Haydns „Schöpfung“

27.10.2020. Joseph Haydn gelang nicht Alles. Er arbeitete am Kaiserlichen Hof in Wien und lieferte oft Gebrauchsmusik ab, klanglich zufriedenstellend, aber inhaltlich manchmal voll gepflegter Langeweile. Seine bedeutendsten Werke waren zwei. „Die Jahreszeiten“, mit einer beseelten Wiedergabe der materiellen Welt, die sich im Lauf eines Kalenderjahres verändert. Deshalb beginnt er mit dem Frühling, wenn die Natur wieder erwacht. Dann Sommer. Herbst. Die Zeit der Ernte. Und Frostschauer im Winter. Die beste Aufnahme stammt vom Dirigenten Karl Böhm. Er ist kein geheimnisvoller Mystiker, eher nüchtern, aber voller Freude an den Naturerscheinungen. Natürlich begleitet von Stars wie Gundula Janowitz. Martti Talvela, die auch das schwere Fach beherrschten.

„Schon eilet froh der Ackersmann zur Arbeit auf das Feld“. Das singt hier Martti Talvela:

https://www.youtube.com/watch?v=LCSaBsbY9YA

Haydns „Schöpfung“ ist wohl sein Gipfelwerk. Der Text verweist deulich auf die Genesis, die biblische Schöpfungsgeschichte. Und dazu fällt Haydn Viel ein.

Hier ist er nicht der konventionelle Hofkomponist des Kaisers, sondern lässt sich von den Worten inspirieren. Düstere Moll-Töne findet man vergleichsweise selten. Dafür jubeln die Solo-Stimmen und der große Chor. Die beste Aufnahme gelang 1969 Herbert von Karajan, bei dem sich die Stars nur so drängelten. Gundula Janowitz. Christa Ludwig. Fritz Wunderlich. Walter Berry. Dietrich Fischer-Dieskau. Und sein Orchester, die Berliner Philharmoniker, schlägt feurige Funken. Der Grundton ist Freude, wie im Finale von Beethovens Neunter Sinfonie. Dann alle Variationen des Jubels und der Hoffnung. Beschwingte Rhythmen. Keine langweiligen Leerstellen.

Schaut man sich die vielen Konzertverfilmungen an, so sind sie nicht begeisternd. Eine gedämpfte Tonqualität. Ordentliche Sänger. Und der Anblick eines großen Orchesters, das seine Pflicht erfüllt. Man will gar nicht lange hinschauen. Aber dann kommen wieder Klänge, die bei jedem Dirigenten sich anders anhören. Daraus ergibt sich ein imaginäres Idealbild. Das Gedächtnis speichert das. Und dann braucht man die ganzen Aufzeichnungen überhaupt nicht mehr, weil sie im Kopf jederzeit abrufbar sind.

Vom Text hier nur ein paar Überschriften: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und leer. Finsternis lieg auf der Tiefe. Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Er ist es, der seinen Saal in den Himmel gebaut und seinen Palast über der Erde gegründet hat, Wehe dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben!“ Das sind insgesamt 32 Bibelverse, die Haydn sehr stark inspiriert haben.

Gerade in einer Zeit, wo viele Probleme gewälzt, aber nicht gelöst werden, kann man mit dieser Musik abschalten und auf bessere Gedanken kommen. Das heißt ja nicht Verdrängung und Ignorieren der Realität, sondern mit einem Stimmungswechsel löst sich der Nebel und es wird heller.

Zitat aus der Lutherbibel: „Und Gott sprach: Es werde Licht! und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da trennte Gott das Licht von der Finsternis, und er nannte das Licht – Tag und die Finsternis – Nacht. Da wurde aus Abend und Morgen der erste Tag.“

Wer dafür kein Gespür hat, dem sagt vielleicht auch diese Musik nicht viel.

Sigmund Freud, der Gründer der Psychoanalyse, konnte auch mit schwierigen inneren Störungen seiner Besucher umgehen. Aber er hat sich niemals ausführlich zum Thema Musik geäußert. Dafür fehlte ihm einfach die Antenne. Aber sein Wahrnehmungsvermögen entdeckte die feinsten inneren Belastungen. Er analysierte ihre Ursachen und dämpfte sie. Ohne Medikamente. Ohne Druck. Das war mehr als genug für die ganze Menschheit. Hätte er auch noch musikalische Interessen gehabt, wäre das vielleicht nicht gelungen. Diese Arbeit haben ganz Andere gemacht.

Zum Beispiel ist die gründliche Deutung von bedeutenden Musikdramen ohne Freuds Gedanken nicht möglich. Ich habe das zum Beispiel hier gemacht, in bisher 18 Artikeln:

„Die Deutung der Symbole“

https://luft.mind-panorama.de/category/1-a-bayreuths-unsichtbare-weltuhr/1b-die-deutung-der-symbole/

Natürliche Begabungen werden manchmal gar nicht erkannt. Sie werden nicht gefördert oder von der Mehrheit verlacht. Niemand kann Alles wissen. In alten Zeiten haben Lehrer deshalb mit Strafen gedroht. Das nützt manchmal, sogar bei Faulheit oder Dummheit gar nichts. Entspannung ist viel wirkungsvoller. Und starke Begabungen setzen sich von selbst durch. Deshalb sind es noch lange keine verehrungswürdigen Genies. Die gibt es aber durchaus. Zwei Beispiele: Albert Einstein war ein ganz normaler Physiker am Züricher Patentamt. Er hatte Zeit genug, um über die erlernten Formeln nachzudenken. Dabei entdeckte er Auffälligkeiten, die eigentlich gar nicht sein durften. Und fand deshalb die Relativitätstheorie, nach der das eigentlich konstante Licht sich verändert durch die Faktoren Masse und Geschwindigkeit. Daraus entstand später die gesamte Elektronik. Sigmund Freud war ein Arzt, mit vielen anderen, an einem Wiener Krankenhaus. Dann bekam er es mit auffälligen Patienten zu tun, die zur übertriebenen Hysterie neigten. Er fand die Ursachen in einem riesigen Gedächtnis-Speicher, dem Unterbewusstsein, dessen Existenz noch Niemand vorher aufgefallen war. Dort fand Freud die Ursachen und konnte sie, mit seinen damals ganz neuen Methoden heilen.

So entstehen alle außergewöhnlichen Ideen. Auf den Gipfeln der Wahrnehmung befinden sich Richard Wagners zehn Hauptwerke. Sie vereinigen Text, Bilder und Musik zu einem großen Wunderwerk.

Darüber habe ich ein Kapitel geschrieben, mit bisher 18 Artikeln:

„Bayreuths unsichtbare Weltuhr“

https://luft.mind-panorama.de/category/1-a-bayreuths-unsichtbare-weltuhr/

Hier dirigiert 1969 Herbert von Karajan „Die Schöpfung“:

https://www.youtube.com/watch?v=SNGpKCafjE4

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