3.2.2020. Hamburg hat einen großen Botanischen Garten. „Planten un Blomen“. (Pflanzen und Blumen). Ein kleiner tropischer Urwald mit vielen exotischen Gewächsen, den man hoch oben in Deutschlands Norden gar nicht erwartet. Neben dem einen Eingang liegt die Staatsoper, wo ich während der Bundeswehrzeit, bei stark verbilligtem Eintritt zum ersten Mal die Meisterwerke der Musikbühne erlebt habe, darunter, im Jahr 1970, den „Fliegenden Holländer“ in der Regie von Wieland Wagner. Unvergesslich, wie den ganzen ersten und dritten Akt ein riesiges blutrotes Segel den Bühnenhintergrund ausfüllte, dessen Details so gestaltet waren, als ob man in das Weltall blickte, aber nicht das gewohnte nachtschwarze Panorama sah, sondern eine Welt aus loderndem Feuer.
Wenn man von diesem Kulturgebäude aus den ganzen Botanischen Garten als Spaziergänger durchquert, landet man am Fernsehturm, wo früher ein Panorama-Restaurant einen weiten Blück über die ganze Stadt bot. In der Nähe ist der berühmte Hamburger Hafen, die wichtigste deutsche Station für Ozeandampfer, die auf allen Weltmeeren fahren. Wenn Matrosen dort ein paar Tage Pause hatten, amüsierten sie sich auf der Reeperbahn. Eine Sehenswürdigkeit für sich.
Mit einer Dame, die in Hamburg geboren wurde, aber schon sehr lange in Süddeutschland lebt, unterhalte ich mich gelegentlich über ihre Heimat. Wohnen möchte sie dort mich nicht mehr, erinnert sich aber gern an die Orte, die auch ich während meiner Militärzeit öfter besucht habe. Es ist eine Welt für sich, mittlerweile fremd und weit weg, aber unvergessen.
Jahrzehntelang habe ich mich nur selten an Hamburg erinnert und sogar gemeint, das Alles wäre längst vergessen. Aber das täuscht. Im Lauf der Jahre wird die Überfülle an Erfahrungen und Bildern der Vergangenheit deshalb klarer und deutlicher, weil sich Wichtiges und Unwichtiges voneinander trennen. Die Spaziergänge durch die norddeutsche Hafenstadt können mittlerweile wie ein Video abgerufen werden, das erst gestern entstanden ist. So ist es auch bei anderen Lebensabschnitten, die im Zeitpunkt ihres Geschehens untergingen in einem riesigen Speicher, den niemand sortiert. Das Ergebnis kann dann sein, das man sich dafür entscheidet, bestimmte Orte von früher wieder zu besuchen oder sie endgültig abzuhaken. So kann es auch gehen mit Plätzen, nach denen man sich viele Jahre gesehnt hat, dort aber auch so viele ernüchternde Enttäuschungen erlebt hat, dass man sich einerseits genau an Details erinnert, aber dort nie wieder hin will. Vor Allem, wenn man die Ursachen erkannt hat.
Der Österreicher Freddy Quinn, der niemals auf einem Schiff gearbeitet hat, wurde vor Allem durch Seemannslieder über Hamburg berühmt. Doch die „Melodie der Nacht“ gehört nicht dazu. Es handelt von der Großstadt-Einsamkeit und ist zeitlos, an keinen einzelnen Ort gebunden: