Nicht weit vom Markusplatz

16.9.2021. Wer am Markusplatz in Venedig eine Tasse Kaffe trinken will, muss dafür in den Straßencafés viel Geld ausgeben. Das ist auch richtig, denn völlig umsonst bekommt man den direkten Blick auf den Dogenpalast, den Glockenturm Campanile und eine unbeschädigte Atmosphäre, die vor zweihundert Jahren auch schon dem Dichter Goethe gefiel. Wer anschließend sparen will, geht nur hundert Meter am Wasser entlang. Dort ist ein kleiner Stadtpark mit kostenlosen Ruhebänken, wo schon  mittags die wartenden  Gäste sich über alle Kontakte freuen, aber über keine Belästigungen. Etwas weiter weg vom berühmten Canale Grande, gibt es sogar ein stmmungsvolles, einfaches  Arbeiterviertel, wo noch die letzten Ureinwohner leben. Natürlich auch mit Kaffeebars, deren Angebot  nicht viel kostet, dazu kostenlosem Klatsch und Tratsch. Dort wird man nicht betrogen, aber überall dort, wo die Touristenmassen herumströmen, ist auch das möglich, ohne das man es sofort bemerkt.  Einmal wollte ich ein frisches Dortmunder Bier trinken. So stand es auf der Speisekarte, und dann gilt auch das gleichzeitig versprochene deutsche Reinheitsgebot, das außer Hopfen und Malz alle Zutaten verbietet. Das Bierglas hatte sogar  ein Original Dortmunder Etikett, aber drinnen war besonders viel Zucker. Das ist zusammengepanscht und schmeckt nicht, aber meckern muss man trotzdem nicht, damit die entspannte Stimmung nicht spurlos davonfliegt. In Pisa war in der Nähe des Schiefen Turms eine italienische Pizzeria. Meine Reisebegleitung meckerte zu laut und rechthaberisch herum (weltbekannter „germanischer Charme“), aber völlig grundlos. Dann sagte der Kellner, „Ihr seid hier nicht in Deutschland. Also benehmt euch!“ Recht so.

In Kulmbach, Nordbayern, wollte ich einmal das beliebte Bier einer anderen nordfränkischen Stadt ausprobieren. Der Wirt sagte ernergisch, „Das haben wir nicht!“ Aber dann lächelte er, ganz ungewohnt in der kühlen, ernsten Gegend und meinte, „Ich schaue noch einmal nach.“ Dann holte er aus seinem Keller die versteckte, aber gewünschte Sorte, so viel wir wollten, und sagte nur, „Eigentlich darf ich das nicht.“

Er hatte also einen Exklusiv-Vertrag mit den lokalen Brauereifirmen und durfte nur deren Flüssignahrung verkaufen. Sonst musste er eine spürbare Vertragsstrafe bezahlen. Das kannte ich schon aus dem Münsterland. Unser damals noch vorhandenes Wirtshaus wurde vor fünfzig  Jahren  umgebaut, mit den niedrigen Kreditzinsen einer regionalen Handelsfirma. Dafür durften wir, zehn  Jahre lang, nur deren Produkte anbieten. Solche „Knebel- und Sklavenhalter-Verträge“ blockieren  die gesamte ehrliche Konkurrenz und sind mittlerweile verboten. Wer das nicht weiß, hat große Nachteile und finanzielle Verluste. Sogar deren eigener Firmenvertreter stand auf der Schwarzen Liste. Er baute von seinem jahrzehntelang ersparten Privatgeld ein vierstöckiges, neues Geschäftshaus, aber auch mit einem vergleichsweise günstigen Kredit seiner Arbeitgeber. Zehn Jahre später war er ruiniert, weil zu wenige Kunden kamen und er das geliehene Geld nicht mehr zurückzahlen konnte. Dann wurde sein Gebäude vom Gericht zwangsversteigert, und der Arbeitgeber kaufte es sofort, sehr günstig, bei einer Versteigerung. Er selbst hatte nur noch Schulden und sagte, „Jetzt habe ich gar nichts mehr.“

Diese Masche funktiniert überall, wo Geschäft gemacht werden. Die einen zahlen und die anderen stecken das Geld ein, ohne dafür eine anständige Leistung zu bieten. Oder kriechen in funktionierende Organismen ein und suchen nach Schwachstellen.

Wer  das jahrzehntelang, sogar als Kollege, mit anschauen muss, findet dazu in den Informationsmedien viele ähnliche  Horrorgeschichten. Zu oft erfährt man dann aber nur ein paar äußere Abläufe, aber nicht das Innenleben tief unter der Oberfläche, die unauffälligen Methoden, mit denen Alles kaputt gemacht wird. Solche Geheimnisse müssen sich herumsprechen, damit der Gesamtschaden geringer wird. Dabei geschieht nicht Alles absichtlich, es fehlen Erfahrungen, Vergleichsmöglichkeiten oder Informationslücken werden jahrelang nicht geschlossen. Die Verursacher sind dabei oft nur kleine Räder in einem rotierenden Hamsterrad, auch als Profis noch ahnungslos.

Bessern kann sich nur dann etwas, wenn darüber gesprochen wird, ohne hinterlistige Denunziationen und Verleumdungen. Eine derartige Giftküche lässt sich leicht schließen, wenn es dafür die wirksamen Rezepte gibt. In der Justiz sind sie auch nicht überall bekannt. Aber die Elektronik wird dafür sorgen, dass unbeachtete Lücken immer schneller entdeckt und beseitigt werden.

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