Norma im Tempel, Teil 2

19.10.2020. Die beste Norma-Inszenierung stammt aus London. Dabei ist Folgendes wieder eingefallen: Im Dezember 2003 war ich zum ersten und letzten Mal ein paar Tage in London. Auf dem Stadtplan stand die U-Bahn-Station „Temple“. Das hätte auch nur ein austauschbarer Name sein können. Aber es war ganz anders. Schon beim Austeigen stand man vor einem kleinen, modernen Café. Drinnen saßen gut gekleidete Herren in schwarzen Anzügen. Später stellte sich heraus, dass es Juristen waren, aus dem Inhalt ihrer Gespräche. Gleich dahinter ging es aufwärts, auf einem kleinen Hügel. Das war früher das eigene Grundstück des untergegangenen Templer-Ordens, der vom geldgierigen französischen König, Philipp „der Schöne“ gewaltsam vernichtet wurde, damit er an ihren Schatz herankam. Das war sehr viel Geld, das sie ihm einmal sogar selbst gezeigt gatten, als er vor Feinden flüchtete und sie ihm Schutz gaben, in ihrem Tempel, gleich gegenüber von seinem Königsschloss Louvre.

Danach hatte er sich einen teuflischen Plan ausgedacht. An einem europaweit, streng heimlich verbreiten Stichtag, am Freitag, dem 13.10.1307, gab er den Befehl, sie alle auf einen Schlag zu verhaften. Dann wurden sie brutal verhört und angeklagt, wegen frei erfundener Verbrechen. In Paris traf das Unglück direkt den Großmeister, Jacques de Molay (Lebenszeit 1250 – 18.3.1314). Später gestand er sogar die schwren Vorwürfe, widerrief aber. Das reichte sofort aus, um ihn auf einer kleinen Seine-Insel, direkt vor der Kathedrale Notre Dame, auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen. Kurz vorher verfluchte de Molay noch den habgierigen König und seinen treuen Unterstützer, den Papst. Der König starb ein halbes Jahr später, angeblich auf einem Jagdausflug. Der Papst starb auch, an einer Vergiftung,

Die überlebenden Templer waren in alle Himmelsrichtungen geflohen, vor Allem nach Irland und Schottland. Dort gibt es seitdem eine geheimnisvolle Kirche, die Rosslyn-Kapelle, die dem Evangelisten Matthäus gewidmet ist, und außerdem einem Großmeister der Tempelritter, Sir William Sinclair. Das Gebäude enthält viele kunstvolle Rätselbilder aus Stein. Offiziell waren die Templer zwar nach ihren ungerecht, zusammengelogenen Anklagen und Todesurteilen, restlos erledigt Aber auch ihren Schatz fand Niemand. Sie hatten ihn wohl mitgenommen. Und ihr Wissen. Wikipedia-Zitat: „1847 besuchte Königin Victoria Rosslyn Chapel und regte die Sanierung der Kapelle an. 1860 beauftragte der Großmeister der schottischen Logen, James St Clair-Erskine, den Architekten und Freimaurer David Bryce mit der umfangreichen Restaurierung der Kapelle.

Eine ähnliche, spannende Geschichte spielte sich ab im südfranzösischen Rennes-le-Château. Das ist ein mittelalterliches Dorf mit 80 Einwohnern (Stand 1. Januar 2017) circa 40 Kilometer südlich von Carcassone. Die Dorfkapelle wurde ab 1891 vom Pfarrer Berenger Saunière selbst renoviert. Seitdem gibt es auch hartnäckige Gerüchte, die bisher von keiner seriösen Informationsquelle bestätigt wurden, dass der Pfarrer dort den Heiligen Gral und den Templerschatz gefunden habe.

Im Wikipedia-Lexikon findet man zu „Rennes-le-Château“ viele weitere Informationen.

Nachfolger der in Paris ermordeten Tempelritter waren mehrere freie Gruppen, die sich ganz andere Namen gaben. Zum Teil existieren sie heute noch, sind aber, nach außen hin, sehr verschwiegen, aufgrund der schlechten Erfahrungen.

Das überstürzt geräumte Londoner Grundstück übernahmen, ausgerechnet die Juristen. Sie ließen alle Gebäude unbeschädigt stehen und zogen drinnen sofort selbst ein. Gleich dahinter sieht man auch schon „Old Bailey“, die großen, alten Prozessgebäude des königlichen Gerichthofs, die „Royal Courts of Justice“. Sie dienten schon oft, zahlreichen Krimi-Schriftstellern als Schauplatz. Auch Alfred Hitchcock ließ dort, ganz kurz nur, eine wichtige Szene seiner Horrorfilme spielen, in seinem vorletzten Meisterwerk „Frenzy“.

Gleich neben dem alten „Old Bailey“ ist passenderweise die Fleet Street, früher das schwatzende Zentrum der kritischen englischen Presse.

So etwas fällt einem ein, wenn man an Covent Garden denkt, den Londoner Lebensmittelmarkt , wo Hitchcocks Vater, als einfacher Lebensmittelhändler Obst verkaufte.

Und genau dort ist auch das berühmte Opernhaus, wo die erwähnte Norma-Inszenierung entstand. In der Stadt liegen solche Themen förmlich in der Luft. Vincenzo Bellini lässt seine bekannteste Oper allerdings in der fernen Frühzeit der keltischen Druiden spielen, die auch den großen Steinkreis von Stonehenge errichteten. Er gilt als Heiligtum galt, wo die Sonne bei jeder Sommer-Sonnenwende, im Juni, mittags einen Lichtstrahl durch die Felsbauten fallen lässt, immer an den selben Punkt. Also eine ganz alte Sonnenuhr.

