Passion

9.6.2016. Wörter verändern ihre Bedeutung allein schon durch die Betonung, je nachdem, ob sie freundlich gemeint sind oder nicht. Dazu kommt der Zusammenhang mit einem konkreten Thema. „Passion“  ist einmal die Leidenschaft für teure Hobbys, Spielautomaten, chemische Glücksbringer oder viel Macht und Geld. Außer der Leidenschaft bedetet das Wort auch Leidenszeit. Am bekanntesten in den kirchlichen Gedenktagen, die an dem Verrat von Jesus durch seinen eigenen Jünger Judas Ischariot im Garten Gethsemane erinnern. Judas bekam dafür Geld, er ließ sich bestechen mit vierzig Silberlingen, erhängte sich aber kurz danach aus Verzweiflung und Scham an einem Baum. Seit zweitausend Jahren wird das Stichwort Passion als Merkmal einer Leidenszeit verwendet, ob nach dem Verlust eines geliebten Menschen oder nach Jahren in Vernichtungslagern wie Auschwitz.

Das Wort klingt allerdings so ähnlich wie „Patience“. Das heißt Geduld. Vertrauen auf die Zeit. Denn sie verändert Alles.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete vorgestern, dass eine großzügige Unterstützerin des Bayerischen Staatsballets ihre zukünftigen Zahlungen einstellt, immerhin 1,3 Millionen Euro jährlich. Irène Lejeune hat als Unternehmerin mit ihrem Ehemann eine große Compterfirma aufgebaut und seit dem Jahr 2008 den Klassischen Tanz in der Staatsoper unterstützt, der hervorragend von Ivan Liska geleitet wurde. Jetzt hat hat Ministerialdirigent Toni Schmid vom Bayerischen Kunstministerium einen Nachfolger ausgewählt, den Russen Igor Zelensky. Die Förderin Irène Lejeune hat (wie im Pressebericht der SZ veröffentlicht) immer wieder versucht, mit beiden ins Gespräch zu kommen. Vergeblich. Man bot ihr stattdessen an, das Opernorchester zu unterstützen. Doch sie hat dazu „keine emotionale Bindung“ und sieht ihre bisherige Förderung als „Herzensangelegenheit.“

Pech gehabt. Wenn man sonst schon kaum auf das Publikum hört, so hat es in diesem Fall Konsequenzen. Die großzügige Mäzenin will sich eine zukünftige „Leidenszeit“ ersparen.

Das ist ein  Signal.  Die Metropolitan Opera in New York bekommt relativ geringe staatliche Zuschüsse und ist existenziell auf die Zustimmung privater Förderer angewiesen. In Deutschland werden Subventionen aus knappen Steuergeldern der Öffentlichkeit immer noch mit der Gießkanne verteilt  Was das bedeutet, hat der FAZ-Kritiker Gerhard Stadelmaier jetzt in einem neuen Buch analysiert: „Regisseurstheater“.

Zitat: „Das Theater arbeitet daran, sich selbst abzuschaffen. Berserkerhaft werden literarische Vorlagen zertrümmert und dem Publikum dann brockenweise hingeworfen. »Wirklichkeitsnah« will man sein und spricht damit dem Zuschauer jegliches Abstraktionsvermögen ab. »Regisseurstheater« nennt Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier solche Versuche, das Stück dem kurzlebigen Einfall, dem Zeitgeist zu opfern.
Seit vier Jahrzehnten begleitet und kommentiert der Autor das Treiben auf deutschsprachigen Bühnen. Wie so viele verzweifelt er regelmäßig daran. Aber wie kaum ein anderer lässt er sich auch vom Zauber, den das Theater zu entfalten vermag, mitreißen und spart in diesem Essay folglich keinesfalls jene Glücksmomente aus, die ihm seine Begeisterungsfähigkeit erhalten.“

http://www.zuklampen.de/buecher/neuerscheinungen-c-33/regisseurstheaterauf-den-buehnen-des-zeitgeists-p-1274788832.html

„Wir setzen und mit Tränen nieder.“ So endet die „Matthäus-Passion“ von Johann Sebastian Bach. Es klingt in keiner Weise niedergeschlagen oder depressiv, sondern ist voller Hoffnung auf eine bessere Welt. Das ist einer der ältesten Menschheits-Träume, erfüllt sich aber deshalb nur selten, weil die fortschrittlichen Elemente immer wieder gebremst werden, durch Egoisten, Betrüger und andere destruktive Selbstdarsteller.

Ton Koopman dirigiert den Schluss-Chor aus Bachs Matthäus-Passion:

https://www.youtube.com/watch?v=jygOAnPMWOE

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