06.12.2021.Hier ist die Erweiterung des Artikels „Sommernächte 1965“, Teil 1:
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Am Horizont
1965
Ein Mensch steht schweigend im Licht, draußen am Hoftor.
Entlassen aus dem winterkalten Haus,
schaut er voll Sehnsucht in die dunstige Ferne.
Kein Arm ist so stark, ihn zu halten.
Verzaubert sagt er: Sieh dort die weiten Wiesen im Licht.
Dort steigt der Sommer in sein Kleid.
Flimmernde Gestalten tanzen im Dunst der staubigen Felder,
umflutet von Ozeanen aus Licht,
verloren im gleichmäßigen Brausen.
Im Sommer lagen wir am stillen Teich,
wo flimmerndes Licht aus dem Wald uns umschloss
und aus dem tiefen Schweigen schwere Glockenklänge hallten.
Heute ist der große Saal voll feiernder Gäste, bis zum Säulengang.
Doch fern bist du, in einer anderen Stadt.
Schon seit dem letzten Herbst, als die öden Straßen goldne Glut durchflammte.
Und eine Todesmattigkeit sank herab.
Die Jahreszeiten wiederholen sich auch jetzt. Alles verwelkt, wie immer.
Das Sommerlicht flieht nach Süden.
Rostrote Blätter fallen und taumeln ins Weite,
und ringsum leuchten schwarze Flammen.
Auf leeren Feldern schweben gläserne Klänge.
Die Wintervögel ziehen durch kühle, blaugemalte Lüfte,
Wenn jetzt die hellen Nebel aus den Tälern steigen,
kommt auch die Sehnsucht.
Dann lodern Flammen über diesem dunklen Berg.
Von fern schallt eine Stimme
und sinkt herab mit weiten Riesenflügeln
und trägt mich fort von hier.
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Der Sänger
1968
Wir kamen spät an diesen Bergeshang,
nur vom Gesang der Nacht begleitet,
um die Stimme der schimmernden Täler zu vernehmen
und dem Rauschen der lichtlosen Flüsse zu lauschen.
Spät am Morgen wachten wir auf.
Aus dunklen Schluchten stieg ein Sänger,
und wir hörten fremde Melodien.
Sie kamen näher
und trugen uns fort in eine lichterfüllte Ferne.
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Klarheit
1966
An einsamen Tagen der Jugendzeit
gab es viele starke Träume.
Tiefer Sehnsuchtsschmerz rief: Fort, ins Weite.
Heute ist es anders.
Eine nüchterne Realität, die Kälte logischer Gedanken beherrschen viele Tage.
Sie kühlen die Glut der Phantasie.
Die Sonne lodert nicht mehr in großen mythischen Zeichen.
Es verwandeln sich die Phantasien
in klare, durchsochtige Erkenntnisse.
Der Horizont wird heller und weiter,
doch es ist nicht mehr der gleiche.
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Wanderung
1971
Wenn dann die Hoffnung stirbt, wenn alle Kämpfe um Gemeinsamkeit
an einer Kälte-Mauer scheitern und in Einsamkeit erstarren,
das ist, als ob in einem schwarzen Wald die sternenlose Nacht sich nähert,
und wir stehen da mit leeren Händen.
Dieser Tag ist trüb, verworren, ohne Ausweg.
Vielleicht ist das Glück ganz nah. Doch es zeigt sich nicht.
Doch, wer weiß,
Du halfst schon oft.
Vielleicht auch jetzt.
Vielleicht schon bald.
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Rote Feuer
1972 – 1978
Rote Feuer brachen aus der Nacht, aus dem Süden.
Wein floß von den schwarzen Hängen. In nachtdunklen Ebenen schrien Pferde.
Die Himmel erblichen im Schall fremder Hörner.
Die Winter waren längst begrenzt,
als weiße Blumen aus den düstren Wäldern stiegen
und uns ein übermächtiges Sehnen faßte.
Wir sanken hin in kühlen Schnee.
Die Nacht fiel. Endloser Sturm deckte uns zu.
Wir sahen nicht mehr den grauen Tag aufgehen.
Die Zeit war uns ein weites, dunkles Meer,
in dem die schweren Nebel schrill und mächtig sangen.
Voll Trauer blickt auf uns der junge Faun
im noch nicht ganz verwehten Hauch gebrochener Rosen.
Wir stehen unter kahlen Zweigen
und ganz nah verwittert der steinerne Satyr.
So träumte ich. Dann kam ein neuer Tag.
Am Mittelmeer sind andere Kontinente – auch Arabien.
Fremd ist die Großstadt dort, mit weißen Häusern.
Unbekannte Schatten ziehen durch staubige Straßen,
doch ohne ein Zeichen des einen Gesichts,
das jetzt der Heimat näher ist,
und dort in dämmrigen Parks träumt, sich trunken in flammende Zimmer legt
Ergebnislos vergehen die Tage. Ohne Reiz erscheint jetzt die fremde Stadt,
öde die Straßen, aus denen hitziger Lärm der Menge dringt.
Fort! Mit starrem Herzen entschwindet so das andere Land.
Daheim bedrängen wieder verzehrende Träume
von der Stadt jenseits des Meeres, mit schattigen Moscheen.
Vielleicht hört man dort auch, manchmal Lieder unserer Tage.
Doch diese Klänge passen nicht zum blauen Himmel von Arabien
und der Wüste dort, der Hitze und dem Meer.
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Den Teil 1 dieser „Sommernächte 1965“ findet man hier:
https://luft.mind-panorama.de/sommernaechte-1965-teil-1/
Und hier singt Veronique Gens die „Sommernächte“ (Nuits dé Été“) von Hector Berlioz:
https://www.youtube.com/watch?v=3HrRrTl88FM
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