17.1.202. Edward Hopper hat ein Bild gemalt, dessen Kopie man auf der ganzen Welt findet: „Night Hawks“ (Nachtfalken). Es zeigt eine moderne Bar mit großen Fenstern, zu vorgerückter Stunde. An der Theke sitzen nur wenige Personen, in Alltagskleidung. Keiner redet miteinander. Sie schauen auf die leere Wand. Hopper zeigt damit die Einsamkeit der Großstadtmenschen. Sie sind mit sich selbst beschäftigt, haben sich nichts zu sagen und schweigen einfach vor sich hin. Sie wollen auch nicht reden, weil ihnen nichts mehr einfällt und sie kein belangloses Geschwätz hören wollen. Menschen mit schlechtem Schlaf, die jetzt ihre Abende allein verbringen, weil nach 21.00 Uhr Keiner mehr hinausgehen soll und sämtliche Lokale geschlossen sind, sagen aber, woran sie dann denken. Kürzlich habe ich einem alten Freund geschrieben: „Wenn du nachts nicht schlafen kannst, denkst du oft über Einsamkeit nach. Damit bist Du nicht allein. Viele Bücher, Filme und Musik haben dieses Thema auch.
Aber man kann etwas dagegen machen. Wenn man über die Ursachen nachdenkt. Bei Dir war es zuerst die Situation in Deiner Familie, als Du noch ein Kind warst. Und später Schwierigkeiten mit Kollegen oder dem dummen Volk, das in der Großstadtherumläuft. Man muss auf Leute verzichten, die nur Ärger bringen. Probleme damit gibt es überall, aber sie dürfen sich nicht immer einmischen. Um die vielen Bekannten von früher ist es nicht schade. Man kann sie vergessen, weil es oft Zeitverschwendung war. Aber man vergisst auch nicht, wer ehrlich und zuverlässig war. Versuch, an gute Erlebnisse zu denken. Die anderen bringen dabei gar nichts. Ich bin immer auf Deiner Seite.“
Solche Gedanken plant man nicht, sie kommen einfach von selbst. Manchmal bewirken sie gar nichts, aber sie können auch dort landen, wo die Steuerzentrale des Unterbewusstseins das ganze menschliche Leben begleitet. Dort landen auch sehr viele andere Signale. Stichwörter reichen manchmal aus. Sie wirken wie Reflexe, wie Schaltknöpfe, die lange Gedankenketten in Bewegung setzen. Ideen. Pläne. Projekte. Und sie wecken ganz alte Erinnerungen. An Enttäuschungen. Misserfolge. Verletzungen durch hinterlistige Charaktere. Wenn sie lebendig werden, arbeiten sie. Und dann lösen sich viele Störungen auf. Nicht sofort, aber restlos, wenn sie nicht verknüpft sind mit anderen Erlebnissen. Im Lauf vieler Jahre verbessert sich aber das Gesamtergebnis immer mehr. Bei dummen und charakterlosen Figuren wird es jedoch immer schlimmer. Damit fallen sie immer mehr auf. Nicht jede Auffälligkeit hat etwas zu bedeuten. Das ist ganz normal im Ablauf eines jeden einzelnen Tags. Aber wenn dauernde, schlechte Gewohnheiten daraus werden, sieht es ganz anders aus. Die Gesichtsmuskulatur kann man wie eine Landkarte lesen. Psychische Bewegungen erzeugen ein Lächeln oder verkniffene, lauernde Blicke. Das ist wie das körperliche Training in einem Sportstudio. Wer dabei die Bauchmuskeln oder andere Partien besonders stark im Visier hat, bekommt genau dort ein festeres, stärkeres Gewebe.
Im Gesicht spielt die Hässlichkeit dabei überhaupt keine Rolle. Sie ist angeboren, und die Fassade verbirgt oft sehr positive Eigenschaften, die spätestens in einem Gespräch immer deutlicher erkennbar werden, Auch Ehrlichkeit, Hinterlist oder Falschheit. Wenn das Dauer-Gewohnheiten sind, blickt man in eine Trümmerlandschaft mit harten Gesichtszügen. In den Tagesnachrichten tauchen immer wieder die gleichen Leute auf. Sie reden über ihre Lieblingsthemen. Und allein der Gesichtsausdruck lässt in Abgründe blicken. Zu viel Freundlichkeit ist Falschheit vor laufenden Kameras. Wenn dazu noch eine harte, versteinerte Gesichtsmauer kommt und leeres Geschwätz, hat man es mit beschränkten Machtmenschen zu tun.
Sie wollen rücksichtslos über andere herrschen, auch wenn ihr eigenes Wissen lückenhaft ist. In Führungspositionen richtet das schwere Schäden an, weil die wichtigsten Probleme nicht beachtet und deshalb auch nicht gelöst werden, zum Schaden für alle Betroffenen. Dabei entstehen auch gewaltige finanzielle Löcher, die voraussehbar sind. Das Vertrauen und die Motivation zur Leistung verschwindet immer mehr. Dafür greifen gleich gesinnte Kreaturen nach noch mehr Macht und Geld, bis Alles verschwunden ist oder später auf Auslandskonten entdeckt wird.
Mit jeder Finanz-Investition kann man die Menschheit bereichern oder schwer beschädigen. Erkennbar ist das leicht an den Bilanzen, die oft nur Eingeweihte verstehen sollen. Aber wenn ganze staatliche Regionen immer weiter arm bleiben, dann zeigen alle Signale direkt auf die Verursacher. Wenn man sie ablöst, kann es nur noch besser werden. Oder ein neuer Austausch ist fällig. Im Buddhismus wird der fehlerhafte Mensch so oft wieder geboren, bis er innerlich rein ist. Dann löst er sich auf im Nirwana und wird wieder ein Teil des Universums, aus dem er gekommen ist. In Dantes „Göttlicher Komödie“ gibt es 33 Gesänge. Das sind Bewusstseins-Stufen, langsame Ebenen der Reifung. Sie geschieht bei Dante in drei Abschnitten. Das „Inferno“ ist die Hölle der Unwissenheit. Das „Purgatorio“ ist der schmerzhafte Aufstieg zur besseren Erkenntnis. Und ganz oben wartet der Gipfel. „Il Paradiso“ ist die höchste Stufe, die Erleuchtung. Der Blick auf die ganze Welt, ihre äußerlichen und die tiefsten Schichten im Inneren. Die mystische Vereinigung des Menschen mit den Zeichen Gottes, die er erkennen kann. Die Unio Mystica.
Vor dreißig Jahren war ich Neuling in München, habe viel gelesen, beruflich meine Arbeit gemacht, viele Spaziergänge und Ausflüge. Ein Zentrum, mehrmals im Jahr, war Bayreuth, weil ich schon als Jugendlicher die magische Welt Richard Wagners immer gründlicher kennenlernen wollte. München war damals auch eine Hauptstadt der Freizeit. Die Nächte gingen bis zum frühen Morgen. Zahllose Gesichter zogen vorbei. Heute bin ich froh, dass die meisten weg sind. Manchmal waren sie äußerlich schön, aber innerlich leere, glitzernde Seifenblasen oder grinsende Raubtiere. Heute sitzen sie alle nachts zu Hause. Viele langweilen sich. Dafür gibt es Gegenmittel, aber die findet man nicht auf der Straße. Dort findet Jeder, was er verdient. Aber vor dreißig Jahren war das sehr amüsant. Die Zukunft wird noch viel Geld kosten. Das macht nichts, wenn es gut angelegt ist. Es bringt zwar auch berechtigte finanzielle Gewinne, aber sicher auch ganz neue Qualitäten.

.