Herrenchiemsees Froschbrunnen

30.7.2020. Der französische Sonnenkönig Ludwig IV. baute das luxuriöse Prunkschloss Versailles, das bald in aller Welt bekannt war. Der bayerische Märchenkönig Ludwig II. tauchte dort auch auf und entwickelte am Chiemsee etwas Ähnliches, das nur etwas bescheidener ausgestattet war. Ludwig war bei seinen Untertanen sehr beliebt, aber er hielt sie auf Distanz. In seinem Schloss Neuschwanstein kam zum Essen ein gedeckter Tisch aus dem Fußboden in seine direkte Nähe, damit er das Hauspersonal nicht sehen musste. So ähnlich hat er wohl auch gedacht, als er auf dem Fußweg zu Herrenchiemsee einen Froschbrunnen hinsetzte, nach einer Geschichte des römischen Dichters Ovid. In seinen „Metamorphosen“ (Verwandlungen) wird die Göttin Latona von lykischen Bauern verhöhnt. Kurzerhand verwandelt sie die Spötter in quakende Frösche. Dem Märchenkönig gelang das bei seinen Kritikern nicht, aber er setzte ein Zeichen. Bei der bayerischen Regierung in München fiel er trozdem immer mehr in Ungnade. Er wollte ständig neue Märchenschlösser bauen, die sündhaft teuer waren. Die Minister fürchteten, das der ganze Staat Pleite gehen könnte. Daraufhin schrieb der Psychiater Bernhard Gudden ein gut bezahltes Gutachten, obwohl er mit dem König nie persönlich gesprochen hatte, sondern sich auf Gerüchte und Verleumdungen einiger Neidhammel und Brunnenvergifter stützte. Über Nacht wurde der König zum Wahnsinnigen erklärt und abgesetzt. Natürlich war er nicht verrückt, aber die Spitzenpolitiker hatten ihre aufgebauschten Bauprobleme gelöst und konnten einfach weitermachen, als wäre die Welt jetzt in Ordnung. Seelenfreundin Kaiserin Sissi war gerade ganz in der Nähe, am Starnberger See. Sie gab seinem Nachfolger die Schuld, dem Prinzregenten Luitpold. Der machte zwar gerne bei dem falschen Spiel mit, aber nur auf ausdrücklichen Wunsch der hinterlistigen Minister.

Für einen Aufsatz über die lykischen Bauern habe ich als Achtzehnjähriger im Lateinunterricht ein „Sehr gut“ bekommen, was damals keineswegs selbstverständlich war. Viele andere Zensuren sind im Nebel der Vergessenheit verschwunden, aber diese Geschichte tauchte kürzlich wieder auf, wie neu geboren und als Erinnerungsstück immer noch vorhanden. Hohn und Spott von hüpfenden Fröschen mussten Künstler und Könige immer ertragen. Als Sigmund Freud immer berühmter wurde, gingen die Hetze und die Gemeinheit der Kollegen und Mitbürger erst richtig los. Was für Lügen und Verdächtigungen über ihn verbreitet wurden, hat einen primitiven Unterhaltungswert. Das Geschwätz kann sogar zur genaueren Lektüre seiner frei verfügbaren Originaltexte reizen. Die naturwissenschaftlich, einseitig domnierte und lückenhafte Schule machte einen großen Bogen darum. Und das Lesen reicht ja nicht. Erst wenn solche Gedanken ein wichtiger Teil der eigenen Wahrnehmung werden, erkennt man auch die schweren Versäumnisse in Gerichtsprozessen, Fehlurteilen und der langwierigen Arbeit vorher. Meisterdetektive wie Sherlock Holmes, Nick Knatterton, Inspektor Maigret haben da ganz anders gearbeitet. Und gute, spannende Unterhaltung geliefert. Mehr nicht.

Es ist gar nicht möglich, mehr als einen begrenzten Ausschnitt der Wirklickeit zu erkennen. Aber man kann eine Auswahl treffen. In jedem Gespräch mit unbekannten Zufallsbegegnungen erkennt man rasch, welche Auswahl sie getroffen haben. Das kann langweilig sein, aber auch überraschende Einsichten vermitteln, die alte Panoramen ergänzen und bereichern. Immer wieder passiert es auch, dass man Informationen bekommt, die gar nicht für Fremde bestimmt sind, sogar an überfüllten Biertheken mit vielen Lauschern und Schwätzern ringsum. Da kann man nur mit Andeutungen auf die Bremse treten. Und selbst dann kann es sein, dass erkannte Fehler von klugen Köpfen nur als schnelle Blitzableiter dienen, um von eigenen Unvorsichtigkeiten abzulenken oder sie abzuschieben und zu vertuschen.

So kompliziert das klingt, ist es gar nicht. Vieles ergibt sich einfach aus vorher nicht geplanten Situationen. Wertvolles Porzellan muss man dabei nicht zerschlagen, sondern nur gut damit umgehen. Oder man hat die wertvolle alte Chinavase sowieso nicht leiden können. Fallen lassen hilft dann manchmal. Oder einfach weghören, wenn uneinsichtige Starrköpfigkeit die Hauptrolle an sich reißt. Dazu gehört auch hochdramatisches Schmierentheater, das fratzenschneidend den Rest der Welt belästigt.

Metamorphosen, Verwandlungen, sind auch bei Pflanzen und Tieren ein wichtiger Teil der Fortentwicklung. Geld ist zwar dabei hilfreich, kann aber auf Irrwege locken. Zwischendurch kann eine Bilanz die Aktivitäten bewerten. Deren Hauptprinzip ist Klarheit und Wahrheit. So steht es im Handelsgesetzbuch.

Variationen eines eigenen Rätselthema schuf Edward Elgar in seinen „Enigma“-Phantasien. Der eindringlichste Teil davon trägt den Namen des altorientalischen Herrschers Nimrod. Aber die Melodie hört sich an wie ein Stück von Gustav Holst (bekannt durch „Die Planeten“). Hier sieht man dazu ein englisches Naturpanorama:

https://www.youtube.com/watch?v=o6ZvylOSy5A

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