Das Licht ist auch ein Gedankenzentrum der Druiden-Priester in Bellinis „Norma“. Die Prieterin ist ausgerechnet verliebt in den römischen Feldherrn Pollione, der ihr Land gewaltsam besetzt hat, mit dem sie aber trotzdem zwei Kinder hat.

Er hat sie einfach verlassen, weil er Abwechslung sucht. Zum Beispiel bei Adalgisa, einer engen Vertrauten von Norma. Das ist die Dramatik der ganzen Handlung. Bellinis Musik kennt feine Klang-Differenzierungen zwar nicht. Sie strömt über von schönen Melodien, Marschrhythmen und angenehmer, positiver Energie. Das ist das Lebens-Elixier für jeden Fortschritt und legt sich wie ein bunter Teppich, mit allen hellen und dunklen Klangfarben um die tragische Handlung. Antonio Pappano, auch als Wagnerdirigent hervorragend, macht daraus einen lebhaften, farbigen Klang.

Die Inszenierung überrascht mit einer Überfülle von starken Symbolen. Im Hintergrund befindet sich ein großes Gebilde, das, je nach dem Einsatz des farbigen Bühnenlichts, ganz anders aussieht. Am Anfang wie ein Gestrüpp trockener Äste. später wie ein blühender Sommerwald. Im dritten Akt wird es hell erleuchtet. Alle Teile bestehen plötzlich, aus den optisch identischen Miniaturfiguren des gekreuzigten Christus.

Außerdem überragt dabei dieses Gesamtbild, ein einziges riesiges Zeichen mit den gleichen Figuren; Eine große Dornenkrone. Lateinisch und italienisch heißt das „Corona“. In der Bildersprache der mittelalterlichen Kabbala ist das die Spitze des zehnstufigen Schicksalsbaums. Und die Krone ist dort Gott selbst.

Der Lebens-Baum ist das Zeihen seiner Allmacht. In der Johannes-Apokalypse, dem letzten Buch des Neuen Testaments, treten kurz vor dem Weltuntergang, zwei Schreckensfiguren auf: Die Hure Babylon, die Mutter aller römischen Huren. Sie ist betrunken vom Blut der Heiligen und sitzt auf einem kranken, scharlachroten Tier mit der dreifachen Ziffer 666. Der übertriebenen Lust und Hemmungslosigkeit. Sie werden beide von zornigen Engeln vernichtet. Dann beginnt das Jüngste Gericht mit der Weinlese, der Trennung zwischen guten und schlechten Früchten. Danach folgt die Ernte, wie im Herbst, der jetzt gerade stattfindet.

Danach leben die Gerechten an der Seite Gottes, im Paradies. In seiner Weltordnung, den Zehn Geboten, an denen sich auch in Zukunft nichts ändert. Aber alle bisherigen Fehler und Missbräuche der universalen Regeln müssen entfernt werden. Das ist auch das Hauptthema dieser Webseite. Eine Themen-Übersicht findet man ganz rechts, außerdem unter diesem Text.

Normas Schicksal endet offen. Sie steht mit ihrem früheren Geliebten Pollione nebeneinander, vor ihnen die zwei gemeinsamen Kinder. Im Hintergrund bricht ein großes Feuer aus, dann endet das Werk, kommentarlos. Das ist auch das Thema des Finales von Richard Wagner „Götterdämmerung“. Der herrschende Gott Wotan verbrennt mit seinen Anhängern in der eigenen Burg Walhall.

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Diese außergewöhnliche Verfilmung könnte man auch, auf der ganzen Welt, in allen Musiktheatern zeigen, die zur Zeit, wegen der Welt-Epidemie Corona, nur noch unter Einschränkungen spielen, aufgrund des staatlich vorgeschriebenen Mindestabstands. Der Film ist akustisch und optisch hervorragend, mit einer hohen Bildschärfe und abgestuften, farblichen Details, auch für große Video-Leinwände geeignet, die an keinen festen geographischen Standort gebunden sind.

Für jede einzelne Vorstellung wären dann die Kosten erheblich niedriger als bei einer großen Neu-Produktion für die Musikbühne, wo an jedem Vorstellungstag erhebliche Kosten für alle anwesenden Mitwirkenden fällig werden. Und die Tages-Qualität ist auch nicht vorhersehbar. Eine Verfilmung jedoch kann man so oft zeigen wie man will, auch gleichzeitig an mehreren Veranstaltungsorten.

Die Rahmenbedingungen für Zuschauer, die jetzigen Einschränkungen werden sich nicht so schnell ändern.

Zu diesem Thema habe ich bereits am 12.10.2020 einen Artikel geschrieben:

„Opernfeste, aber warum ohne Gäste?“

https://luft.mind-panorama.de/opernfeste-ohne-gaeste/

Die Berliner Staatsoper hat freundlicherweise darauf geantwortet. Vielleicht wird an ein paar anderen Musiktheatern sogar über eine Realisierung nachgedacht. Da schweigen sie lieber. Nichts Ungewöhnliches. Aber die sichtbaren Ergebnisse wird Jeder selbst anschauen können.

Heute ist ein besonderer persönlicher Gedenktag, aber daraus muss wirklich kein Artikel werden. Der Privatbereich wird vom Grundgesetz besonders geschützt. Und das ist gut so.

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