Mare Nostrum

18.11.2020. Die Naturphänomene der vier Ur-Elemente faszinieren auch den modernen Menschen, selbst wenn er das gar nicht mehr bewusst bemerkt. Das elementare Feuer ist auch das Merkmal der stärksten Energie, der Sonne. Der feste Erdboden ist das Fundament für alle Lebewesen. Die Luft enthält den Sauerstoff, der zum Atmen notwendig ist. Und die Himmelsfarbe Blau spiegelt sich in den Ozeanen, ist gleichzeitig aber auch das Symbol des Geistes, der alle Ideen erzeugt und viele verwirklichen kann. Als Viertes bleibt noch das Wasser, in dem alle Lebewesen entstanden. Das Land mit der größten prozentuale Wasserfläche an seinen Ufern, im Westen und Osten, ist Italien.

Vor zweitausend Jahren herrschten in ganz Europa die Römer. Sie hatten die vorherigen Hochkulturen abgelöst: Das einflussreiche Ägypten der Pharaonen und das antike Griechenland. Dann breiteten sie sich kraftvoll nach Norden aus, kamen bis England und zwangen der damaligen großen Welt ihren Willen auf. Das Mittelmeer hieß lateinisch Mare Nostrum („Unser Meer“), obwohl dort auch andere Völker lebten.

Nach dem schleichenden, aber unvermeidlichen Untergang des morschen, baufälligen und abgewirtschafteten Imperium Romanum, gab es, viel Später, eine Wiederbelebung (Rinascimento) in der Renaissance-Zeit, vor fünfhundert Jahren. Die Stadt Florenz und die Fürsten Medici leuchteten damals, in ihrer Zeit, mit materieller Pracht und geistiger Höhe. Dante schrieb seine „Göttliche Komödie“ (Comedia Divina). Macchiavelli setzte im „Fürsten“ (Il Principe) die Grenzen des Machthabers außer Kraft. Er durfte Alles, denn „der Zweck heiligt die Mittel“, also auch die bösen. Der römische Papst Alexander VI. machte damit seinen Familiennamen Borgia berühmt und berüchtigt. Die Zustände in der Hauptstand entsetzten Martin Luther. Trotz öffentlich verkündeter Todesstrafe gegen ihn gründete er eine ganz neue Kirche, die immer stärker wurde. Das vorhergehende Mittelalter hatten, bis zu seiner Geburt bereits die Deutschen im damaligen Machtzentrum, dem Frankenland, dominiert. Karl der Große wurde am ersten Weihnachtag des Jahres 800 im Aachener Dom zum Kaiser gekrönt, vom römischen Papst Leo III. persönlich. Seit sechzig Jahren sind die lebenden Nachkommen des römischen Weltreichs, in dem auch Christus starb, hier Gastarbeiter, vor Allem im deutschen Ruhrgebiet und in München, das sie Monaco nennen, wie den selbständigen Zwergstaat westlich von San Remo. Sie bilden hier eine, optisch unübersehbare nationale Gemeinschaft und stammen mehrheitlich aus Süditalien, den Regionen des Mezzogiorno (Mittagsland). Die römische Zentralregierung hat sie damals gern und schnell gehen lassen, damit das restliche Geld im Land für ganz andere, teilweise nutzlose Zwecke ausgegeben werden konnte, aber nur ganz vorsichtig und sparsam für den Süden. Das fehlende oder verschwundene Geld dafür kam von den Gastarbeitern in „Monaco Tedesco“, von denen auch die jahrzehntelangen, unveränderten Regierungen treu unterstützt wurden, vor Allem die beiden berühmten Politiker Andreotti und Berlusconi, die oft in den Sensations-Schlagzeilen standen, aber immer wieder weitermachen durften. Die lustigen Sprüche von Berlusconi sind unvergessen, der als Schlagersänger auf Mittelmeer-Schiffen begann und das Reisepublikum begeisterte. Andreotti dagegen war ganz still. Weil er nicht viel sagte, blieb er jahrzehntelang Ministerpräsident, und viele blauschwarze Nacht-Geschichten über ihn sind unvergesslich. Dazu sagte er gern, „Ich kenne diese Leute nicht“, wenn sie ihn beschuldigten.

