14.10.2020. Bellinis „Norma“ am Stadttheater, Teatro Comunale, April 2008 in Bologna, das auch für die Städte Trieste, Bari und Messina zuständig ist. Die Aufführung ist schön verpackt, mit dem Vorspann in goldenen Hollywood-Lettern, einer unaufdringlichen, antikisierenden Inszenierung von Federico Tiezzi, mit Stars wie Daniela Dessi, Kate Aldrich und Fabio Armiliato, dazu ein klangvolles Orchester, unter der Leitung von Evelino Pidó.
Musikalisch ist das tadellos, man lernt Bellini immer besser kennen. Er hat einen Hang zu schönen Melodien, rythmischen Märschen und angenehmem Pomp.
Die Handlung im Textbuch ist allerdings etwas anders, als man es hier sieht. Die dominierende Farben sind Schwarz und Weiß, wie Tag und Nacht. Aber darum geht es im Textbuch gar nicht, so einseitig überbetont. Auch der römische Soldat Pollione trägt eine weiße Uniform mit goldenen Macht- Knöpfen. Das Kennzeichen der römischen Weltmacht war aber immer eine signalrote Uniform, oder rote Markierungen. Norma dagegen ist, zutreffend umgeben von Zeichen des schwarzblauen Nachthimmels. Sie ist die Mondpriesterin der keltischen Druiden, die vor zweitausend Jahren Opfer der römischen Eroberungspolitik wurden. „Casta Diva“ (Keusche Göttin) heißt Normas berühmtes Auftrittslied. Mit dieser dramatischen Rolle wurde Maria Callas berühmt.
Norma verabscheut zunächst den römischen Eroberer ihrer Heimat, den Feldherrn Pollione, verliebt sich aber in ihn. Trotz günstiger Gelegenheit lässt sie sogar einen bereits gezückten Dolch kraftlos fallen.
Ihr Streit verdeutlicht die schroffen Gegensätze, zwischen der materiell, von wertvollen Land und Gold–Eroberungen gesteuerten Habgier der herumreisenden römische Soldaten und der geheimnisvollen, mystischen Verehrung alter Götter, durch die Priesterin Norma. Ihr eigenes Reich ist der dunkelblaue Nachtmond. Die Farbe des schwarzblauen Minerals Lapislazuli, die schon im alten Orient ein Erkennungszeichen der Zauberer und mächtigen Magier war, die den nächtlichen Sternenhimmel deuten und die Zukunft voraussagen konnten. Das leuchtende Licht-Gold des Mondes ist hier eine zweite, sparsam verwendete Signalfarbe, für die alten keltischen Priester.
Es ist der ständige Streit zwischen Tag und Nacht, zwischen geistigem und materiellen Reichtum.
Der Mond ist im Italienischen weiblich (La Luna), die Sonne männlich (Il Sole). Das soll die dunkle Erdmutter direkt vergleichen, mit der strahlenden Energie der Sonne.
Die Handlung wird, dank der eingeblendeten italienischen Untertitel, immer besser verständlich. Vor Allem die Musik sorgt da immer wieder für Akzente, mit schallenden Trompeten und großen Chören.
Richard Wagner bezeichnete Bellinis Melodien als Vorbild für sich selbst. Ein Meister lernt vom anderen. Aber Bellini (1801 -1835) starb schon mit 34 Jahren, zwei Jahre nach Wagners Geburt. Hier gibt es jedoch innere Gemeinsamkeiten, die mit der Biologie nichts zu tun haben. Es ist das Gedächtnis der Menschheit, das sich an frühe Ur-Erinnerungen bindet, die Archetypen. Ein lebenslanges Hauptthema des Freud-Schülers und Psychoanalytikers Carl Gustav Jung (1875 – 1961).
Noch näher dran, am Originaltext ist eine Inszenierung aus Kiew, die hier, nur aus Zeitgründen nicht genauer behandelt werden kann. Aber der folgende Ausschnitt reicht, als Kostprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=qgYUu9enDrw
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