27.1.2020. Franz Kafkafkas Kurzgeschichte „Vor dem Gesetz“ handelt von einem Mann, der vor einem weit offenen Tor steht, das aber von einem Aufpasser bewacht wird. Er traut sich deshalb nicht, weiterzugehen und wartet darauf, dass er ein Zeichen bekommt. Das geschieht aber nicht. Viele Jahre vergehen. Kurz bevor er stirbt, hört er noch die Stimme des Wächters, „Dieses Tor war nur für dich bestimmt. Ich werde es jetzt schließen.“
Das klingt rätselhaft, lässt sich aber auflösen. „Das“ Gesetz ist das Universalgesetz. Die Weltformel, die aus zahllosen Untergesetzen besteht. Der vegeblich wartende Mann weiß nicht, dass die Tore zur höchsten Erkenntnis bereits weit für ihn geöffnet sind. Doch er lässt sich durch die Person der Wächters einschüchtern und wagt den letzten Schritt nicht.
Was ist das Universalgesetz? Man erkennt es dann, wenn etwas nicht funktioniert, wenn Abläufe falsch verlaufen, wenn Geschäftsergebnisse nicht stimmen und Niemand wagt, etwas ernsthaft dagegen zu unternehmen, obwohl ganze Staaten darunter leiden. Schon im Jahr 1860, vor 160 Jahren, gelang Giuseppe Garibaldi die politische Einigung Italiens. Eine große Leistung, aber die ökonomischen Probleme und Unterschiede zwischen Nord und Süd haben sich seitdem kaum verändert, also auch nicht verbessert.
Der Meisterregisseur Vittorio de Sica schuf vor siebzig Jahren einen Kinofilm „Das Gold von Neapel“, der mit folgender Episode beginnt. Eine arme Familie, die Eltern und zwei Kinder, sitzen in ihrem Wohnzimmer, als plötzlich die Tür aufgeht. Ein schwergewichtiger Mann mit finsterem Gesichtsausdruck teilt ihnen mit, „Ab sofort wohne ich hier.“ Tatsächlich benutzt er Alles, liegt allein im Ehebett der Eltern, meckert am servierten Essen herum, lädt sogar seine Freunde zu Mahlezeiten ein und entschuldigt sich, „Leider kann ich euch keine bessere Wohnung anbieten.“ Wenn er zwischendurch mal weg ist, überlegt die Familie gemeinsam, was sie eigentlich machen kann. Sie haben keine schlauen Ratgeber aus der Consulting-Branche, keine Polizeit, die ihnen hilft und natürlich auch keinen Spitzenpolitiker als Freund. Schließlich machen sie trotzdem etwas. Das Einzige, was in ihrer Situation möglich ist. Als er wieder mal die Wohnungstür aufknallt, stehen sie alle nebeneinander und schreien mit lauter Stimme, „Hau ab! Hau ab!“ Sie hören einfach nicht auf. Und tatsächlich. Der unerwünschte Besucher geht schweigend. Und kommt nicht wieder.
Was hier im ganz kleinen Rahmen abläuft, ist im großen natürlich so nicht möglich. Aber aus vielen Gesprächen weiß ich, dass oft noch nicht einmal Ansätze dafür bestehen, dass es Tausende von Zeitungskommentaren seit Jahrzehnten zu derartigen Problemen gibt. Aber es passiert nichts, das wirklich neu ist. Die Gesetze in Europa sind sich sehr ähnlich, aber ihre Anwendung läuft sehr unterschiedlich ab. Wie in Kafkas Kurzgeschichte stehen Millionen Menschen immer noch draußen „vor dem Gesetz“ und wagen nicht, durch die weit offene Tür hineinzugehen. Aber wenn die „Säulen der Gerechtigkeit“ nicht beachtet werden, kommen Krisen, steigern sich Spannungen und Länder, die längst steinreich sein könnten, steuern auf den Staatsbankrott zu, auch wenn es immer wieder gelingt, das zu verzögern.
Das gesamte Spektrum aller Farben besteht nur aus drei Gundtönen: Blau, Gelb und Rot. Wenn man sie gut mischt, werden daus unendlich viele neue Farbtöne. Rückwärts betrachtet, lassen sich viele engelöste Problem auf wenige, überschaubare Ursachen reduzieren. Auch die physikalische Erde besteht nur aus vier Grundelementen: Wasser, Erde, Feuer, Luft. Aus ihnen haben sich in Millionen Jahren alle anderen lebendigen Formen entwickelt. Zum Wasser gehört bekanntlich die Farbe Blau, zum Feuer Gelb und Rot, die Farbe des Bodens kann gelb, braun sein oder andere Mischformen enthalten. Da sich im Wasser die Farbe der Luft und des Himmels spiegeln, wird hier oft eine Verbindung mit dem Blau des weiten Himmelsgewölbes hergestellt. Darüber, im Kosmos, im Univerum vermuteten schon dier Kulturen der Antike vor zweitausend Jahren den Wohnsitz der Götter, die alles Leben erschaffen haben.
Darum haben mittelalterliche Kirchen immer Türme, die dorthin, zum Himmel zeigen. Damals wurden auch die ersten riesigen Kathedralen gebaut, von freien Handwerkern, die sich ihre Arbeitsstellen in ganz Europa auf langen Wanderungen selbst aussuchten. Die Architekten dieser Epoche waren Meister, die mit den Säulen, Fenstern, Rundbögen ein irdisches Abbild des Paradieses erschaffen wollten. Ohne handwerkliche und gedankliche Meisterschaft geht das nicht.
Wer die Gesetze der Baukunst nicht versteht, kann auch ihre Regeln nicht anwenden. Und das gilt für die Regeln aller anderen Bereiche auch.
Wenn in einem Land wichtige Regeln nicht beachtet werden und vor Allem kein ökonomisches Gleichgewicht herrscht, wird die ganze Struktur im Inneren ausgehöhlt und nähert sich Schritt für Schritt dem Zusammenbruch. Das kann sehr lange dauern. Aber es kann, gerade bei den heutigen technischen Möglichkeiten, auch viel schneller gehen, wenn nicht sauber analysiert und bewertet wird. Dabei es gibt wirksame Mittel, um die Marschrichtung zu ändern oder umzudrehen. Jeder kann die Methoden und Chancen sich selbst im Internet zusammensuchen. Dann fehlt es nur noch an einem Willen zur Realisierung and an funktionierenden Netzwerken, die ihre Energie miteinander verbinden.