26.11.2021. Das Gedächtnis hat viele Funktionen, die als Stichwörter sehr bekannt sind. Andere werden gar nicht genutzt, aus Unkenntnis. Zum Beispiel das Vergessen. Wer tagsüber im Straßenbau hart arbeite, wer an einer Supermarkt-Kasse möglichst viele Kunden, im Akkord abkassieren soll, vergisst das Meiste, Unwichtige spätestens zum Feierabend und schlägt die Zeit tot, beim Biertrinken oder Fernsehen. Aber einfache Menschen haben Geheimnisse, von denen sie selbst nichts wissen. Eine Verwandte hatte als Jugendliche eine starke Abneigung dagegen, in einem Auto zu sitzen. Da reichte die Frage: „Seit wann ist das so?“ Nach mehreren Anläufen kam es heraus. Sie hatte mit einer Freundin einen Tagesausflug gemacht. Dann wollten die beiden aus Bequemlichkeit, in ein vorbeifahrendes Auto einsteigen. Am Steuer saß nur ein junger Mann, der sich auffällig benahm. Er kicherte und lachte, murmelte unverständliche Worte und fuhr immer schneller. Dann ließ er sie an einem sicheren Haltepunkt aussteigen, nicht weit von ihrem Elternhaus und rief ihnen nach: „Macht das nie wieder!“ Diese deutliche Warnung setzte sich im Gedächtnis fest, obwohl die Ursache schnell vergessen wurde. Sie wurde tief in das Unterbewusstsein verdrängt, verschwand dort aber nicht für immer, sondern schlief dort nur, war wie ein Alarmknopf, sobald eine Autotür sich öffnete. Als die Ursache klar ausgesprochen und damit verarbeitet werden konnte, verschwanden die psychischen Störungen, und jeder Ausflug mit dem Auto war dann eine willkommene Abwechslung.
Was im ganz Kleinen funktioniert, gelingt auch im ganz Großen. Im November habe ich drei Artikel veröffentlicht, über Giuseppe Verdis „Nabucco“ (Nebukadnezar). Tippt man den Titel ein in die Such-Funktion, oben rechts auf dieser Seite, ergibt das 5 Treffer. Also kann man sich Wiederholungen sparen. Das Werk habe ich noch niemals vorher vollständig gesehen, aber auch davon gibt es viele Filmaufzeichnungen im Internet. Es war Verdis erster großer Erfolg, und man staunt sofort über die spannende, temperamentvolle Musik, ihren emotionalen Tiefgang und die Umsetzung des Textbuchs. Die Inszenierungen lassen leider viele Wünsche offen, weil sie dem Thema offensichtlich nicht gewachsen sind oder es mit optischem Schnickschmack zumüllen. Deshalb muss man sich auf ein Beispiel beschränken. Die Aufführung stammt von 1979 und entstand in Paris, mit den damaligen Stars Sherill Milnes (Nabucco), Ruggero Raimondi (Zaccaria), Carlo Cossuta (Ismaele) und vor Allem Grace Bumbry (Abigaile) in Bestform, die 1965, in Wieland Wagners „Tannhäuser“, sofort weltberühmt wurde, als „schwarze Venus von Bayreuth“. Die musikalische Leitung hat Nello Santi, dem ich damals immer gern zugehört habe, weil er ein starkes, natürliches Gespür für den Belcanto hatte.
Hier ist die ganze Inszenierung in Gold getaucht. Nicht in dunkles Altgold, sondern in eine helle Sonnne-Farbe und ihre Abstufungen. Das passt auch zur Handlung. Nabucco (Nebukadnezar) (640 – 562 vor Chr.) wird auch in der Bibel erwähnt und ist sehr ähnlich dem babylonischen König „Belsazar“. Zu beiden Herrschern habe ich vorgestern den Artikel „Nebukadnezar“ geschrieben:
https://luft.mind-panorama.de/nebukadnezar/
Zitat: „Nabucco will sich der Handlung der Oper nach selbst zu Gott machen. Er wird daraufhin mit Wahnsinn geschlagen und erst durch die Bekehrung zum Gott der Hebräer geheilt.“
Der innerlich gereinigte Nebukdnezar führt sein Volk aus der Babylonischen Gefangenschaft. Wikipedia: „So wird eine Epoche der jüdischen Geschichte bezeichnet. Sie beginnt 597 v. Chr. mit der ersten Eroberung Jerusalems und des Königreiches Juda durch den babylonischen König Nebukadnezar II. und dauert bis zur Eroberung Babylons 539 v. Chr. durch den Perserkönig Kyros II.“
Schon lange vorher kam es zum Exodus. Wikipedia: „Die Erzählung beginnt mit der Geburt Moses und beschreibt aufkeimende Konflikte zwischen Israeliten und Ägyptern. Der Auszug wird den Israeliten erst gestattet, nachdem Ägypten von den Zehn Plagen heimgesucht wurde. Er führt durch das Schilfmeer, dessen Durchzug als wunderbares Handeln Gottes beschrieben wird, und weiter in die Wüste des Sinai, wo Gott am Berg Sinai Moses die Zehn Gebote offenbart.“ Moses soll schon zur Zeit des Pharaos Merenptah, also 1.300 Jahre vor Chr., gelebt haben.
In dessen Zeit spielt auch Verdis Spätwerk „Aida“, das 1871 uraufgeführt wurde. Das zweite Bild findet statt im Tempel des Gottes Vulkan in Memphis. In einer feierlichen Zeremonie mit religiösen Tänzen überreicht der Oberpriester Ramfis an den ägyptischen Feldherrn Radames sein Kampfschwert, und gemeinsam mit den Priestern bitten sie den Gott Ptah um den Sieg. Sein Name erinnert wieder an den gerade erwähnten Pharao Merenptah. Der Glaube an einen einzigen, sehr mächtigen Gott war auch das Thema von Sigmund Freuds letzter Untersuchung „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“.
Ptah („der Bildner“) ist einer der Götter der altägyptischen Religion. Sein Hauptkultort war Memphis, eine Stadt knapp südlich des heutigen Kairo. Neben den Göttern Re, Osiris und Amun. errichteten die Priester in Memphis ein eigenes theologisches Gedankengebäude, in dem Ptah zum obersten Schöpfungsgott und zum Herrn aller Götter erklärt wurde. Gedanklich und zeitlich gehört dazu der Pharao Echnaton, der von 1351 – 1334 vor Chr. regierte und nur die Sonne (Aton) als einzigen Gott anerkannte. Das war nur 30 Jahre vor der Zeit des Pharaos Merenptah.
Weil der viel spätere, zunächst wegen Gotteslästerung verfluchte Nebukadnezar sehr reich ist und das auch zur Schau stellt, ertrinkt die Aufführung von 1979 in Paris fast in Gold-Tönen, die aber durch mächtige historische Symbole gedämpft und in Frage gestellt werden.
Dazu passt das Kapitel „Die Architektur der Macht“, mit bisher 76 Beiträgen :
https://luft.mind-panorama.de/category/2-das-universum/2b-die-architektur-der-macht/
Im Dezember 1979 begann in Münster ein großer Lebensabschnitt, der insgesamt 8 Jahre dauerte und dann ein bedauernswertes Ende fand. Aber jede Niederlage kann auch ein Neubeginn sein. Am 27.9.1987 traf ich in München ein, aber Glück brachte das auch nicht an vielen Tagen. Unvergleichlich bleibt der Gewinn an Erkenntnissen und persönlichen Erfahrungen. All das findet man in den 43 Kapiteln (Kategorien) dieser Webseite. Schon 1979 sah ich viele hervorragende Opern am Stadttheater in Münster, war auch mit einigen Solisten befreundet. Vergessen ist das nicht, sondern schläft nur im Unterbewusstsein. Das wurde bereits am Anfang dieses Kommentars erklärt. Hier kann man die Nabucco-Aufführung von 1979, damals aus Paris, vollständig sehen ( 128 Minuten) :
https://www.youtube.com/watch?v=ZpqiplxgpzY
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Zum Thema „Nabucco“ gibt es hier noch 5 andere Beiträge:
https://luft.mind-panorama.de/?s=nabucco&x=20&y=7
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