24.9.2019. Am letzten Wochenende rief ein Bekannter, „Des is wucha“. Er meinte „Wucher“ und damit das Oktoberfest. Natürlich war es dort immer teurer als anderswo. Aber der Vergleich mit den saftigen Innenstadtpreisen zeigt, dass hier etwas davongeflogen ist, im ungebremsten Höhenrausch. Die Preise werden zwar von der Stadt genehmigt. Der Oberbürgermeister ist Wirtschaftsexperte, auch zahlreiche andere Mitarbeiter im Rathaus. In den großen Festzelten sitzen Viele gemütlich und zahlen gern, die sonst in großen Firmen für klare Kassen sorgen. Natürlich auch die Unternehmensberater (Consulting), die mit guten Ratschlägen viel Geld verdienen.
Keiner fragt nach, warum – warum es seit vielen Jahren so teuer ist. Eine Maß Bier kostet das Dreifache eines Lokalpreises. Sicher verschlingt der Aufbau des ganzen Geländes für nur zwei Wochen eine Menge Geld. Aber damit darf sich Niemand zufrieden zurücklehnen.
Sämtliche Kosten haben einen Ursprung. Beim Warenproduzenten. Beim Arbeitslohn des schuftenden Mitarbeiters. Natürlich auch die Preissteigerungen.
Zu jedem Detail wird eine Prozentzahl berechnet. Der Aufschlag. Aus dem ergibt sich auch der Gewinn der Festzeltbetreiber, der Wirte. Am Ende sind alle Mitwirkenden zufrieden. Die starken Dirndl-Frauen, die mit beiden Händen ständig schwere Maßkrüge schleppen. Sie kommen oft aus ärmeren ländlichen Gegenden, viele aus Österreich und anderen Nachbarländern.
Keiner würde das anstrengende Geschäft mitmachen, wenn es sich nicht lohnt. Aber die Höhe des prozentualen Aufschlags auf die niedrigeren Ursprungskosten ist eine genauere Untersuchung wert.
Dafür gibt es das Wirtschaftsreferat der Stadt. Und die Innere Revision bei Auffälligkeiten. Manche Festwirte hat ihre übertriebene Geldgier auch nach erfolgreichen Jahren zum fristlosen Rauswurf gebracht. Oder die Beschäftigung billiger Ausländer in den Küchen, bei denen keine vorgeschriebenen Sozialabgaben gezahlt wurden. Gegen das schlechte Einschenken des Biers gibt es seit Jahrzehnten einen eigenen Verein. Wer sich heute beschwert, erntet keine Verärgerung, sondern ein schnelles Nachfüllen, auch wenn er schon einen Schluck getrunken hat.
Details der notwendigen Prüfungen sind Sache der Wirtschaftsfachleute. Aber es sollte Jedem zu denken geben, wenn viele geborenen Münchner überhaupt nicht mehr auf die Wiesn gehen, andere sich vormittags in der Altstadt satt essen, bevor sie die hohen Festpreise bezahlen. Eine Familie mit zwei Kindern ist sonst schnell ein paar hundert Euros los.
Ersatz gibt es genug, weil eine große Nachfrage da ist. Die ganze Welt drängt auf die Theresienwiese, nach dem Ende des Kalten Kriegs vor dreissig Jahren natürlich auch die Osteuropäer. Die meisten Australier findet man im Hofbräuzelt, weil der Name des Gerstensafts auf allen fernen Kontinenten bekannt ist.
Auch wenn die Trachtenkapellen schon mittags Discomusik spielen, bremst das den Andrang nicht, der recht ungemütlich werden kann, wenn im Rausch die vollen Masskrüge fliegen und Richtung Publikum segeln. Das bewältigen manchmal selbst die Hundertschaften von Sicherheitskräften oder Polizisten nicht mehr.
Dabei gibt es auch für solche Probleme leicht verständliche Lösungen. Zum Beispiel Eintrittskarten an den Eingängen. Das war ja noch nie da! Das ist richtig, aber die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Wenn eine maximal erträgliche Zahl an Karten verkauft ist, werden nur noch so Viele eingelassen, wie vor den Ausgängen an verbrauchten Karten zurückgegeben werden. Das lässt sich über Pfandgeld regeln, das Keiner gern verschenkt. Und wenn der Automat die Karte verschluckt hat, kann man sie auch nicht an Freunde oder Fremde weitergeben. Oder sogar daran verdienen.
Den Druck kann man auch mit zusätzlichen Veranstaltungen dämpfen. Die großen Wirtshäuser haben abends das im Angebot. Es gibt seit Jahren eine „Oide Wiesn“, die alte Traditionen wiederbelebt. Dort verlangt man auch immer schon Eintritt in zumutbarer Höhe.
Am übernächsten Wochende ist wieder Schluss. Dann kann man Bilanz ziehen. Und so lange darauf warten. Denn das geduldige Betrachten der Alltagsabläufe bracht Zeit.
Hier gibt es eine Kostprobe mit Musik: