James Wagner aus New Orleans

22.12.2020. An den amerikanischen Tenor James Wagner erinnere ich mich gern. Er ist leider schon 2003 verstorben, an einem Schlaganfall. 1982 traf ich ihn zufällig am Prinzipalmarkt in Münster, das er später verließ, um in München Rollen zu übernehmen. Damals bereitete er sich gerade vor, auf die Weihnachtspremiere von Mussorgskys „Boris Godunow“. Er sang den falschen Dimitri, der den Zaren Boris Godunow bedroht und dann sein Nachfolger wird. Das Stadttheater Münster hatte sämtliche Solisten im Einsatz. Die aufwändige Ausstattung stammte aus Karajans „Boris“ in Salzburg. Alfred Walter leitete eine unvergessliche Vorstellung, und ich habe keine versäumt.

Einmal besuchte James mich, als ich gerade eine Musiksendung über Maria Callas anschaute. Er sang dabei mit, im hohen Falsett und sehr laut, als müsste er ein riesiges Opernhaus füllen. Aber das war nur ganz kurz.

In München war er im September 1987 der einzige Mensch, den ich dort kannte. Gleich hat er mich eingeladen, in seine Wohnung an der Münchner Freiheit. Dort stand auf einem schwarzen Konzertflügel ein persönlich signiertes Porträt des spanischen Königs Juan Carlos, vor dem er einmal gesungen hatte.

Mit Opernfreunden habe ich auch ganz andere, schlechte Erfahrungen gemacht, aber nur, wenn sie sich für Opern gar nicht ernsthaft interessierten, sondern nur für reiche Kontakte oder  ihre eigene Selbstdarstellung, für teure Garderobe, Pausengeschwätz und mit starkem finanziellen Interesse an reichen Einzelgästen. Ich habe sie gemieden, aber sie waren immer da, in unterschiedlicher Aufmachung und Verkleidung, aber innerlich gelangweilt.

Deshalb habe ich seit 2012 kein Opernhaus mehr betreten, aber nicht die Freude an der Musik verloren. Ich bedauere trotzdem die aktuelle Total-Schließung, weil auch viele gute Künstler davon betroffen sind. Sie bekommen Geld nur dann, wenn auch eine Vorstellung tatsächlich stattfindet. Die Prominenten haben sicher vorher Geld gespart, aber die Unbekannten sind arm dran.

Einmal sprang James sogar für den berühmten Luciano Pavarotti ein. Er sollte im Münchner Olympia-Stadion die Solo-Partie in Verdis „Resuiem singen, sagte aber im letzten Moment ab. James stand zu Hause gerade ahnungslos unter der Dusche, übernahm aber die Partie und war dabei im Fernsehen zu sehen.

Weil wir uns gar nicht so oft sahen, gab es auch nie Streit. Aber ich habe ihn oft auf der Bühne gesehen, wegen der Rollen mit weiß geschminktem Gesicht, weil er ein Farbiger war. Wenn er mich sah, hat er herüber gewinkt. Eine Lichtgestalt, im Vergleich mit dem sonstigen Opernpublikum, das sich selbst viel zu wichtig nahm. Wer gut arbeitet, ist auch nicht arrogant und hinterhältig. Zeit ist jetzt genug vorhanden, für Alle, um darüber nachzudenken. In Zukunft wird auch die Opernwelt sowieso völlig anders aussehen. Hier findet man auch dazu bereits fünfzig Beiträge.

Martha Mödl, eine berühmte Wagnersängerin, sagte mir anderthalb Jahre vor ihrem Tod am 17.12.2001: „In der Opernwelt findet man keine Freunde. Wenn man länger Applaus bekommt als die Anderen, sind sie neidisch, und das bekommt man auch zu spüren.“ Begraben ist sie auf dem Münchner Ostfriedhof. Bei der Trauerfeier dort war ich dabei, mit zahlreicher Opernprominenz. Auch Festspielleiter Wolfgang war da. Gesehen habe ich ihn dabei, zum ersten und auch letzten Mal. Aber seine langen Jahre sind ein eigenes Kapitel in Bayreuth. Sein früh verstorbener Bruder Wieland schaffte, von 1951 bis 1966, dort eine unfassbare, geniale künstlerische Revolution, über die ich hier schon fast fünfzig respektvolle Beiträge geschrieben habe.

Aus der damaligen Vorstellung in der Olympiahalle, die ich damals auch für James Wagner aufgezeichnet habe, singt er hier das eindringliche „Ingemisco“ aus Verdis „Requiem“ :

https://www.youtube.com/watch?v=8JG3x2N6Zgg

 

 

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