29.1.2022. Wer etwas Neues will, muss nicht vollautomatisch recht haben. Oft handelt es sich um Aktionismus, der gar nichts bewegt. Auf Parteitagen melden sich gern die ganz alten Hasen zu Wort, die von ihren Freunden schon längst zurückgetreten wurden, weil sie nur noch Langeweile verbreiteten. Eine gellend laute Stimme davon schrie plötzlich: „Das muss jetzt Alles genau untersucht werden!“ Das hätte sie schon vor dreißig Jahren machen können, mit damals hoher Bezahlung und allen Kreuz- und Querverbindungen, die nur gezupft und geschmeichelt hätten werden müssen, um trotzdem weiter zu schlafen. Und diese pflegeleichten Unruhestifter sind überall zu finden, man braucht sie nicht.
Erstaunlich bleibt es, dass tatsächlich viele alte Suppen hochgekocht werden, und dass manchmal nicht eimal die Statistiken stimmen. Sie sollen die wichtigsten Arbeitsleistungen dokumentieren, geboten bekommt das Publikum aber nur Ausschnitte, also Teilwahrheiten oder Unwahrheiten. Dann wird nach neuen Zählmethoden gerufen, und die berechtigte Spannung bleibt, ob auch die, überhaupt etwas bringen. Große Krisen sind nicht über Nacht plözlich da, wenn sie die Leute grenzenlos erschrecken, sondern sie haben ein langes Vorspiel, bei dem Jeder auch genau hinschaun kann. Hitchcock hat das immer wieder gezeigt. Wenn etwas Schreckliches passiert, zeigt er das am Anfang seiner Filme, und die Spannung entsteht durch die Entdeckung der finsteren Elemente, die längst aktiv waren, aber ganz unbemerkt blieben. Das ist bei ihm die Mehrheit, deshalb geraten Unschuldige in Verdacht. Die Zuschauer erfahren schon vorher, genau, wer die Wahrheit sagt, aber die im Spiel Mitwirkenden begreifen gar nichts und sehen nicht einmal die auffälligen Spuren, für die es klare Lösungen gibt, die aber Niemandem einfallen. Noch atemberaubender ist der Cowboyfilm „Zwölf Uhr mittags.“ Da tauchen drei Gangster wieder in einer Kleinstadt auf, und fast alle Bewohner verstecken sich in ihren Häusern. Der Sheriff (Gary Cooper) braucht also Hilfe und geht von Haus zu Haus. Aber jeder Bewohner hat raffinierte Ausreden, warum er nicht persönlich eingreifen kann. Trotzdem siegt der Sheriff. Da öffnen sich alle Türen, und die Feiglinge umringen ihn dankbar. Da reisst er seinen Stern, das Zeichen des Gesetzes, vom Hemd, wirft ihn wortlos in den Staub und lässt sie stehen, für immer.
Einige eindrimgliche Bilder aus diesem Film sieht man hier, dazu hört man die Titelmusik von Dimitri Tiomkin:
https://www.youtube.com/watch?v=A4a_1UhwgFU
Diese Geschichte vom einsamen Cowboy ist austauschbar, auch sie handelt von den Universalgesetzen, die die Welt regieren, nicht aber einzelne Wichtigtuer und deren Anhänger. Im Alltagsleben muss man sich nur umschauen, dann tauchen sie alle persönlich auf. Aber was später bekannt wird, nicht nur in Filmen, kann eine Lawine auslösen oder einen Zug in Höchstgeschwindigkeit in den nächsten Fluss kippen. Schwarzmalerei ist das nicht, auch nicht der Normalfall, aber jeder einzelne Fall ist schon einer zu viel.
Ein Samstag wie heute gibt eigentlich Zeit, auch darüber nachzudenken, aber freie Tage sind schnell verplant. Bei manchen Treffen habe ich mich auch in anderen Ländern gefragt: Über was haben wir eigentlich gesprochen? Wenn man es vergessen hat, war es auch wertlos. Aber das kann täuschen. Man muss nur die Methoden der Meditation trainieren. Konzentration auf eine Hauptsache. Wegschieben der Nebensachen. Wenn das klappt, hört man selbst lautes Geschwätz nicht mehr. Es ist da und kann auch eingeschaltet werden, aber es wandert in den Hintergrund. 1990 habe ich einmal ein Gespräch über den anstrengenden Philosophen Martin Heidegger (1889 – 1976) geführt. Der Verlauf war so spannend, mitten in einem überfüllten Lokal, dass die Stimmen gar nicht mehr wahrgenommen wurden. Heidegger liebte solche Begriffe wie das „Geworfen Sein.“ Dazu kann man den Kopf schütteln. Aber er meinte, dass kein Mensch sich sein Schicksal aussuchen kann. Mit der Geburt wird er in ein Leben „hinein geworfen“, mit dem er selbst fertig werden muss. Und das gelingt nur einer Minderheit, wenn sie dabei ehrlich bleibt und lebt. Alle anderen landen in einem Sumpf, der klebt oder folgen den falschen Wegweisern.
Die werden hier offen gezeigt und erklärt, seit ein paar Jahren. Aber es ist eine eiskalte Erfahrung, noch kälter als Frost, dass alte Gewohnheiten sich nicht verändern. Der dritte Satz heute war hier: „Eine gellend laute Stimme schrie plötzlich: „Das muss jetzt Alles genau untersucht werden!“ Gar nichts wird. Aber es kommt. Die alten Machtzentren verschieben sich, wenn die Informationsverarbeitung die größten Wissenslücken schließt. Dann muss auch gehandelt werden, aber nicht mit Gewalt. Glatteis ist keine Tanzfläche, wo es auch noch bunte Cocktails gibt. Das Eis schmilzt, wenn es draußen heller und wärmer wird. Das ist nicht aufzuhalten. Im Kalender steht dafür der Monat März, am 20.3. ist der Frühlingsbeginn. Aber solange muss niemand warten. Den Frühling gab es schon immer, also kann man sich jetzt darauf vorbereiten
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