Geld an der langen Leine

9.6.2021. Ein großer Garten ist für Kinder ein Abenteuerspielplatz, mit harmlosen Tieren und Pflanzen. Nimmt man eine leere Geldbörse und befestigt daran ein langes, dünnes Seil,  wirkt sie auf dem benachbarten Gehweg wie eine Beute für Fußgänger. Das lässt sich planen, und jedes Mal, wenn ein Fremder sich bückt, zieht man an dem langen Band, so dass die Geldbörse sofort aus seiner Reichweite verschwindet. Interessant ist also nicht die leere Ledertasche, sondern die Reaktion darauf und das Gelächter. Die Werbepsychologie hat das verfeinert. Ein einziges Waschmittel wurde in drei verschiedenen Kartons verpackt. Die ahnungslosen Hausfrauen sollten die Qualität beurteilen. Das Ergebnis: Der Inhalt der blauen Verpackung war zu schwach, in der gelben Verpackung waren angeblich scharfe Zusätze, die den Textilien schadeten. Nur der blaue Karton mit den gelben Punkten bekam die besten Noten.

Täuschungsmanöver. Aber es geht noch besser. Wenn man im Internet anonym bleiben will, nützen keine Pseudonyme oder sprachlichen Verkleidungen etwas. Die Programmsprache „Tor“ aber verschlüsselt für Nutzer jede Nachricht besonders raffiniert, wird dann weltweit über zahllose, separate Computer gejagt und lässt sich bis heute technisch nicht knacken. Trotzdem ist das gar nicht schwer. Jeder Teilnehmer hat eine persönliche Wortwahl, sprachliche Eigenarten, Lieblingsthemen und noch mehr Erkennungszeichen. Mit Hilfe von Suchmaschinen kann man ihn anschlißend finden, und bei Faceboook steht oft noch mehr  private Geheimnisse, ganz offen. Mit jedem Smartphone lassen sich verbotene Privatfotos von Fremden in der Straßenbahn machen. Suchmaschinen vergleichen auch diese  Bilder mit ähnlichen Figuren weltweit im Internet, und schon kann man sie mit Handschlag begrüßen oder allgemein bekannt machen.

Wenn das allgemein bekannt wäre, brauchte man hier nichts dazu schreiben. Aber sobald man an der frischen Luft spazieren geht, sieht man die Foto-Handwerker, wie sie tippen und tippen. Das kann sehr teuer werden, mit strengen Strafen und Entschädigungszahlen. Und die meisten Mitspieler sehen nicht aus wie steinreiche Millionäre, im Gegenteil.

Ich habe hier schon oft Beispiele für Fälle genannt, in denen selbst die berufliche Kriminalistik die bereits vorhandenen Möglichkeiten gar nicht anwendet. Die Gründe sind Informationslücken, alte Gewohnheiten und eine irrtümliche Selbstsicherheit. Selbst bei einfachen Strafanzeigen werden Fehler gemacht. Sie müssen immer schriftlich protokolliert und unterschrieben werden, danach übernimmt die Staatsanwaltschaft mit ausgebildeten Volljuristen. Vorherige Bewertungen sind nicht zulässig. Wird ein Dokument aber gar nicht ernst genommen und einfach vernichtet, droht dem Bearbeiter ein sofortiges Hausverbot und ein Disziplinarverfahren, mit dem Ziel der endgültigen Entfernung aus dem Dienst.

Jetzt aber hat es einen weltweiten Donnerschlag gegeben. Unter dem Stichwort „Ironside“ (Eisenseite) haben internationale Fahnder eine neue App entwickelt und in harmlose Smartphones eingebaut. Diese App sollte dem Besitzer eigentlich absolute Anonymität garantieren und wurde nur, heimlich, an „beste Freunde“ verkauft. Tatsächlich war darin ein umfangreiches Überwachungsprogramm versteckt. Alle Gespräche der Täter wurden aufgezeichnet, auch sonstige Aktivitäten. Danach kam es zu einem gemeinsamen General-Schlag der Polizisten. Nur wenige Details sind bisher darüber bekannt, aber das ändert sich. Jetzt muss jeder einzelne Nutzer damit rechnen, dass auch in seinem eigenen Mobiltelefon ein paar Zuhörer sitzen. Grundsätzlich ist das zwar nichts Neues, aber hier hat man die bisherigen Fähigkeiten der Technik schlagartig gesteigert. Falsche Verdächtigungen, Lügen und Verkleidungen werden damit auch immer leichter erkennbar, zusammen mit den Beteiligten.

Angesichts dieser Aussichten kann man fragen, wie ein Kind: „Warum werden nicht alle Menschen jetzt gut?“ Weil sie es nicht können. Der Charakter lässt sich nicht verändern. Wer ein Lügner und Betrüger ist, bleibt das auch in seinem ganzen Leben, verkleidet sich aber immer raffinierter und täuscht. Dafür wird sogar die alte Überwachungstechnik missbraucht. Aber sie kann  immer besser unterscheiden, zwischen Lügen und Wahrheit. Keine schwere Frage. Die Zukunft wird zeigen, was genau daraus wird.

Doch die Vergangenheit ist wie ein unbekanntes Universum, in das Jeder eintauchen kann, um darin herumzureisen. In jungen Jahren gelingt  das nicht so perfekt, mangels Erfahrungen. Später kommen immer mehr Entdeckungen dazu. Wie man sie findet und dann bewertet, wird schon lange, auch hier  erklärt.

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