Kafkas weit offene Tür

4.8.2021. Fragt man einen lebhaften, aktiven Menschen nach seinen Erinnerungen, hat er ein Problem damit: Die wichtigsten Alltagstätigkeiten sind gespeichert und funktionieren automatisch, wie das Autofahren. Und sonst? „Da ist nur noch ein Nebel.“ Das Gedächtnis hat sortiert. Als Dreißigjähriger ist  das Hamster-Rad unermüdlich in Bewegung. Drinnen ist im Gedränge kaum noch Platz, und es wird nur noch gestrampelt, um Geschwindigkeitsrekorde zu übertreffen. Manchmal fließt dann das höchste Gehalt und bügelt alle Seitenwege platt. Dabei wird sehr viel Schrott produziert. Mittelmaß versperrt die  Spitzenpositionen, versperrt  echte Qualität. Langeweile und Schwerfälligkeit übernehmen die Macht.

Das könnnen sehr nette Menschen sein. Drei Jahre lang hatte ich viele Gespräche mit einem Zufallsbekannten von unterschiedlichen Stammplätzen. Er hatte erstaunlich Vieles zu erzählen, kannte sehr wichtige Leute, war dabei aber nicht sehr großzügig geworden. Freibier gab es fast nie, und die Konkurrenz wurde saftig kritisiert statt sich über fremde Erfolge zu freuen.

Das kann sich im Lauf der Jahre völlig ändern. Selbst aus der weit entfernten Kindheit tauchen immer mehr Bilder auf, die sich öffnen und die Umgebung vergrößern, in der sie entstanden sind. Nach dem letzten Krieg 1945 hatte eine ganze Generation mit dem Wiederaufbau der zerstörten Städte in Deutschland zu tun und dem Aufbau eines ganz neuen Staats, auch dessen kleinen Seitentüren und Dachfenstern. Was da genau ablief, verstand man als Kind gar nicht, aber später wurde es, auch durch ähnliche Situationen, immer deutlicher. Erst jetzt, in den großen Krisen auf der ganzen Welt, werden auch die alten Schwachstellen wieder sichtbar, so wie man sie damals geschlossen hat und warum es heute nicht geschieht. Dabei zählen nicht die vielen Nebensachen, sondern die Schalthebel, mit denen große Maschinen gesteuert wurden, also die Regeln und Methoden. Manchmal reicht ein einziger Satz, um große Türen zu öffnen. Geschieht das niemals, folgt eine eisige Überraschung, wie in einer eindrucksvollen Erzählung von Franz Kafka: „Diese Tür war nur für dich geöffnet. Jetzt werde ich sie schließen.“ Dieser Hinweis ist das Ende von Kafkas Kurzgeschichte „Vor dem Gesetz“. Am 27.1.20 habe ich dazu einen Kommentar geschrieben:

https://luft.mind-panorama.de/kafka-vor-dem-gesetz/ 

Kafka verlegt sein Thema in die tiefenpsycholgische Ebene: Wer draußen,  vor der weit offenen Tür des Gesetzes stehen bleibt, dem wird sie schließlich vor der Nase zugeschlagen. Man kann aber den Horizont noch weiter öffnen, wie einen weiten Himmelsbogen, den auch  hier alle Kommentare bearbeiteten und der über 40 Kapitel (Kategorien) umspannt.

So abwegig ist das gar nicht. Die Presse schreibt: „Zwei Weltraumteleskope haben eine der exotischsten Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie bestätigt. Die Raumzeit um Schwarze Löcher wird so extrem verzerrt, dass sogar Regionen direkt hinter diesen Objekten sichtbar sein können. Doch direkt nachgewiesen wurde das bisher nicht.“ Jetzt ist das gelungen. Schwarze Löcher lassen keinen einzigen Lichtstrahl in ihr Inneres, haben aber eine riesige Energie und  können  andere Nachbarplaneten vollständig auffressen. Das Alles ließ sich bisher nur berechnen, jetzt ist es nachgewiesen.“

Schwarze Löcher sind in der Umgangsprache, auch oft als Witz, alle Sachen, die spurlos verschwinden. Gegenstände und Gedanken. Meistens ist das kritisch gemeint, als Zeichen für Schlamperei und Unfähigkeit. Im Beruf erlebt und hört man das ständig oder kommt selbst darauf. Denn die meisten Leute brauchen ein eigenes Gehalt oder klauen sich fremdes Eigentum zusammen.

Da gibt es noch mehr Vergleiche mit einem  echten Himmelsbogen, dem nächtlichen Sternenhimmel, der viele Geheimnisse enthält, die im Altertum von auserwählten Zauberern und Magiern gedeutet wurden. Bestätigten sich ihre Erkenntnisse durch Tests mit ähnlichen Abläufen, war damit die Richtigkeit bewiesen. Allerdings längst nicht die Vollständigkeit. Die Werbepsychologie will Waren verkaufen, möglichst viele. Aber sie hat große Lücken. Die aufdringliche Holzhammer-Methode, mit dummen Sprüchen, Superlativen und ständigem Gelächter, schreckt ab. So wie aufdringliche Menschen, die ständig Nebensachen  reden oder falsche Spiele beginnen.  Das ist leicht zu durchschauen. Trotzdem ändert sich nicht viel. Neue Wege sind dagegen  sehr wirkungsvoll, wenn sie ein gutes Echo haben. Aber wer findet sie? Trauerweiden hängen im Wind herum und werden dabei nass. Das ist ganz natürlich, aber es darf nicht das Hauptmotiv für den Rest des Lebens sein.

Das Paradies auf Erden gibt es nicht, aber manchmal nähert es sich. Wenn Logik, Gerechtigkeit im Denken, Menschlichkeit  und Phantasie die richtigen Regeln verwenden. Zum Beispiel in Bachs Orchestersuite Nr. 3:

https://www.youtube.com/watch?v=FuMtEof9MWs

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