berufsjournalisten arbeiten den ganzen Tag für solche Erkenntnisse. In München gibt es viele Ossis, man erkennt sie sofort, auch am thüringischen Dialekt. Wer sich in der alten Heimat wohl gefühlt hat, sagt das auch, weil er damals auf der, für ihn richtigen Seite war. Doch die Vergangenheit führt bei allen älteren Menschen, auch in Australien und Kanada, zur Verklärung der guten alten Zeit, die manchmal ganz anders war.
Die ganz alte Geschichte, vor zweitausend Jahren in Rom und Athen, hat unvergessliche Herrscher hervorgebracht. Die Historiker bejubeln sie nicht, sondern bewerten ihre Siege und Niederlagen. Vor Allem deren Ursachen. Das ist nachahmenswert, denn daraus ergibt sich die Zukunft, für Alle.
Die Musik des Leipzigers Bach verwendete die begrenzten Instrumente der Barockzeit, schuf daraus aber eine klingende Welt voller Farben und Widersprüche. Streng logisch aufgebaut, verzeiht sie dem Musiker keinen Fehler, ist gleichzeitig aber ein Spiegel tiefer Gefühle. Bach stritt viele Jahre mit der Stadt Leipzig, die nur einen braven Dirigenten wünschte, aber keinen Komponisten. Sehr kurzsichtig, denn seit über 200 Jahren bewundert ihn die ganze Welt. Wer ihm länger zuhört, versteht sofort, warum:
https://www.youtube.com/watch?v=vwp9JkaESdg
.