8.7.2021. Auf dem Flachland gibt es nur Busse und teure Taxis für den öffentlichen Transport in den Kleinstädten. Sonst nur Fahrräder. Das reicht auch, wenn man kein eigenes Auto will. Besonders viele Fahrräder stehen vor den Großstadt-Bahnhöfen. Denn Pendler benutzen sie für ihre tägliche Zugfahrt zur Arbeit. Dort macht man Witze darüber. Ein „Radfahrer“ ist auch der Spitzname für einen zu eifrigen Kollegen, der nach oben, mit gesenktem Kopf tief buckelt und nach unten fest zutritt. Das machen viele Gruppenleiter, die sonst nicht viel zu bieten haben, um ihre Macht zu demonstrieren. Weniger die Mehrheit, die sowieso nur gehorchen und funktionieren muss und am schlechtesten bezahlt wird. Sie verleihen an die besten Radfahrer den „Goldenen Lenker“, aber ein Kompliment ist das nicht.
Strampeln und Treten, das ist eher ein Zeichen für Hochdruck und Überforderung. Als Kind erlebt man das bei den Erwachsenen, die schuften müssen. Bis solche Zeiten kommen, gibt es viel Freizeit, wenn die tägliche Schule vorbei ist. Als zuschauender Beobachter sieht man dabei viel mehr als aus der größten Nähe, wo Kleinigkeiten ablenken. Dazu kommt der Faktor Zeit. Manche Bilder werden am Anfang gar nicht erklärt. Wenn sie trotzdem stark sind, landen sie im Gedächtnis, zusammen mit vergleichbaren Erfahrungen. Daraus ergibt sich ein ganz neues Bild. Nach zwanzig Berufsjahren hat das Risse und Löcher, die sich zukleben lassen. Und größere, die dafür noch viel mehr Zeit brauchen. Chronologisch, in zeitlicher Reihenfolge, zeigen sich dann Veränderungen, Fortentwicklungen und Misserfolge. Trennt man sie nach ihrer Wichtigkeit, bekommt das Gesamtbild eine tiefere Struktur und spannende Einzelteile. Dann landet es auf dem Dachboden oder in der Rumpelkammer. Oder wird lebendig wie noch nie.
Beim Rückblick auf die Kinderzeit gibt es keine starken Gefühle, weil die unterwegs verschwunden sind. Aber Überraschungen und neue Erkenntnisse, die einen unbekannten Rahmen haben. Gold wird zu Müll, und Schatten ganz hell. Das wächst und vergrößert sich nicht immer, aber das Gesamtbild hat ein anderes Format, die Qualität, die Kosten und der Gewinn.
Als Jugendliche waren wir, oft gemeinsam mit den Fahrrädern, in den umliegenden Wäldern unterwegs und träumten erst einmal nur, von der großen weiten Welt. Die längste Strecke waren 24 Kilometer bis Bad Bentheim. Dort stand eine mittelalterliche Ritterburg aus dem 11. Jahrhundert, die das ganze Land überragte und an abenteuerliche Ritter-Filme erinnerte, die im Kino damals ein großer Erfolg waren. Zu dem Ort gehört auch eine malerische Schlucht mit Sandsteinfelsen und einer Freilichtbühne, wo auch Musicals gezeigt werden. Die nannten sich früher Operetten. Die Handlungen drehten sich um Grafen, Prinzessinnen und deren verloren gegangene Schlösser. Man konnte dabei träumen, hochschauen zum nächtlichen Sternenhimmel, sie nicht wörtlich ernst nehmen und die Wirkung der Musik erleben, der Melodien und Gefühle, die nicht zur Wirklichkeit gehörten, aber eine eigene, vorübergehende Realität aufbauten und erweiterten, auf einer anderen Ebene.
Am Neusiedler See, 70 Kilometer südlich von Wien, lebt diese Tradition im Sommer auch, mit den Meisterwerken von Lehar, Kalman, Zeller und Johann Strauß. Im Jahr 2000 gab es dort den „Zigeunerbaron“. Der 1. Teil (68 Minuten) zeigt altmodische und kitschige Bilder. Eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten, dazu hört man die temperamentvolle Musik des Walzerkönigs:
https://www.youtube.com/watch?v=NswtS4uvWxM
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