17.1.2020. Prospero ist der Name der Hauptfigur in Shakespeares letztem Werk, „Der Sturm“. Das Stück ist ziemlich verworren, voller Märchengestalten, und nur im Schlussmonolog des Zauberers Prospero erkennt man den Klang der Stimme des Autors: „Hin sind meine Zaubereien. Was von Kraft mir blieb, ist mein, und das ist wenig.“ Das Wort „Prospero“ bedeutet einmal, „ich schreite fort“ oder „wachse“, „blühe“. Aber es ist auch ein endgültiges Fortschreiten aus einer Welt, deren sprachliche Meisterwerke zu dem Bedeutendsten und Tiefgründigstem gehören, was die Welt auch später noch in Theaterdramen zu hören bekam.
Aber der Autor heißt nicht Shakespeare. Ein Mann gleichen Namen wurde in Stratford upon Avon geboren und gründete später das Globe-Theater am Themseufer in London. Doch in seinem Testament hat er bis ins kleinste Detail aufgezählt, wer welche Dinge von seinem Erbe bekommen sollte. Die berühmten Dramen werden überhaupt nicht erwähnt, weil er sie zwar oft hat aufführen lassen, aber nicht ihr Autor war. Der Name „Shakespeare“ steht zwar über jedem einzelnen Stücke, ist aber als Markenzeichen zu verstehen. Der Theaterdirektor führte ausschließlich diese Werke auf, erwähnte den tatsächlichen Verfasser aber nie.
Seitdem gehen die wildesten Gerüchte um. Die ganzen Kandidaten einzeln aufzuführen, ist Zeitverschwendung. Genauso gut könnte es sein, dass plötzlich das Telefon klingelt und eine unbekannte Stimme sagt, „Ich bin’s, der einzige Wahre und Echte.“
In die engere Wahl kommen zwei Zeitgenossen des Dichters. Edward de Vere (1550 – 1604) war ein englischer Adeliger am Hof der Königin Elisabeth I. Er war hoch gebildet, aber man hielt ihn nur für einen mittelmäßigen Dichter.
Treffsicher ist die Erwähnung Christopher Marlowes (1564, angeblich bis 1593). Von ihm weiß man nicht viel, aber er hat mit dem Königsdrama „Edward II.“ ein Stück hinterlassen, dessen Sprache und Thematik sehr an „Shakespeare“ erinnert. Marlowe starb angeblich bei einer Wirthausstecherei in London, aber alle Augenzeugen wollten sich dazu nicht festlegen. Vielleicht hatten sie Angst. Doch ein einzelner deutscher Fernsehfilm in prachtvoller historischer Ausstattung zeigt eine ganz andere Version: Denn Shakespeares Stücke handeln nicht nur von schönen Dingen, sondern sie blicken scharf auch hinter die dicken Mauern der englischen Königsschlösser. Zum Beispiel der Herrscher Richard III. hat tatsächlich gelebt und wurde dann im Drama zu einem der blutrünstigsten Scheusale seiner Zeit. Mit solchen, auf Tatsachen beruhenden Schauergeschichten macht man sich nicht nur Freunde. Angeblich wurde Marlowe von den engsten Beratern seiner Königin empfohlen, eine neue Identität anzunehmen. Der Rat soll vom Chef des Geheimdienstes gekommen sein, dessen Spitzel überall in London herumschlichen. Demnach reiste der Dichter über Frankreich noch Italien und verbrachte dort sein weiteres Leben, unerkannt. Die fertigen Werke schickte er nach London und ließ sie dort von dem echten Theaterdirektor William Shakespeare unter dessen Namen aufführen. Diese Hypothese ist zwar wissenschaftich nie bewiesen worden, aber man erkennt in den Werken, dass einige der besten in Italien spielen. „Romeo und Julia“ in Verona. „Othello“ in Venedig. Und in diesen überragenden Dramen ist der Dichter auf der Höhe seiner Kraft und seines dramatischen Feuers. Außerdem enthalten sie Details vom Leben und den Gebräuchen südlich der Alpen, wie man sie in damaligen Reiseführern wahrscheinlich gar nicht finden konnte, sondern nur aus eigener Anschauung.
Im anfangs erwähnen Schlussmonolog „Prosperos“ heißt es auch: „Nun ist’s wahr, Ich muß hier bleiben immerdar, wenn ihr mich nicht nach Neapel schickt.“ Neapel liegt in Süditalien, also war der Sprecher nicht dort, sondern entgegengeetzt, im Norden: In Venetien, zwischen Verona und Venedig. Der Text wendet sich an das Theaterpublikum, aber von denen hätte ihn keiner nach Neapel schicken können. Außer seiner Gönnerin und Beschützerin, König Elisabeth I. Weiter heißt es: „Mein Plan; er ging auf eure Gunst.“ Es gibt noch viele andere Spuren in dem Schlusswerk, die sich ergänzen.
Geheimakte Shakespare? Kann schon sein. Seiner Königin war er jedenfalls so dankbar, auch weil sie seine Stücke gern anschaute, dass er ihrem Vater, dem berüchtigten Heinrich VIII, ein sehr wohlwollendes Drama als Andenken setzte, obwohl der für ein paar sehr umstrittene und harte Aktionen seiner Regierungszeit heute noch bekannt ist und Shakespeare sonst über die englischen Könige gern harte und offene Worte mitteilte..
Im Schlusswerk „Der Sturm“ gab der Autor sich jedenfalls selbst den Namen des Zauberers Prospero. Das passt noch genauer, denn ein Magier war er sicherlich. Allein mit seiner Sprache konnte er ganze Welten neu erschaffen, ließ dabei in finstere Abgründe blicken, aber zeigte auch den freien Blick von steilen Bergesgipfeln.
Letztlich ist der Name auch nicht das Wichtigste. Es zählen allein die Werke und ihre überragende Qualität. Kolumbus hat den Kontinent Amerika entdeckt, aber wenn er einen ganz anderen Namen gehabt hätte, wäre das auch egal.
Das brühmteste Lied aus der Shakespeare-Zeit ist „Greensleeves“. Hier kann man es hören: