7.7.2021. Die ältere Generation erzählte oft vom letzten Weltkrieg (1939 – 1945), weil sie ihn noch selbst erlebt hatte. Beteiligt war der Vater nur in Köln, wo er als Pionier zerstörte Rheinbrücken reparierte. Vorher musste er in unserem Wohnort russische Kriegsgefangene bewachen. Er brachte ihnen täglich Lebensmittel mit, weil sie sonst nichts zu essen bekamen. Ringsum gab es große Wohnviertel, die nicht zerbombt wurden, auch nicht die Altstadt im Zentrum. Erst Anfang der Siebziger Jahre wurden dort alle Häuser abgerissen und durch gesichtslos, langweilige Neubauten ersetzt. Das nannte sich „Stadtsanierung“, aber das Ergebnis war eine Hauptstraße, deren Gebäude völlig gleich aussahen und deren Fassaden, einheitlich aus roten Klinkersteinen bestanden. Ungemütlich. Die Stadtverwaltung und private Eigentümer nahmen dafür hohe Kredite auf, die viele Jahre lang zurückzuzahlen waren und die verfügbaren Finanzen stark einschränkten. Kurz vorher war ich achtzehn Monate lang beim militärischen Pflichtdienst in der Bundeswehr. Eine ganz eigene Welt, aber wenn man später davon erzählte, zeigte die jüngere Generation nur genervte Gesichter oder sagte deutlich, „Das interessiert uns nicht.“
Es hat tatsächlich, seitdem keinen Krieg mehr in Europa gegeben. Das Militär war trotzdem in Alarmbereitschaft, weil die feindlichen Staaten des kommunistischen Ostblocks mit einem blitzartigen Durchmarsch drohten, bis zur Küste am französischen Atlantik. 1990 brach das Alles zusammen, die bewachten Grenzzäune verschwanden, und beide Teile von Deutschland vereinigten sich, ohne Gewalt. Seitdem ist es nicht zu vermeiden, dass die eingefrorenen Kontakte immer mehr auftauten. Jahrelange Freundschaften entstanden, und der beliebte sächsische Dialekt wurde auch in München ein Teil des Alltags, der immer bunter wurde.
Aus der ganzen Welt strömten schunkelnde Besuchermassen zum Oktoberfest, die fernen Australier waren Stammgäste. So lernt man das Denken anderer Menschen immer besser kennen, auch wenn es sich oft gar nicht lohnt und abschreckende Merkmale hat. Vor sechzig Jahren sollten wir, zur dunklen Weihanchtszeit, noch brennende Kerzen in die Wohnzimmerfenster stellen, als symbolischen Gruß für die armen deutschen Schwestern und Brüder im Osten. Das haben wir gern gemacht, aber genützt hat es ihnen damals gar nichts. Jetzt sind sie hier und fallen fast gar nicht mehr auf. Nur wenn man genauer zuhört. Aber auch das wird immer mehr ein verblassender Teil der Vergangenheit.
Das Militär hat seine herausragende Rolle bei Streitereien verloren. Schon der Märchendichter Wilhelm Hauff (1802 – 1827) schrieb: „Heute noch auf hohen Rossen. Morgen durch die Brust geschossen.“ Er meinte die Unberechenbarkeit des Kriegs. Und der chinesische General Sun Tsu (544 – 496 v. Chr.) erklärte: „Das Ziel des Kriegs ist nicht der Sieg, sondern der Frieden.“ Weil sonst die Krisen und Streitereien einfach weitergehen.
Bei diesem General kann man Strategie lernen. Ein sehr spannendes Thema. Er versetzt sich tief in die Gedankenwelt eines Gegners, entwickelt daraus eigene Ideen und Methoden. Für seinen Kaiser hat er Kriege gewonnen, aber seine Gedanken gelten in allen Spannungsgebieten, bei der Kunst, einen Staat zu führen, eine erfolgreiche Firma zu leiten und im Privatleben, wenn dort nicht die Dummheit nach der Macht greift.
Verfeinert hat sich die Strategie des Kriegs, die Militär-Taktik, die Methoden zur Planung und Vorbereitung. Außerdem die Technik. Aber das nützt nichts, wenn keine Köpfe mit Weitblick im Einsatz sind. Große militärische Geheimnisse habe ich von Beteiligten noch nie erfahren. Es galt aber immer, für alle Mitarbeiter, das Prinzip zur dienstlichen Verschwiegenheit, so wie bei Rechtsanwälten, Ärzten und allen Beamten. Wer das nicht beachtet, riskiert ein dauerndes Berufsverbot und ein Disziplinarverfahren, mit dem Ziel einer endgültigen Entfernung aus dem Dienst. Vor einigen Jahren kam ich mit einem sportlichen Menschen zufällig ins Gespräch. Wir redeten über allgemein bekannte Tagesnachrichten, und er ließ dabei Dampf ab. Plötzlich sagte er, „Ich darf nicht darüber sprechen. Es ist ein Dienstgeheimnis.“ Wir haben das Thema gewechelt und uns noch zwei Stunden lang gut unterhalten. Aus dem Zusammenhang ließen sich ein paar Lücken schließen, aber jede aufdringliche Neugier zerschlägt Porzellan, das gar keinen Wert hat.
Altmodische Erfahrungen. Die Zukunft hat ganz neue Regeln. Informationen werden sich immer mehr verbreiten. Wissenslücken machen neugierig. Offenheit wird deshalb, immer mehr unvermeidlich, auch Transparenz, Durchsichtigkeit bei Arbeitsabläufen und Organisationen. Wenn die Ziele sauber sind, stört das die Beteiligten nicht. Der Schutz vor Konkurrenz ist ein umfangreicher Teil unserer Gesetze. Fehler lassen sich niemals vermeiden, aber ihre Folgen lassen sich dämpfen.
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