25.9.2020. Der dicht bewaldete Hörselberg liegt in der Nähe des thüringischen Eisenach. Dort, auf der Wartburg, spielt eine Handlung, die zunächst den Titel „Der Venusberg“ bekam. Doch als der Textautor Richard Wagner erfuhr, dass Leipziger Medizinstudenten darüber frivole, respektlose Witze machten, nannte er sein Werk ganz neu: „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“. Die Hauptfigur, der mittelalterliche Minnesänger Tannhäuser, ist innerlich hin und her gerissen, zwischen niederer und hoher Minne, zwischen Lust und romantisch verklärter Liebe. Im Venusberg wohnt die Liebesgöttin Venus, zu der er immer wieder heimlich hinschleicht. Das darf seine Verlobte nicht erfahren, die heilige Elisabeth von Thüringen, die mit ihrem Vater auf der Wartburg lebt. Im turbulenten Sängerkrieg verrät Tannhäuser vor allen Anwesenden selbst seine Besuche bei Venus. Zur Strafe muss er nach Rom pilgern und dort den Papst persönlich um Vergebung bitten. Doch der verflucht ihn.
Wagner hat zwei verschiedene Fassungen des kontrastreichen Stoffs komponiert, mit keiner war er ganz zufrieden und seufzte, „Ich bin der Welt noch einen Tannhäuser schuldig geblieben.“ Die fromme, strenge Wartburg-Welt war für ihn kein Problem, aber die zweideutige Venusberg-Musik beendete er erst nach mehreren Anläufen. Die „Pariser Fassung“ wurde am 19.10.1845 in Paris uraufgeführt. Dabei kam es zum Skandal: Ein lärmender, adeliger „Jockey-Club“ störte ständig mit schrillen Trillerpfeifen, weil die gelangweilten Herren ein lockeres Ballett vermissten. Das lieferte Wagner nach. Hier gelang ihm eine völlig neuartige Orchestermusik. Fiebrig lodernd, aufgeputscht, ein vorher unbekannter, ganz neuer Schritt in der Musikgeschichte, mit exotischen und kühlen Klangfarben.
Im Jahr 2009 fuhr ich selbst auf der Autobahn am thüringischn Hörselbeg vorbei und besuchte auch die Wartburg. Im Festsaal schallte aus Lautsprechern, passend der „Einzug der Gäste“ aus Tannhäuser. Im nahen Restaurant lief ein Kontrastprogramm: Martin Böttchers Wildwest-Musik zu den Indianerfilmen mit Winnetou.
Hier kann man das hören:
https://www.youtube.com/watch?v=AC5jDsC5P9U
Nicht weit von der Wartburg ist Eisenach. Hier wohnte von 1498 bis 1501 Martin Luther, während seiner Schulzeit. Auf der nahen Wartburg versteckte ihn 1521 sein Kurfürst Friedrich der Weise, nachdem er sich hartnäckig weigerte, vor dem Reichstag in Worms und Kaiser Karl V. seine Kritik an der katholischen Kirche zu widerrufen und auch seine eigenen Ideen zur überfälligen Reformation der Kirche. Auf der Wartburg übersetzte Luther in kurzer Zeit die gesamte Bibel in die deutssche Sprache, mit eigenen, kraftvollen Worten, weil er „dem Volk auf das Maul“ geschaut hatte.
Solche revolutioären Ideen waren auch das Haupt-Thema von Richard Wagner. Seine „Meistersinger von Nürnberg“ spielen zur Reformationszeit, an Martin Luther erinnert der Text des Fest-Chors „Wach‘ auf!“ Das Preislied gewinnt ein junger Ritter, der sämtlicheTraditionen der Gesangskunst missachtet und ganz eigene Worte und Töne findet. So wie Wagner.
Vor Beginn der Festwiese preist ein hymnisches Quintett der wichtigsten Solisten die Sonne, „Morgenlich leuchtend“. Ein enger Freund Wagners war der Bankier Friedrich Feustel, der Großmeister der damaligen Freimaurer-Loge „Zur Sonne“, der für den Komponisten auch das Wahnfried-Grundstück vermittelte, das nur hundert Meter östlich vom Freimaurer-Gebäude liegt. Wagner selbst wäre gern Freimaurer-Mitglied geworden, aber Feustel riet ihm ab. Er wäre abgelehnt worden, wegen seiner Heirat mit einer geschiedenen Frau, Cosima, und wegen seines angeblichen Antisemitismus, der leicht widerlegt werden kann, aber seinem guten Ruf schon lange ein paar harte Dämpfer verpasste. Die Freimaurer bewunderten jedoch Wagner als überragenden Künstler und Vermittler zwischen dem „Allmächtigen Baumeister aller Welten“, also Gott.
„Morgendlich leuchtend“, das selige Quintett vor der Festwiese, ist eine Anspielung auf die Himmelsrichtung Osten, wo in alten Kirchen der Altar steht und vom ersten Morgenlicht angestrahlt wird. Das ist auch ein Thema der bereits erwähnten Freimaurer-Loge „Zur Sonne“. Die Sonne ist der stärkste Energiespender auf dem Planeten Erde. Die höchste Stufe des Lichts der Erkenntnis ist die Erleuchtung, die Vereinigung des Menschen mit den Zeichen Gottes, die er erkennen kann. Die „Unio mystica“, die mystische Vereinigung.
Blickt man von der Mitte der Besucherterasse des Festspielhauses mittags nach Süden, sieht man genau, in der Ferne den Turm der Bayreuther Stadtkirche. Eine eindeutige gedankliche Verbindung, die man sogar auf Fotos erkennt.
Die beiden letzten Wagnerwerke, Meistersinger und Parsifal, sind voll ähnlicher, gut versteckter Anspielungen. Wer 1883 den separaten Sonderzug aus Venedig, mit dem toten Komponisten, bezahlt hat, kann man sich denken. Jetzt liegt er ganz in der Nähe.
Außer Eisenachs Wartburg sah ich 2009 noch die Stadt Weimar. Vor dem dortigen Nationaltheater stehen überdimensionale Skulpturen von Goethe und Schiller. Sie schufen Meisterdramen, mit gesprochenem Text und Bühnenhandlung, aber ohne Musik. Den fehlenden dritten Teil des Tryptichons, die Musik, brachte erst Wagner. In einer Vollkommenheit, die auf der ganzen Welt nicht gelang. Sein Erbe ist an keinen festen Ort gebunden. Daraus lässt sich etwas machen.
Sinnvolle Vorschläge dazu habe ich oft veröffntlicht. Dieses Jahr finden zwar keine Theater-Aufführungen statt.
Aber man kann für das ganze Jahr in Bayreuth atraktive Ziele ganz neu schaffen. Gute Einnahmequellen.
Wegen schlechter Erfahrungen muss an das gesetzliche Urheberrecht erinnert werden. Für jede realisierte Idee ist ein marktübliches Beratungshonoror zu bezahlen. Oder eine Lizenzvereinbarung. Teile des Geldes können jederzeit als Spende von der Steuer abgesetzt werden. Heimlichtuerei hat in Zukunft keinen Sinn. Alle Finanzströme können auch nachträglich festgestellt werden.
Wieland Wagners Superstar Wolfgang Windgassen singt Tannhäusers erschütternde „Romerzählung“, faszinierend wie kein Anderer:
https://www.youtube.com/watch?v=rNv2axsRZQU
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