Die geographische Form des italienischen Staats ist ein großer Reiterstiefel, ein militärisches Symbol. Kein glattes Leder, denn der Umriss entspricht der Mode der glanzvollen Renaissance-Zeit, als man einen vornehmen Ritter als „Cavaliere“ bezeichnete, dessen Soldaten tapfer für ihn und sein Land kämpften, der aber aber auch gern fürstlich feierte und viel Geld hatte. Belusconi hatte auch den Ehren-Namen Cavaliere, aber man weiß nicht genau, wie das gemeint war. Als er zurücktrat, hat er laut gelacht, wie immer. Melencolia, Traurigkeit und Tristesse, waren Sache der Anderen.

Das ganze Land, nördlich und südlich von Neapel, hat der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi 1860 politisch vereinigt, aber nicht ökonomisch, also auch nicht die starken sozialen Ungerechtigkeiten beseitigt. Doch es gibt immer eine Lösung: Die Gastarbeiter, seit sechzig Jahren. Nette Menschen, aber die Anderen – sind auch da. Wie überall auf der Welt. Diskret und unauffällig, wenn man vorher nur an Pizza und Wein, aus Süditalien denkt.

Seit meiner Jugend waren die braungebrannten Menschen aus dem Mezzogiorno ein fester Teil des Straßenbildes, auch in den Kleinstädten. Und wer sich für Musik interessierte, bekam auch das, was er verdiente. Schlager, wie bei den Berlusconi-Reisen und Abenteuern, und gute Filme, wie von Fellini und Vittorio de Sica. Der Kino-Meister Luchino Visconti war geleichzeitige ein angesehener Spezialist für Operninszenierungen. Seine großen Spätwerk kreisen um die deutschen Fabrik-Industriellen im Ruhrgebiet, wo er viele Landsleute traf, danach beschäftigte ihn der „Tod in Venedig“ eines deutschen Komponisten, und zuletzt der bayerische Märchenkönig Ludwig II. Die leben zwar alle schon lange nicht mehr, aber in Viscontis bedeutenden Filmen sind sie sehr lebendig.

Auch die Träume von der glanzvollen Zeit des längst untergegangenen römischen Weltreich sind sehr lebendig. Als Mussolini und Hitler ihren eisernen „Stahlpakt“ unterschrieben, 1939, kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, versprach der „Duce“ (Führer) aus Rom großzügige militärische Unterstützung. Dafür schenkte ihm Hitler ganz Südtirol, das ihm gar nicht gehörte.

Am 15.11.2020, schrieb ich in dem Artikel „November in Südtirol“: „

„In den kleinen Orten der Steiermark begann gerade die Morgendämmerung, rot glühend hinter dem einsamen Hochgebirge. Auch in Südtirol, wo man alle Straßenschilder in Deutsch und Italienisch anschauen konnte. Weil die ganze Region zum Staat Italien gehört. Grund: Der „Stahlpakt“ wurde am 22.5.1939 in Berlin unterzeichnet, kurz vor dem Kriegsbeginn. Hitler und Mussolini vereinbarten eine stärkere militärische Zusammenarbeit, und der Stahlpakt sollte das ewig besiegeln.

Das harte Ende des Stahlpaktes kam jedoch mit Mussolinis Absetzung am 24./25. Juli 1943 und der folgenden Kriegserklärung  Italiens an Deutschland. In den Sechziger Jahren versuchten militante Deutsch-Südtiroler, Hitlers Stahlpakt wieder rückgängig zu machen, auch mit Bombenanschlägen, aber Italien gab keinen Millimeter nach. Südtirol ist heute die reichste Region des ganzen Landes. Als süditalienische Gastarbeiter in den Sechziger Jahren nach Deutschland auswanderten, hingen an einigen Südtiroler Hotels Schilder auf Deutsch: „Wie nehmen keine Süditaliener auf.“ Für die aber war es dann nur nur noch ein kurzer Sprung über die Staatsgrenze in den Alpen, nach München oder in das Ruhrgebiet. Seitdem klappt diese nord-südliche Vereinigung, zur gemeinsamen Zufriedenheit. Die Deutschen essen gern viel Pizza, Gelato oder trinken Wein aus Sizilien. Die italienischen Elite-Persönlichkeiten bleiben unauffällig, aber man erkennt sie an der schwarzblauen, eleganten Garderobe. Die Farbe der Nacht war schon in der Antike das Erkennungszeichen der mächtigen Zauberer und Magier, die den nächtlichen Sternhimmel deuten und die Zukunft voraussagen konnten.

Die alten Fehler in Südtirol lassen sich nicht mehr ändern. Europa muss eine lebendige Einheit sein, aus vielen einzelnen Regionen. Nicht für Köpfe von vorgestern, die nutzlose Spannungen anheizen und aufwärmen.

Die aktuellen Fehler der Gegenwart kann man in keinem Land einfach wegzaubern. Da gelten die eisernen „Gesetze der Ökonomie“. Auch in Deutschland verschlechtern sich die Zahlen. Die Einnahmen stürzen ab, die Ausgaben bleiben.“

Nur das nördliche Tirol blieb bei Österreich, wo Hitler geboren wurde, aber sein Heimatland 1938 sich selbst schenkte und zum festen Teil des Großdeutschen Reichs machte, als „deutsche Ostmark“. Der Zweite Weltkrieg endete danach, auch juristisch, ganz und gar vor 75 Jahren. Österreich war danach wieder ein eigener Staat, mit der Hauptstadt Wien, aber Südtirol blieb trotz aller jahrelangen Proteste einfach bei Italien, weil es die reichste Region im ganzen Mittelmeer-Staat ist. Die armen Gastarbeiter aus dem tiefen Süden fahren aus München dort nur vorbei, an Innsbruck und über den Brenner im Hochgebirge, ganz schnell, um das Geld für ihre treuen, wartenden Familien in Neapel und noch weiter im Süden zu sparen.

Das Alles lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Die beteiligten Staaten führen keine Kriege gegeneinander. Das ist die Hauptsache. Alles Andere lässt sich regeln.

Viele Staaten träumen von ihrer untergegangenen Größe, auch Russland und China. Die Welt hat sich aber stark verändert. Die Zukunft gehört den elektronischen Netzwerken, die mittlerweile, verfassungsrechtlich den Rang eines garantierten Grundrechts haben, wie Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. Der freie Zugang zu Informationen muss von den Regierungen frei gehalten werden werden, auch in Gefängnissen. Falls sich Einzelne das nicht leisten können, müssen die Staaten das finanzieren, im Voraus.

Die Vorteile für Alle sind bekannt. Die Risiken leider nicht immer. Netzwerke können Leben retten, aber auch beschädigen. Geheime Kanäle müssen hundertfach überprüft werden. Dabei ist schnell feststellbar, ob sie guten Projekten dienen. Sonst muss Alles, was abläuft, offen passieren, transparent und nachprüfbar werden. Ich habe schon oft über dieses Thema geschrieben, aber realisieren müssen das viele Andere, ohne egoistische Eigenmächtigkeiten. Alleinherrschende Kaiser und Könige, auch immer mehr Diktatoren, haben heutzutage nicht mehr viel zu bestimmen, aber unauffällige Experten können auch großen Schaden anrichten, wenn sie dafür Macht und viel Geld gewinnen. Für sich selbst.

Die Methoden dafür sind illegal und schaden der Gemeinschaft, sind aber oft nicht einmal bekannt oder werden verschleiert. Helles Licht löst jeden Nebel auf.

Die Spuren sind manchmal noch schwer zu erkennen, weil die dabei verwendeten Methoden lückenhaft oder falsch sind. Alle Auffälligkeiten und Schwachstellen können aber stark verbesserte Computerprogramme entdecken und Alarm schlagen. Das wird die Welt nicht heilen und alle Probleme sofort beseitigen, aber es ist der richtige Weg dorthin. Manche wollen das verhindern, auch ich habe das, viel zu oft zu spüren bekommen. Die Einzelheiten sind unwichtig, aber die Barrikaden müssen weg. Die aktiven Bremsklötze können auf ruhigeren Posten weiter arbeiten, aber sie dürfen keine wichtigen Entscheidungen mehr beeinflussen oder verhindern. Das ist ganz einfach, aber es muss – und wird auch – Wirklichkeit werden. Eine spätere, primitive Rachejustiz bringt gar nichts, aber die Denkmethoden müssen sich verändern.

Der unvergessene Carlo Bergonzi singt „Torna Surriento“ (Die Rückkehr nach Sorrent) :

https://www.youtube.com/watch?v=3pIKqlzPEiY

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