9.3.2020. Eine Welt ohne Messungen ist nicht vorstellbar. Gewichte und Flächen, die wiederholbar, also nachprüfbar waren, gaben allen Lebensformen ein unverwechselbares Gesicht. Brieftauben, die man in weit entfernte Städte mit einer angehängten Botschaft brachte, konnten sich ihren vorherigen Aufenthaltsort merken und dank eines körpereigenen Orientierungssystems wiederfinden, wie auch die Zugvögel, wenn sie im Frühjahr aus weit entfernten fernen Winterquartieren in ihre gewohnte Umgebung zurückkehren.
Messungen waren auch für den Handel notwendig. Die absichtliche Benutzung einer falschen Waage wurde schon in biblischen Zeiten schwer bestraft. Gerade weil mechanische Teile leicht veränderbar waren, war die Versuchung für professionelle Betrüger trotzdem immer sehr groß.
Mit der Elektronik war es dann nicht mehr so einfach. Die winzigen Stromspuren, die eine Datei hinterlässt, waren für normale menschliche Augen gar nicht mehr wahrnehmbar. Trotzdem kocht seit ein paar Jahren der Skandal immer höher, dass berühmte Autofirmen Computerprogramme zur Messung von Abgaswerten vorsätzlich gefälscht haben, um gegenüber der Konkurrenz bessere Verkaufszahlen zu erreichen. Auf die Spur kamen nicht etwa hauseigene Experten, sondern ein paar enige Privatleute, die einfach nur wissen wollten, wie so ein Abgastest eigentlich funktioniert. Was sie dann zu ihrem eigenen Erstaunen, ganz ohne gezielte Absicht, feststellten, sorgt seitdem für Aufruhr in der gesamten Branche. Man hatte sich auf ein Gebiet begeben, das man für erdbebensicher hielt, wo aber ständig aktive Vulkane unterirdisch brodelten.
Manipulierte Messungen haben noch zwei andere Gegner. Mitarbeiter in jeder Firma sind oft auch Mitwisser, die ihre Schlauheit an Fremde verkaufen oder leise im Wald pfeifen („Whistleblower“). Wenn an einem illegalen Projekt sehr viele Mitwisser beteiligt sind, steigt das Risiko, dass Alles früher oder später auffliegt, steil wie eine Weltraumrakete nach oben. Es ist erstaunlich, wie oft solche Dinger trotzdem gedreht werden. Die Presse wartet dankbar auf jeden neuen Fall oder die Möglichkeit, dass selbst kleine Fehler ein raffiniertes System von selbst ruinieren. Die elektronische Spurenermittlung ist leider selbst für Ermittler noch oft ein Buch mit vielen Siegeln, weil ausgefeilte Fachkenntnisse fehlen.
Doch es gibt Grenzen. Dinge, die der Mensch nicht beeinflussen und auch nicht messen kann. Sie sind allgemein bekannt und uralt, werden aber trotzzdem nicht immer ernst genommen.
Es sind die Gesetze des Universums. Der Mensch kann zwar überprüfen, in welchen Bahnen sich Planeten bewegen. Aber warum tun sie das? Die gesamte Zukunftsbranche namens Science-Fiction lebt davon, dass Außerirdische uns beobachten und nur darauf warten, sich hier breit zu machen. Ein Meisterwerk des Kinofilms ist Steven Spielbergs „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“. Das Erstaunliche an diesem Film sind nicht nur die phantasievollen Ideen, die frei erfunden waren, sondern dass Alles sehr realistisch und echt bis in die feinsten Details auf der großen Leinwand wirkte, außerdem immer eine klare Logik enthielt, die in ihrem inneren Aufbau nicht zu widerlegen war. Es sei denn, man erklärt alte Sagen und Zaubermärchen sowieso für Unsinn. Was sie aber nicht sind.
Ein Gigant auf diesem Gebiet war Richard Wagner. Sein stundenlanges, auf vier Abende verteiltes Zentralwerk „Nibelungenring“ ist voller Nebenlinien und ausgefeillter Klänge, aber man kann es trotzdem auf eine kleine Idee reduzieren: Wotan ist zwar der Anführer aller Götter auf der Erde, aber nicht der Herrscher des Universums. Er schneidet aus der heiligen Weltesche, dem Symbol der Ordnung und des Wachstums, einen Zweig ab, um daraus einen Speer zu bauen, der als Waffe und Zeichen seiner eigenen Macht alle Anderen seinem Willen unterwerfen soll. Doch mit der Beschädigung dieses Baums hat er gleichzeitig das Startsignal für seinen eigenen Untergang gegeben. Danach gelingt ihm überhaupt nichts Wichtiges mehr. Am Ende verbrennt er mit seinen Anhängern in der eigenen Burg Walhall und seine vermeintlich grenzenlose Epoche verschwindet völlig. Der Komponist lässt es dazu im Riesenorchester ordentlich krachen und knallen, aber in den letzten Augenblicken spielen die Violinen in überragender, hmnischer Klanghöhe das überwältigende Motiv von der „Allmacht der Liebe“. Es wird also eine ganz neue Welt entstehen, nachdem die alte durch Lügen, Betrug, Verrat innerlich faul und morsch geworden ist. So etwas lässt sich mit keinem technischen Instrument messen, aber es existiert. In der Politik, in großen Firmen, im ganzen Leben, wenn man die Bilder richtig deuten kann,