Meyerbeers Prophet

7.8.21.  Die wichtigsten Dinge innerhalb einer Stadt bekommt man nicht zwangsläufig mit, wenn man dort jahrelang lebt, Auch nicht, wenn man Viel darüber liest und hört. Erst wenn es sich mit eigenen Erfahrungen verknüpft, entsteht eine neue Qualität. Über die ersten Jahre in einer kleinen westfälischen Grenzstadt habe ich schon öfter geschrieben. Das war die Ur-Suppe mit vielen lebhaften Wurzeln, die sich später vergößerten. Dann folgte Münster: Ein unersetzlicher Haupt-Teil, in dem Alles reifte und blühte. Oder auch verhagelt wurde. Vergleicht man solche Epochen, fangen sie an, ganz neue Geschichten zu erzählen. 1987 war die spätere Landung in München dann genauso. Enttäuschungen ließen sich aber einfach leichter vermeiden, weil sie bekannte Strickmuster hatten, die immer wieder auffielen. Oder versuchten, neue Maschen zu stricken, die zerrupft und hässlich waren. Oft war die angewendete Masche dann schon bekannt.

Eine große Entdeckung war sogar  eine große Oper, deren Musik mir nicht besonders gefällt, aber eine dramatische Handlung hat, bei der die wichtigsten Dinge offen gezeigt werden. Giacomo Meyerbeer (1791 – 1864) hatte einen  großen Erfolg mit dem „Propheten“.   Das ist das Schicksal der historischen Wiedertäufer in Münster. Zu dem Thema gibt es hier schon ein paar andere Artikel. Am 8.10.20 schrieb ich: „Die  Wiedertäufer besetzten vor fast fünfhundert Jahren die Stadt Münster und errichteten dort ihre eigene, rücksichtslose  Gewalt-Herrschaft. Sie verjagten den Bischof Franz Waldeck, erlaubten die Vielweiberei und predigten dabei vom bevorstehenden Weltuntergang. Deshalb solle sich Jeder Anhänger der Wiedertäufer noch einmal taufen lassen oder sofort die Stadt verlassen. Für die Wiedertäufer endete ihre harte Geschichte sehr schlimm. Drei Anführer wurden zum gemeinsamen Tode verurteilt. Die Hinrichtung fand öffentlich statt, genau vor dem Rathaus in Münster. Auf dem Balkon erschienen festlich geschmückte Adelige. Direkt ihnen gegenüber wurden die drei Anführer der Täufer auf dem Prinziplamarkt hingerichtet. Am Ende wurden die verstümmelten Leichen in drei schwarze Eisenkäfige gestellt. Hundert Meter entfernt ist der Domplatz mit dem allgemeinen Wochenmarkt und die Marktkirche Sankt Lamberti. Dort hängen, unter der Turmuhr, noch immer drei originalgetreue, leere Kopien der schwarzen Käfige.“ :

https://luft.mind-panorama.de/?s=wiedert%C3%A4ufer+&x=17&y=4 

Meyerbeers Oper machte aus der historischen Tragödie ein aufwändiges Spektakel mit Schau-Effekten, zu dem sogar Richard Wagner, als Neuling in Paris, am 13.3.1850 schrieb: „Ich fühlte mich glücklich und erhoben.“

In der spannenden Handlung wurden nur einige Tatsachen frei verändert. Jan van Leiden, der „Prophet“, wird am Ende gar nicht vor dem Rathaus hingerichtet, sondern feiert sogar ein letztes Fest im Schloss von Münster. Seine Feinde wollen ihn dort verhaften. Der Prophet ist  jedoch auf diese Situation vorbereitet. Er hat das im Gewölbe lagernde Pulver angezündet, eine laute Explosion bringt das Schloss zum Einsturz und vernichtet alle Anwesenden.

In der Oper tritt sogar Jan Matthys (1500 – 1534) auf. Er war schon in Holland ein wichtiger  Prediger der Wiedertäufer und schickte Jan van Leiden persönlich, als Apostel nach Münster. Am 5.4.1534 war Matthys  selbst dort und verließ ohne bewaffnete Wachen die Stadt. Das Wikipedia-Lexikon schreibt: „Jan Matthys wurde draußen von Landsknechten zerhackt, die sich daraufhin mit seinen Überresten gegenseitig bewarfen. Als sie abzogen, kamen die Täufer mit einem großen Weidenkorb aus der Stadt und sammelten die Einzelteile ein. Sein Kopf aber wurde auf einen Pfahl gespießt und vor der Stadt aufgestellt. “

Eigentlich musste diese Geschichte gar nicht so hässlich zu Ende gehen. Münsters rechtmäßiger Bischof, Franz von Waldeck, war keineswegs kleinkariert, hatte auch nichts gegen den heftigen Kirchenkritiker Martin Luther, neigte sogar dessen  Reformation zu und förderte sie zeitweise in seinen Territorien. Aber er ließ sich die Macht nicht entreißen. Die Wiedertäufer besetzten seine Stadt gewaltsam und vertrieben ihn. Das konnte er nicht dulden.

Der Schlüssel zu dem Drama war wieder Fanatismus,  wie er die ganze Welt auch heute bedroht. Und Gewalt. Deshalb garantieren die Vereinigten Staaten (USA) und die deutsche Verfassung (Grundgesetz) die Glaubensfreiheit. Jeder darf glauben, was er will und  sich die persönliche Religion selbst aussuchen. Das gilt auch für die innere Organisation aller Glaubengemeinschaften und den Umgang mit ihren eigenen Anhängern. Jeder Zwang dabei ist verboten.

Schon vor vierzig Jahren bin ich aus einer großen Amtskirche ausgetreten, die  durch das Finanzamt von einer kleinen Erbschaft erfahren hatte. Sie verlangten eine Nachzahlung der Kirchensteuer. Ein begründeter Schriftwechsel mit einem der Kirchenleiter wurde auch abgelehnt. Dann bin ich einfach ausgetreten, dafür reicht ein Brief. Und sie bekamen gar nichts mehr.

Was ich glaube, geht Niemanden etwas an. Zum Thema „Religion“ sind hier aber bereits 49 Artikel erschienen. Der Inhalt ist kein Geheimnis, aber das Stichwort „Mysterium“ bedeutet etwas ganz anderes. Es gehört zum Thema „Symbolik“. Das sind die Zeichen Gottes, die der Mensch erkennen kann.

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