10.10,2021. In einer abgelegenen westfälischen Kleinstadt gibt es kaum Sensationen. Die erste geschah 1963, als die Gastarbeiter aus Süditalien auftauchten. Sie sahen ganz anders aus als die blassen Deutschen: Braungebrannt, als hätten sie vorher nur Urlaub gehabt. Das stimmte überhaupt nicht. Ihre Heimat war die ärmste Region des ganzen Landes, und der damalige Ministerpräsident Andreotti war froh, dass sie endlich weg waren. Er sparte damit viel Geld, das dringend in Rom und Venedig gebraucht wurde. Denn der gut zahlende Massentourismus stopfte die finanziellen Löcher nicht, sie wurden einfach immer größer. Zum Stichwort „Andreotti“ gibt es hier bereits 19 Artikel. Danach kennt man das Land besser als jeder Reiseführer:
https://luft.mind-panorama.de/?s=Andreotti&x=12&y=11
Ein Land, das so viele Traumlandschaften hat, herrliche Musik und die längste Meeresküste am Mittelmeer, kann eigentlich gar nicht arm sein. Warum das trotzdem so ist, erfährt man in dem gerade erwähnten Kapitel. In der westfälischen Grenzstadt fielen die Fremden sofort auf. Aus Sparsamkeit hatten sie ihre Familien zu Hause gelassen und schickten alles gesparte Geld dort hin. Natürlich wollten sie auch ihren Spass haben, und Niemand kontrollierte das. Damals war ich vierzehn Jahre alt und verstand eigentlich gar nichts. Mit 21 Jahren begann das Leben im 55 Kilometer entfernten Münster. Dort lernte ich alle Kontinente kennen. Geld zum Reisen war noch nicht da, also kamen die Kontinente selbst, mit ihren Flüchtlingen und Auswanderern. Die hatten natürlich einen Erfahrungs-Hintergrund, sprachen offen über ihre Probleme und deren Ursachen. So bekommt man einen hautnahen Eindruck, zum Beispiel von Äthiopien, Marokko, Tunesien, den USA und so weiter. Die erste Freundschaft entstand mit einem Palästinenser aus Jordanien und hielt sechs Jahre lang, bis zu seiner endgültigen Rückkehr in die Heimat. Am 3.11.20 habe ich darüber berichtet, unter dem Titel „Reise durch die Angst“ :
https://luft.mind-panorama.de/reise-durch-die-angst/
München und Bayern waren noch exotischer, aber auch das helle Licht, das lange Schatten wirft. Nordbayern kenne ich ganz genau. Seit 1989 war ich jedes Mal dort, mehrmals im Jahr. In Nürnberg, Bamberg, Würzburg, Kulmbach. Und den wichtigsten Orten, die man auf der Straßenkarte findet. Vor zehn Jahren hat das gereicht, auch mit der letzten Vorstellung am Grünen Hügel: Wagners „Tannhäuser“. Vier Jahre vorher, im Sommer 2007, habe ich sogar die Festspielleiterin Katharina Wagner kennengelernt. Das war ihre erste „Meistersinger“- Inszenierung, sehr bemerkenswert. Der freundliche, weise Hans Sachs als strenger „Reichswerktreueführer“. Das war damals mein Spitzname in einem Internet-Musikforum, weil ich keine Verfremdungen leiden konnte. Meine Meinung findet man hier, im ersten Kapitel „Bayreuths unsichtbare Weltuhr“, mit über 180 Beiträgen, die eine Werkanalyse enthalten, die es in der Musikliteratur so gar nicht gibt, aber nachvollziehbar ist. Nach der Meistersinger-Vorstellung ging ich in ein Bistro in der Innenstadt und trank dort ein Glas Wein. Plötzlich stand Katharina Wagner hinter mir, schaute sich aber nur um und setzte sich dann zu ihrem persönlichen Berater.
Das war auch interessant, weil ich sie vorher nur von Hochglanz-Fotos und aus Interviews kannte. Bescheiden setzte ich mich weit weg, mitten in den voll besetzten Gastraum. Erst heute fällt mir ein, dass wahrscheinlich fünfzig Prozent Sicherheitskräfte waren, aber Niemand machte Ärger. Beim Fortgehen gab es den ersten und letzten Dialog mit Katharina. Wörtlich: „Guten Abend. Darf ich Sie etwas fragen?“ Sie nickte höflich, ihr Begleiter schaute aufmerksam zu. Nächste Frage: „Was sagen Sie zu den Buh-Rufen nach der Vorstellung?“ „Nun ja.“ Sie schüttelte nur den Kopf, also war es ihr egal. „Kennen Sie das Forum im Internet?“ „Ja. Aber das lese ich nicht.“ Unter einem Pseudonym hat sie dort oft mit mir diskutiert, blieb aber immer ruhig und wurde niemals beleidigend. Sie hat mir nur einen Spitznamen gegeben, dessen deutsche Übersetzung etwas Ähnliches bedeutet wie „Schwätzer“. Das war ihr gutes Recht, und heute bedauere ich, dass es unsere letzten gemeinsamen Worte waren. Sie sieht gut aus und ist angenehm zu erleben. Das gilt leider nicht für ihren großen Bekanntenkreis, aber dafür kann sie nichts.
Die ganz großen Weltprobleme kann ein Einzelner gar nicht lösen. Auch nicht in den mittlerweile 43 Kapiteln und 1.239 Beiträgen hier (Stand von heute). Aber sie enthalten Bewegung und den friedlichen Wunsch nach Veränderungen. So lange sie den Rahmen der Gesetze beachten. Sonst wird ein Hauptthema von Richard Wagner immer lauter. Ein neues Kapitel, „Die Gesetze der Mystik“. Dabei gibt es keine Weltraum-Abenteuer im Universum, aber einen Eindruck davon, wie es aussehen könnte, wenn man nur will:
https://luft.mind-panorama.de/?s=gesetze+der+mystik&x=12&y=8
Die Welt wird immer kleiner, und man kann mit der Phantasie alle Grenzen überwinden. „Sheherazade“ ist der Name einer Märchenerzählerin, in den arabischen Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Im kalten Moskau hat Nikola Rimsky-Korsakow (1849 – 1922) das in die passenden Klänge verwandelt, schillernd, exotisch und auftrumpfend wie das Buch. Hier kann man das hören, in Beirut, unter der Leitung des Libanesen Lubnan Baalbaki:
https://www.youtube.com/watch?v=l4_6IgeFllo
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