8.10.2021. Komplizierte Dinge werden einfacher, wenn man sich auf die Hauptsachen konzentriert. Allerdings muss man sie vorher bewerten und auswählen, sonst gibt es ein Chaos. Wenn es aber klappt, funktioniert die Meditation. Man muss das nur trainieren. Dann dämpfen sich die Nebensachen und drängen sich nicht mehr in den Vordergrund, auch Musik. Man muss nur ein Thema aussuchen, ein Stichwort. Auch dann treten Seitenwege zurück, lassen sich aber später wieder aktivieren. Zum Thema der Wagnerwerke habe ich das bisher mit dem „Nibelungenring“ ausführlich gemacht. Die vier Abende sind derart umfangreich, dauern insgesamt sechzehn Stunden und sind voller Bildsignale, Symbole, die viele Musikfreunde völlig durcheinander bringen oder jahrelang Zeit verschlingen.
Die drei Frühwerke öffnen sich dabei auch. Der einsame „Holländer“ klagt über eine Irrfahrt, die er alle sieben Jahre auf den stürmischen Weltmeeren neu beginnen muss. Ein Fluch, den er erst loswerden kann, wenn er ernsthaft geliebt wird. Das geht schief, dafür nimmt ihn die „ewige Vernichtung“ für immer auf. Die mystische Vereinigung und Auflösung im Universum, aus dem alle Lebewesen entstanden sind.
Das zweite Frühwerk, „Tannhäuser“ behandelt die unauflösliche Zerrissenheit zwischen Körper und Geist, zwischen dem frivolen Venusberg und der sittenstrengen Wartburg, wo alle nur „rein“ und fehlerlos sein sollen. Die Spannung löst sich nicht auf. Erst eine vergebliche Pilgerfahrt nach Rom schickt ein Zeichen „von ganz oben“: Der vertrocknete Herrscher-Stab des Papstes fängt bei der Rückkehr zur Wartburg plötzlich an zu blühen. Die Hoffnung hat gesiegt.
Frühwerk Nummer Drei ist „Lohengrin“. Am 20.92.21 habe ich dazu einen Artikel geschrieben, mit dem Titel „Sternenzimmer“ :
https://luft.mind-panorama.de/stern/
Zitat: „Der dritte Lohengrin-Akt. Wenn der Vorhang noch geschlossen ist, zeichnet die Musik ein rauschendes Hochzeitfest. Dann begleitet die Festgesellschaft das glückliche Paar, bis an das Bett im Brautgemach und singt ihnen noch ein Ständchen. Allein das kann ein optischer Märchentraum sein, wie eine Palastgeschichte aus 1001 Nacht. Was die Musiktheater dabei bieten, ist leider oft zum Weglaufen. Aber dann dann ist das Brautpaar auch endlich allein. Sie schmachten sich an, und dann wird die angeblich „unschuldige Braut“ Elsa sehr neugierig. Sie will ausgerechnet jetzt Alles wissen: Wie ihr Bräutigam heißt. Woher er kommt. Vielleicht auch, was er verdient. Das würde zu dieser Szene passen: Die nackte Geldgier. Und im Zuschauerraum sitzen viele sehr reiche Menschen, In den Pausen werden sie genau beobachtet und eingeschätzt. Wenn aber zu viele Luxus-Lokale in der Nähe sind, bleiben sie leer.
Den neuen Wirt eines alten Künstlerlokals habe ich einmal gefragt, ob man in an seinen weiß gedeckten Kronleuchter-Tischen auch nur ein Bier trinken kann, so wie in den Jahren früher. Er antwortete vornehm: „Im Garten stellen wir später noch ein paar Stehtische hin. Dort können Sie gern ein Bier trinken.“ Seitdem war ich nicht mehr dort. Manchmal liegen solche Wirtshäuser in der Mitte von alten Städten. Die könnte man vorsichtig, vor Allem optisch aufwerten. Meine zahlreiche Vorschläge dazu wurden viele Jahre lang nicht beachtet. Das wird sich ändern, darum auch hier der bekannte Hinweis auf das nachweisbare Copyright. Wer mit fremden Ideen viel Geld selbst verdienen will, muss mit dem Autoren vorher eine Nutzungsvereinbarung abshließen. Das ist jederzeit möglich.“
Das Ende in Lohengrins märchenhaftem Brautgemach ist eine Katastrophe. Er jagt seine pausenlos fragende, neugierige Braut weg und erzählt lieber dem wartenden Publikum draußen, Alles was sie schon lange wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten.
Wagner war am besten, wenn seine Texte gut waren. Deshalb schrieb er sie alle selbst. Mit einer einzigen Ausnahme: In den „Meistersingern“ verwendet er einen Text des historischen Nürnberger Schusterpoeten Hans Sachs (1494 – 1576). „Wach auf! Es nähert sich der Tag. Ich höre singen im grünen Wald eine herrliche Nachtigall. Der Tag neigt sich zum Okzident (Westen). Die Nacht geht fort im Orient (Osten).“ Damit ist Martin Luther (1483 – 1546) gemeint. Der Kirchenreformator aus Wittenberg, die „Nachtigall“ aus Wittenberg. Er wagte als erster, den römischen Papst heftig zu kririsieren und seinen universalen Machtanspruch enfach abzulehnen, sogar vor dem Kaiser, beim Reichstag in Worms. Das galt als „Ketzerei“. Viele kritische Denker wurden deshalb mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bedroht, auch William Shakespeare und Giordano Bruno. Zum Stichwort „Ketzer“ gibt es hier über 70 eigene Artikel:
https://luft.mind-panorama.de/?s=Ketzer&x=13&y=10
Das grenzenlose Wissen zu solchen Stichwörtern hat kein einzelner Mensch griffbereit. Richard Wagner hat es verwandelt in Symbolbilder und eine grenzensprengende Musik. Sie ist eigentlich leicht zugänglich, wenn sie richtig gezeigt und zum Klingen gebracht wird. Das aber scheint immer schwerer zu werden.
Wie das gelingt, kann man hier hören, beim Lohengrin-Vorspiel: